Die Bundesregierung erhöht wegen der Lage in Gaza den Druck auf Israel. »Das ist ein vollkommen untragbarer Zustand, der sich sofort ändern muss«, sagte Außenminister Johann Wadephul (CDU) nach Gesprächen mit seinem israelischen Kollegen Gideon Sa’ar in Jerusalem.
Nötig sei eine »fundamentale Verbesserung für die Menschen im Gazastreifen«. Andernfalls drohe Israel die internationale Isolierung. Dabei hat Israel seit Kriegsbeginn für die Einfuhr von fast 1,9 Millionen Tonnen an Hilfsgütern nach Gaza gesorgt und wirft derzeit sogar Nahrung aus der Luft ab. Zugleich verlängert die Hamas die problematische Situation in Gaza, indem sie die verbleibenden 50 Geiseln nicht freilässt.
Der US-Sondergesandte Steve Witkoff und der amerikanische Botschafter in Israel, Mike Huckabee, wollen sich heute im Gazastreifen ein Bild von der Lage dort machen. In dem aufgrund des palästinensischen Terrors auch durch Ägypten abgeriegelten Küstengebiet mit rund zwei Millionen Bewohnern steht laut UN-Angaben eine Hungersnot kurz bevor. Dieselbe UN verzögert die Abholung und Verteilung von Hilfsgütern, die bereits nach Gaza eingeführt wurden.
Wadephul bei Abbas
Die Hamas sagt, sie wolle die ins Stocken geratenen Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg indes nur unter der Bedingung fortsetzen, dass sich die humanitäre Lage dort verbessert. Dabei verursacht sie die humanitäre Lage in ihrem Gebiet selbst und stiehlt Bewohnern für sie bestimmte Nahrungsmittel.
Nach seinen Mahnungen an Israel reist Wadephul heute ins Westjordanland zu Gesprächen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Bei dem Treffen in Ramallah dürfte es unter anderem um den palästinensischen Terror gegen dort lebende Israelis, aber auch um Gewalt radikaler Siedler gegen Palästinenser gehen.
Abbas wurde vor 19 Jahren für vier Jahre zum Palästinenserpräsidenten gewählt. Viele Jahre lang hat seine Autonomiebehörde den Terror finanziell unterstützt, was er offen zugibt. Vorwürfe, wonach Abbas als Finanzier in das Massaker von München von 1972 involviert war, bei dem fast die gesamte israelische Olympiamannschaft umkam, konnten nie bewiesen werden.
Modellversuch gescheitert
Die Knesset, das israelische Parlament, hatte jüngst in einer Resolution eine Annexion befürwortet, was international auf erhebliche Kritik stieß. Auch die Bundesregierung lehnt einen solchen Schritt strikt ab.
Mit Blick auf Gaza verwies Wadephul auf Diskussionen in der Europäischen Union über Sanktionen gegen Israel und auf die steigende Bereitschaft mehrerer Länder, einen palästinensischen Staat anzuerkennen. Ein Modellversuch für einen solchen Staat, in Gaza, war nicht erfolgreich. Nachdem sich Israel im Jahr 2005 einseitig aus Gaza zurückgezogen hatte, machten die Palästinenser daraus eine Terrorhochburg, aus der heraus Israel am 7. Oktober 2023 attackiert wurde.
Bei der Frage von Sanktionen gegen Israel hält sich Deutschland anders als viele andere europäische Staaten bisher zurück. Ob die Bundesregierung dabei mitgehen wird, dürfte auch von den Ergebnissen der Reise des Außenministers abhängen. Anders als etwa Frankreich, Großbritannien und Kanada erwägt Deutschland laut Wadephul bislang auch keine Anerkennung eines palästinensischen Staates.
Hilfsaktion aus der Luft
Deutschland will sich in den kommenden Tagen erneut an internationalen Bemühungen beteiligen, die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen aus der Luft mit Hilfsgütern zu versorgen. Dazu wurden nach Angaben von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) Anfang der Woche bereits zwei Bundeswehr-Maschinen in den Nahen Osten geschickt. In Jordanien sollten die Flugzeuge aufgetankt und für die Einsätze ausgerüstet werden.
Seit Sonntag werfen Flugzeuge aus Israel, Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) Hilfsgüter aus der Luft ab. Deutschland hatte sich bereits im vergangenen Jahr an Abwürfen über dem Gazastreifen beteiligt. Die neue Aktion wurde von israelischer Seite gebilligt. Dennoch forderte Wadephul Israel auf, auch Grenzübergänge in das Kriegsgebiet zu öffnen. Nur über den Landweg könnten Hilfsgüter in ausreichender Menge die Menschen erreichen.
Allerdings schränkt Israel die Einfuhr von Hilfsgütern nach Gaza gar nicht ein. Nach israelischen Angaben hapert es an der Abholung und Verteilung der Hilfe durch die UNO. ja/dpa