Holocaust-Gedenktag

Von Borussia Dortmund bis nach Zypern

Borussia Dortmund leistet seit einigen Jahren eine vorbildliche Arbeit im Kampf gegen Antisemitismus. Foto: IMAGO/Kirchner-Media

Es sind überraschende Ergebnisse darunter: Am Vorabend des Internationalen Holocaust-Gedenktags hat das Zentrum für das Studium des zeitgenössischen europäischen Judentums an der Tel-Aviv-Universität einen aktuellen Jahresbericht präsentiert.

Der Bericht mit dem Titel »Für eine gerechte Sache« resümiert unter anderem, dass sich Anerkennung und Lehre des Holocaust ausgebreitet haben – sogar in Ländern, in denen dies zuvor ungewöhnlich war. Und es ist nachzulesen, dass sich Zypern zu einem Vorreiter im Kampf gegen Antisemitismus entwickelt hat.  

INSPIRATION Die Untersuchung bezog sich auf Initiativen von Regierungen und Bürgern aus aller Welt zur Bewahrung jüdischen Erbes, über den Holocaust zu lehren sowie Antisemitismus und Rassismus zu bekämpfen. Sie zielt darauf ab, Initiativen und Aktivitäten zu fördern und Verbesserungen zu initiieren.

Der Bericht dokumentiert zahlreiche Projekte, die im vergangenen Jahr in der westlichen Welt zur Bewahrung des jüdischen Erbes, zur Aufklärung über den Holocaust und zur Bekämpfung von Antisemitismus durchgeführt wurden. Eine Welle von Bildungs- und Gesetzesinitiativen habe sich demzufolge in Europa, den USA und Australien gezeigt.

»Dies zeigt ein wachsendes Bewusstsein für die Gefahren, die von antisemitischer Propaganda im Internet ausgehen, sowie eine zunehmende Anerkennung der Bedeutung von Aufklärung jüngerer Generationen über den Holocaust.«

»Bedauerlicherweise muss man zugeben, dass es trotz des weltweiten Kampfes gegen Antisemitismus fast überall auf der Welt unsicherer geworden ist, Jude zu sein.«

Professor uriya shavit

Zu den besonders bemerkenswerten Initiativen gehört der erste Jahrestag der Europäischen Kommission »Strategie der Europäischen Union zur Bekämpfung des Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens (2021-2030)« im Oktober 2022.

»Bedauerlicherweise muss man zugeben, dass es trotz weltweiter Unterstützung für den Kampf gegen Antisemitismus fast überall auf der Welt unsicherer geworden ist, Jude zu sein«, weiß Professor Uriya Shavit, Leiter des Zentrums: »Doch den Kampf aufzugeben, ist nicht die Lösung. Wir müssen systematisch und vergleichend lernen, was getan wurde und was verbessert werden kann.« Gleichsam dürfe der Kampf gegen Judenhass nicht zum einzigen identitätsstiftenden Element jüdischer Intellektueller und Organisationen werden, schränkt er ein.

TESTFALL Der Bericht wurde von acht Experten aus verschiedenen Disziplinen verfasst, darunter der Gründerin des Zentrums, Professorin Dina Porat, dem leitenden Forscher Carl Yonker und dem Doktoranden Fabian Spengler, der den »Testfall Borussia Dortmund in Deutschland« untersuchte.

»In ehemals kommunistischen Ländern wurden deutliche positive Entwicklungen beobachtet.« Im Dezember 2021 beispielsweise startete das Elie Wiesel National Institute for the Study of the Holocaust in Rumänien das Projekt »Geschichten aus dem Holocaust – Lokalgeschichten«. Es zielte darauf ab, das Wissen der Rumänen über die Geschichte ihrer Gemeinden aus der Perspektive der im Holocaust verfolgten Juden und Roma zu erweitern.

Besonders bemerkenswert sei die Ausbreitung der Holocaust-Bildung über Westeuropa und die USA hinaus in afrikanische Länder und die arabische Welt. Dem Bericht zufolge wurde in diesem Jahr in mehreren arabischen Ländern ein ermutigender Trend beobachtet, wonach die Geschichte des Antisemitismus und die Verbrechen der Nazis zunehmend anerkannt wurden.

KONSENS So nahm Ägypten im Januar 2022 etwa an einer Sitzung der UN-Generalversammlung teil, die eine Resolution zur Verurteilung der Leugnung des Holocaust verabschiedete. Der ägyptische Botschafter bei den Vereinten Nationen übermittelte den Konsens der arabischen Welt über die Resolution.

Dies spiegelt eine deutliche Wende im arabischen Diskurs über jüdische Geschichte wider und zeigt sich in neuen Initiativen, einige davon im literarischen Bereich, die sich für die Bewahrung jüdischen Erbes in mehreren arabischen Ländern, unter anderem Saudi-Arabien, Ägypten und Marokko, einsetzen.

»Dieser Ansatz basiert auf einer proaktiven Sichtweise und einem umfassenden Engagement für die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.«

Der Bericht analysiert auch das aufkommende Interesse an jüdischer Geschichte und Holocaust in mehreren afrikanischen Ländern, die auf der einen Seite die Tragödien, die das jüdische Volk erlebt hat, sehen und auf der anderen Seite Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die auf dem afrikanischen Kontinent begangen wurden. Dies kommt beispielsweise im Genocide Memorial National Museum in Ruanda zum Ausdruck, das an den Völkermord an der Tutsi-Minderheit des Landes erinnert.

LEHREN Ausführlich wurde Zypern als nachahmenswertes Modell untersucht: Obwohl dort in den vergangenen Jahren keine antisemitischen Vorfälle verzeichnet wurden, hat die Regierung betont, die Geschichte des Holocaust und die daraus zu ziehenden Lehren im Bildungssystem, bei Strafverfolgungsbehörden und in Sportvereinen zu vermitteln.

»Dieser Ansatz basiert auf einer proaktiven Sichtweise, einem umfassenden Engagement für die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und dem Verständnis, dass das Lernen über den Holocaust und die Bekämpfung von Antisemitismus für eine Gesellschaft, die ihre demokratischen und liberalen Werte stärken möchte, von entscheidender Bedeutung ist«, heißt es.

VORBILD Eine detaillierte Fallstudie zur Transformation des deutschen Fußballvereins Borussia Dortmund wird ebenfalls vorgestellt – als Vorbild für das Engagement im Kampf gegen Antisemitismus sowie als Vorbild für andere europäische Sportvereine und -organisationen. Der Verein führt unter anderem Bildungsreisen für junge Fans in Konzentrationslager durch und arbeitet eng mit der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem zusammen.

»In der Vergangenheit diente Borussia Dortmund als Nährboden für Aktivitäten neonazistischer Pseudo-Fans«, so der Bericht, »während er sich heute aktiv und entschieden gegen Antisemitismus stellt.«

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