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»Warum nicht die ›Tel Aviv Open‹?«

Sandra Wasserman bei einer Vorhand Sandra Wasserman at a Forehand Foto: imago/Claus Bergmann

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»Warum nicht die ›Tel Aviv Open‹?«

Sandra Wasserman über israelisches Tennis, Spiele gegen Steffi Graf und ihre Rolle als Fed-Cup-Trainerin

von Tal Leder  16.06.2019 00:52 Uhr

Frau Wasserman, Sie sind Belgierin, waren früher Weltklasse-Tennisprofi, und heute trainieren Sie das israelische Fed-Cup-Team. Hat Israel für Sie eine Bedeutung?
Zu meiner aktiven Zeit habe ich gerne für mein Heimatland Belgien gespielt. Doch Israel als Sportfunktionärin auf der Welt zu präsentieren, ist etwas ganz anderes. Als Jüdin macht es mich schon stolz, wenn unsere Flagge gehisst und die »Hatikva« gespielt wird. Das ist dann ein ganz besonderer Moment.

Erleben Sie auf Tenniscourts manchmal irgendeinen Hass gegen Israel?
Ehrlich gesagt: nein. Natürlich begleitet uns auf unseren Auslandsreisen ständig israelisches Sicherheitspersonal, und die geben uns Anweisungen. Anfeindungen waren aber bis jetzt zum Glück noch nicht dabei. Selbst als wir letztes Jahr in Griechenland bei Qualifikationsspielen fast auf Tunesien trafen, erklärten uns die Nordafrikaner, dass sie keine Probleme hätten, gegen uns anzutreten. Durch unsere Gruppenplatzierung kam es am Ende aber nicht dazu.

Das israelische Frauentennis stand international schon einmal besser da. Welche Ziele haben Sie mit der Mannschaft?
Ziele und Träume habe ich viele. Doch natürlich muss man realistisch bleiben. Schön wäre es, wenn wir zunächst einmal eine größere Auswahl an vielen guten Spielerinnen hätten und in naher Zukunft die Play-offs der Weltgruppe 2 schaffen. Vielleicht klappt es ja dann auch wie 2007, als sich Israel für die Weltgruppe qualifiziert hatte. Ich war lange als Profispielerin weltweit im Tenniszirkus unterwegs, habe alle großen Turniere gespielt und war nach meiner Karriere jahrelang als Coach aktiv. Mit dieser Erfahrung möchte ich meinen Beitrag zur Zukunft des israelischen Damentennis leisten.

Wie wird man eigentlich als belgische Jüdin Tennisprofi?
Ich bin sehr dankbar, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte. Tennis ist ein wunderbarer Sport. Während meiner Grundschulzeit entdeckte ich meine Leidenschaft dafür, und meine Eltern förderten mich von Anfang an. Ich spielte für Maccabi Antwerpen, und dort wurde mein Talent entdeckt. Als Teenager kam ich zur »Nick Bollettieri Tennis Academy«, und danach ging es in meiner Karriere bergauf.

Unter anderem auf Platz 48 der Weltrangliste. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre aktive Zeit?
Da gibt es tatsächlich viele – positive wie negative. Sicher waren die ersten Meisterschaften in Belgien etwas ganz Besonderes. Aber auf den großen Centre Courts dieser Welt zu spielen, ist natürlich etwas Einzigartiges. Ich trat gegen viele Legenden an: Steffi Graf, Gabriela Sabatini oder Manuela Maleeva – diese Matches waren unglaublich. Andererseits war man selten zu Hause. Fast jede Woche in einer anderen Stadt, von der man kaum etwas mitbekam. Es war schwer, Freundschaften zu pflegen, und irgendwann war ich ausgebrannt.

Sie waren noch jung, als Sie aufhörten.
Ich habe 1995 meine aktive Karriere beendet, mit 25 Jahren. In diesem Alter war damals für viele junge Mädchen Schluss. Ich hatte erst einmal genug vom Tenniszirkus und ging danach zunächst für zwölf Monate nach Tel Aviv. Da ich aus einer jüdischen Familie aus Antwerpen stamme, haben wir jedes Jahr Verwandte und Freunde in Israel besucht. Hier traf ich meinen Ehemann, einen ehemaligen israelischen Tennisspieler. Zusammen haben wir drei Kinder. Nun lebe ich schon 24 Jahre hier.

Seit 2016 sind Sie Coach des israelischen Fed-Cup-Teams. Wie kam es dazu?
Auch wenn meine aktive Karriere 1995 zu Ende ging, so bin ich dem Sport als Trainerin verbunden geblieben. Ich war für einige Zeit der Coach von Shahar Peer, die es immerhin bis auf Platz 14 der Weltrangliste schaffte. 2015 übernahm dann die ehemalige israelische Tennisspielerin Tzipi Obziler – die sogar 2005/2006 in der Bundesliga für den TC Blau-Weiss Berlin aktiv war – das Amt des Fed-Cup-Kapitäns von Amos Mansdorf. Sie wollte eine neue Truppe aufbauen, die hauptsächlich aus Frauen bestand. Da wir schon lange befreundet sind, holte sie mich als Coach in ihr Team.

Tzipi Obziler ist die Kapitänin, Sie sind die Trainerin, wo ist der Unterschied?
In unserer Funktion sind wir beide als Trainerinnen tätig: Wir beobachten, analysieren und so weiter. Sie ist aber die Hauptverantwortliche.

Wo sehen Sie das israelische Tennis?
Wie überall gibt es auch in Israel viele talentierte Spieler und Spielerinnen. Im internationalen Vergleich kann man im Kindesalter kaum Unterschiede erkennen. Doch in Israel habe ich die Erfahrung gemacht, dass es meistens bei Teenagern ab 14 bergab geht. Ich kann mir selbst nicht erklären, warum das so ist. Natürlich sind viele bemüht und hätten das Zeug dazu, doch das ist mit anderen Nationen nicht zu vergleichen. Um unsere Talente zu fördern, braucht es gute Sponsoren, noch besser ausgebildete Trainer und auch mindestens ein gut dotiertes Turnier in Israel, wo die Weltelite vertreten ist. So etwas könnte einen Tennisboom auslösen. Aktuell haben wir keine wirklichen Spitzenspieler.

Als Talente gelten die Geschwister Julia und Lina Glushko, Platz 124 und 1067 der Weltrangliste. Können die ganz groß rauskommen?
Das ist schwer zu sagen. Bei den Glushko- Geschwistern hatte ich ein gutes Gefühl. Aber Julia ist mittlerweile schon 29 Jahre alt, und Lina ist erst 19. Doch schlug sie sich zuletzt mit vielen Verletzungen herum, sodass sie in der Weltrangliste weit zurückfiel. Allgemein gibt es hier nicht so viele Spieler wie etwa in Deutschland oder sogar in Belgien. Den israelischen Tennisverband kann man auch nicht mit dem Deutschen Tennisbund vergleichen. Auch ist in Israel die Einstellung zum Sport eine andere als in Europa. Shahar Peer und vor ihr sogar Anna Smashnova waren Ausnahmeerscheinungen im israelischen Damentennis, genauso wie Amos Mansdorf bei den Herren. Bei einigen Jugendlichen sehe ich das Potenzial, in den nächsten Jahren vielleicht in die Top 50 der Welt vorzustoßen. Doch mit 18 müssen sie ihren Armeedienst leisten. Man muss erst einmal ihre Entwicklung weiter verfolgen.

Sie sprachen von einem großen Turnier in Israel. Könnte es das bald wieder geben?
Tatsächlich gab es zwischen 1979 und 1996 auf der ATP World Tour die »Tel Aviv Open«, wo Stars wie Brad Gilbert oder sogar Jimmy Connors auf der Siegerliste stehen. Eine Renaissance dieses Turniers, vielleicht in weiteren Städten, hätte eine nachhaltige Wirkung auf das israelische Tennis. Wenn es möglich war, den Giro d‹Italia für drei Etappen nach Israel zu bringen, dann bin ich davon überzeugt, dass es auch bald wieder ein ATP-Turnier in Tel Aviv geben wird.

Welche Highlights hatten Sie bislang als Fed-Cup-Coach? Und auf welche hoffen Sie noch?
Auf die richtigen Erfolge warten wir noch. Natürlich betrachten wir das Ganze nüchtern. In den letzten zwei Jahren belegten wir immer den zweiten Platz in der Weltgruppe 2. Das war für unser kleines Land schon ein Achtungserfolg. 2020 sollten wir endlich den Gruppensieg schaffen, damit wir die Qualifikationsrunde für den Aufstieg erreichen. Noch formen wir unser Team, doch in naher Zukunft wäre es natürlich toll, ganz oben mitzuspielen. Das Wichtigste ist, dass wir alle gesund bleiben und uns Schritt für Schritt weiterentwickeln. Ich bin auf jeden Fall optimistisch.

Mit dem früheren Tennisprofi und der heutigen Trainerin sprach Tal Leder.

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