Gaza-Krise

Zahlen, bitte!

Teure Verteidigung: Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass die Armee dem Finanzminister eine Rechnung von 200 bis 400 Millionen Euro vorlegen wird. Foto: Flash 90

Die Geschütze sind abmontiert, die Reservisten haben ihre Uniformen in den Schrank gehängt und sind in den Alltag zurückgekehrt. Studium, Arbeit und Familie – die Normalität hat Israel wieder. Nach acht Tagen israelischer Militäraktion im Gazastreifen schweigen die Waffen. Lange dauerte die Vergeltung aus der Luft nicht. Doch die Folgen werden nachwirken. Denn in diesen Tagen bekommt die Regierung die Rechnung für die »Wolkensäule« präsentiert. Und schluckt ob der immensen Kosten, die sich in einer einzigen Woche zusammengeläppert haben.

Erst nach wochenlangem Raketenregen durch palästinensische Extremisten machte Jerusalem dem Bombardement mit dem gezielten Beschuss von Terrorzielen ein Ende. Vorerst. Bislang hat die Hamas noch jeden Waffenstillstand gebrochen. Solange er hält, nutzt Israel die Zeit, um politisch wie wirtschaftlich Bilanz unter »Amud« zu ziehen, die »Säule« wie die militärische Intervention im Volksmund kurz genannt wird.

Milliarden Eine Woche in Gaza kämpfen wird das Staatssäckel insgesamt um rund drei Milliarden Schekel (umgerechnet etwas unter 600 Millionen Euro) erleichtern, verkündeten Ministerien, Handelskammern, Banken und Versicherungen übereinstimmend.

Den Löwenanteil davon nimmt eindeutig die Verteidigung in Anspruch. Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass die Armee dem Finanzminister eine Rechnung von 200 bis 400 Millionen Euro präsentieren wird. Munition, Abwehrraketen, Flüge von Kampfjets, aufgefahrene Panzer und andere Fahrzeuge, Zehntausende von Reservisten, die transportiert, untergebracht sowie verpflegt werden mussten und vieles andere mehr. Eine Aufstockung des Verteidigungssystems »Eiserne Kuppel« (Kosten um die 20 Millionen Euro) übernimmt zum Teil die USA. Jedes einzelne Geschoss, das abgefeuert wird, um eine feindliche Rakete zu treffen, ist eine massive Ausgabe für sich: Mit nur einem Knopfdruck verschlingt die schützende Kuppel über den israelischen Städten 50.000 Euro.

Alarmstufe Sollte der Waffenstillstand wieder einmal scheitern, heißt das nicht nur für die Menschen im Süden und vielleicht sogar erneut im Zentrum: Alarmstufe Rot. Auch die Wirtschaft könnte dann ernsthaften Schaden nehmen. Denn auch im zivilen Bereich sind die Kosten bereits geschätzt. Die eingezogenen Reservisten, die tagelang ihrer Arbeit nicht nachgehen konnten, kosten die heimische Wirtschaft Millionen. Zuzüglich der Einbußen, die Geschäftsinhaber durch die Lähmung jeglicher Tätigkeit hinnehmen mussten.

Allein im Süden beläuft sich die Quittung dafür auf über 20 Millionen Euro täglich. Nicht eingerechnet ist der Schaden an Gebäuden, Straßen und Infrastruktur, den das Finanzministerium mit Millionen im dreistelligen Bereich durch die 1900 eingeschlagenen Geschosse angibt. Dutzende von Millionen kosten zudem die Dienste der Rettungskräfte von Polizei, ZAKA und Magen David Adom.

Auch Unternehmen in und um Tel Aviv haben finanziell unter dem Kriegszustand gelitten. Etwa S-Entertainment aus Holon, das vom Catering über die Musik bis zur Dekoration alles für private Partys organisiert. Inhaber Elad Levi spricht von Tausenden von Dollar, die ihnen in einer Woche durch die Lappen gegangen sind. »Gewöhnlich haben wir zwei bis drei Feste pro Abend. Ob Barmizwa, Hochzeit oder Geburtstag. Nach der ersten Rakete in Rischon hatten wir noch eine Feier – in der Woche.« Und sogar jetzt laufe das Geschäft nur schleppend wieder an. Levi geht davon aus, dass viele Menschen erst einmal abwarten wollen, ob der Waffenstillstand tatsächlich hält und ihre Partypläne auf später verschieben. Der Geschäftsmann hofft auf Kompensation vom Staat, um die Verluste zumindest einigermaßen ausgleichen zu können.

Bürokratie Ob er aber tatsächlich einen Schekel sehen wird, steht in den Sternen. Kollegen von Levi, die innerhalb eines 40-Kilometer-Radius des Gazastreifens leben, sicherte Finanzminister Yuval Steinitz einen finanziellen Ausgleich und Nachsicht bei der Bürokratie zu. »Wir sehen, wie wir kleinen Firmen helfen können, die nach den Kämpfen in Schwierigkeiten geraten sind«, verkündete der Minister.

Sein Kollege im Tourismusministerium, Stas Misezhnikov, will dem Süden mit konkreten Finanzspritzen unter die Armee greifen. Während einer Tour durch die Großstädte Aschkelon und Beer Scheva erklärte er, dass Millionen von Schekel für Tourismusanbieter im Süden bereitgestellt werden.

So soll es beispielsweise Darlehen für den Ausbau von Hotels und Pensionen sowie Unterstützung für touristische Veranstaltungen in der gesamten Gaza-Peripherie geben. »Wir sind nach der Militäroperation hier, um den Bewohnern zu helfen, die solch einen Mut bewiesen haben. Der Tourismus ist einer der Anker im Süden. Und das Ministerium wird sich an der Rehabilitation beteiligen.« Ein »signifikanter Schaden« für die israelische Wirtschaft ist laut Finanzminister trotz allem ausgeblieben.

Doch jede Woche des Kämpfens lässt das gesamte Wachstum um weitere 0,1 Prozent schrumpfen. Eine immense Summe für eine Auseinandersetzung, die Israel durch nicht enden wollenden Beschuss auf Sderot und andere Städte. aufgezwungen wurde. Hält die Ruhe nicht, wächst das Haushaltsdefizit und müsste durch zusätzliche Kürzungen bei Sozialleistungen, dem Bildungsbudget und Ähnlichem gestopft werden, die auch ohne Krieg bereits dürftig sind und zusammengestrichen werden sollen. Unternehmer Levi findet das, gelinde gesagt, unfair. »Es ist eine Schande, dass gerade die kleinen Leute, für einen Krieg bezahlen müssen, den sie nun wirklich nicht begrüßen.«

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