Wasserversorgung

Vom Roten zum Toten Meer

Zwar geht es nicht in erster Linie um Frieden, doch ist die Lage dramatisch. Wasser ist ein knappes Gut im Nahen Osten. Gleichzeitig sinkt der Pegel des Toten Meeres um einen Meter pro Jahr. Seit Jahren droht der einzigartige Salzsee auszutrocknen. Das soll sich jetzt ändern: Am Montag unterzeichneten Israel, die Palästinensische Autonomiebehörde und Jordanien bei der Weltbank in Washington eine Vereinbarung zur Wasserkooperation. Zukünftig soll eine 180 Kilometer lange Leitung Wasser aus dem Roten Meer nach Norden liefern. Das soll auch dem Toten Meer nützen.

Der israelische Energie- und Wasserminister Silvan Schalom setzte seine Unterschrift unter das Papier und erklärte freudestrahlend: »Dies ist ein Abkommen, das die Erwartungen vieler Jahre Wirklichkeit werden lässt.« Die Vereinbarung sei von höchster diplomatischer, wirtschaftlicher, strategischer Wichtigkeit und großer Bedeutung für die Umwelt. »Ich bin begeistert, dass das jahrelange Engagement Früchte trägt und Israel und der gesamten Region zugutekommt.« Für die Palästinenser unterschrieb Wasserminister Shaddad Attili, für Jordanien Amtskollege Hazem Al Nasser.

recycling Die geplante 180 Kilometer lange Pipeline wird sich auf einer Länge von 180 Kilometern durch jordanisches Territorium erstrecken. Auf diese Weise soll eventuellen Klagen von israelischen Umweltverbänden aus dem Weg gegangen werden, die das Vorhaben zunichtemachen könnten. Die massive Rohrleitung soll 100 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich in den Norden transportieren. Bei der Beförderung wird der Höhenunterschied (das Tote Meer liegt 427 Meter unter dem Meeresspiegel und ist der tiefste Punkt der Erde) zwischen den Gewässern ausgenutzt.

Insgesamt sollen durch den Deal etwa 200 Millionen Kubikmeter Wasser fließen. Mindestens 80 Millionen davon sollen aus einer Entsalzungsanlage stammen, die im jordanischen Akaba gebaut wird. Salzlake, ein Nebenprodukt bei der Herstellung von Süßwasser, soll anschließend ins Tote Meer geleitet werden. Israel erhält dank der regionalen Kooperation 30 bis 50 Millionen Kubikmeter Wasser für seine Arawa-Region und das Haschemitische Königreich 30 Millionen, um seinen Süden zu bewässern. Weitere 50 Millionen Kubikmeter recyceltes Wasser aus dem See Genezareth pro Jahr sollen an Amman verkauft werden.

Im Rahmen des Abkommens wollten die Palästinenser Zugang zum nördlichen Teil des Toten Meeres erhalten, was die israelische Seite ablehnte. Als Kompromiss erhält die Palästinensische Autonomiebehörde 30 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Kinneret zum Selbstkostenpreis.

Die geschätzten Baukosten belaufen sich auf 300 bis 400 Millionen US-Dollar. Geberländer und ein Darlehen der Weltbank sollen das Vorhaben finanzieren. Eine öffentliche Ausschreibung ist für das nächste Jahr geplant. Als Bauzeit wurden von den Parteien drei bis vier Jahre veranschlagt. Mit dem Projekt soll nach Angaben aus Jerusalem nicht nur das Tote Meer langfristig gerettet, sondern gleichzeitig Strom gewonnen und die touristische Infrastruktur in der Region ausgebaut werden.

kritik Während die israelische Regierung den Vertrag feiert, kritisieren Umweltorganisationen die Entscheidung und meinen, es handele sich bei der Vereinbarung nicht um den »Red-Dead-Canal«, wie Minister Schalom verkündet hatte, sondern lediglich um eine regionale Wasserkooperation. Der Leiter von Friends of the Earth Middle East (FOEME), Gideon Bromberg, erklärte: »Leider führt Herr Schalom die israelische Öffentlichkeit in die Irre, indem er den Baubeginn des ›Red-Dead-Canals‹ verkündet. Dabei geht es aber um eine ganz andere Sache.« Brombergs jordanischer Kollege Munqeth Meyhar fügte hinzu, dass es sich um ein »gewöhnliches Entsalzungsprojekt mit regionalem Aspekt« handele.

Das Megaprojekt, das bereits seit mehr als zehn Jahren diskutiert wird, war von der Weltbank ausführlich untersucht und als nicht machbar abgestempelt worden. Dabei hätten zwei Milliarden Kubikmeter Wasser aus dem Roten ins Tote Meer geleitet werden sollen. Im Hinblick auf Wirtschaft und Umwelt hatte die Weltbank deshalb Gelder verweigert. Es bestehe eine zu große Gefahr, dem Toten Meer langfristig großen Schaden zuzufügen, argumentierten die Experten seinerzeit.

»Wie das andere, so ist auch dieses Projekt nicht geschaffen, um das Tote Meer zu retten«, glaubt Gideon Bromberg. »Aus ein und demselben Grund. Dabei wurde das jetzige Projekt nicht einmal von der Weltbank überprüft.« FOEME fordert daher eine Umweltverträglichkeitsstudie. Die Einleitung von Salzlake ins Tote Meer könnte, statt zu helfen, irreversible Schäden verursachen. Zynisch findet Bromberg, dass der Minister den Deal als »Umwelt- und Friedensprojekt« tituliert, das allen Seiten zugutekomme. Seiner Meinung nach sei es weder wirtschaftlich noch ökologisch sicher und könnte sogar andere Projekte zur Rettung des Toten Meeres zu Fall bringen.

Die israelische Regierung sieht das völlig anders und bezeichnet die Bedeutung des neuen Abkommens als »historisch«.

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