Jerusalem

Umkämpftes Heiligtum

Demonstranten schwenken Hamas-Fahnen vor dem Felsendom. Foto: Flash90

Am Montagabend brennt es auf dem Jerusalemer Tempelberg. Die Rauchsäulen sind weithin sichtbar. Nach Angaben der Polizei sei das Feuer an einem hohen Baum auf dem Plateau offenbar durch Feuerwerkskörper palästinensischer Gewalttäter verursacht worden.

Es ist ein Bild, das um die Welt geht. Wie die Bilder der Auseinandersetzungen der vergangenen Stunden und Tage. Zehntausende Muslime hatten sich zum Ende des Fastenmonats Ramadan zum Gebet versammelt.

kotel Palästinenser bewarfen dabei israelische Sicherheitskräfte mit Steinen, Flaschen und Brandsätzen. Sogar auf jüdische Beter an der Kotel wurden Steine herabgeworfen. Vor der Al-Aksa-Moschee setzten Polizisten Blendgranaten, Tränengas und Gummigeschosse ein. Palästinensische Rettungskräfte sprachen von mehr als 300 Verletzten. Nach Polizei-Angaben wurden fast zwei Dutzend Beamte verletzt.

Wieder steht der Tempelberg im Mittelpunkt. Die Hamas spricht von »Verbrechen und Aggression gegen die Heilige Stadt«, fordert mehrfach, Israel müsse alle Polizisten und »Siedler« vom Tempelberg abziehen. Nach Ablauf des ersten Ultimatums schießt die palästinensische Terrororganisation am Montagabend Raketen auf Jerusalem.

Wieder einmal zeigt sich: Der Nahe Osten ist ein universales Pulverfass, wo sich religiöse, politische und sonstige irrationale Symbole in gefährlicher Weise vermischen.

Und wieder einmal zeigt sich: Der Nahe Osten ist ein universales Pulverfass, wo sich religiöse, politische und sonstige irrationale Symbole in gefährlicher Weise vermischen. Die zum Ausbruch kommenden Gefühle stecken so tief, dass ein einfacher Spruch wie »Al Aksa in Gefahr«, wie ihn dieser Tage die Hamas-Organisation wieder verbreitet, unvorstellbare Gewalt auslösen kann.

»Al Aksa« ist eigentlich ein Gebäude am Südende des Jerusalemer Tempelbergs. Seine Architektur und Geschichte sind bemerkenswert. Im Keller, der sogenannten Krypta, sind noch mächtige Säulen erhalten, die den riesigen Saal der heutigen Moschee darüber tragen. Das war einmal einer der Treppenaufgänge zum Tempel. Errichtet wurde das historische Gebäude vom biblischen König Herodes, mit dem sowohl Juden wie Christen viele Elemente ihrer religiösen Gefühle verbinden.

tempel Für Juden ist Herodes einer der größten Feldherren und Herrscher aller Zeiten gewesen. Er hatte den Tempel zu Jerusalem erweitert und in der römischen Zeit zu einem »Weltwunder« ausgebaut. Dieser Tempel wurde zum nationalen Symbol. Seine Zerstörung durch die Römer im Jahre 70 bedeutete das Ende des Judentums, wie es seit biblischer Zeit existiert hatte.

Die Tempelgeräte, wie der siebenarmige Leuchter, wurden von den Römern geraubt und sind auf dem Titusbogen in Rom abgebildet. 2000 Jahre später wurde genau dieser Leuchter aus dem »Allerheiligsten« des Tempels in Jerusalem zum Staatswappen des 1948 gegründeten Staates Israel. Die Zerstörung des Tempels symbolisiert das Ende der geografischen Bodenständigkeit des in alle Welt zerstreuten Volkes.

In dem Gebäude und an der südlichen Außenmauer sind noch viele andere Spuren aus der Zeit des Tempels zu sehen, darunter Reste alter Inschriften und Säulenkapitelle aus den verschiedenen historischen Perioden, aus der Epoche der muslimischen Eroberer und der Herrschaft der christlichen Kreuzfahrer.

felsendom »Al Aksa« bedeutet auf Arabisch »die Ferne« und steht für das »ferne Heiligtum«, von wo der Prophet Muhammad auf seinem Pferd Burak in den Himmel gefahren ist. Im heutigen Felsendom, dem architektonisch perfekten weiteren heiligen Gebäude auf dem ehemaligen Tempelberg, kann man noch jenes Loch berühren, worin der Huf steckte, angeblich entstanden in dem Augenblick, als sich das Pferd Burak für den Sprung in den Himmel abgestoßen hatte.

Aufgrund des uralten Argwohns gegenüber den geheimnisvollen Juden behauptet die Hamas im Gazastreifen nun, dass Juden die Absicht hätten, die Al-Aksa-Moschee zu zerstören. Als Beweis dafür wird die Brandstiftung ausgerechnet eines christlich-australischen Pilgers, Denis Michael Rohan, im August 1969 angeführt. Durch das von ihm gelegte Feuer verbrannte unter anderem die historische hölzerne Gebetskanzel in der Al-Aksa-Moschee.

Die Hamas behauptet, Juden hätten die Absicht, die Al-Aksa-Moschee zu zerstören.

Seitdem werden Muslime nicht müde, immer wieder neue Argumente zu finden, um die geplante Zerstörung der Moschee zu propagieren und zum Kriegsgrund zu erklären. Dazu gehören archäologische Ausgrabungen zu Füßen der Moschee und der Bau einer hölzernen Brücke über instabilen Schutthalden zwischen der heutigen Klagemauer und dem südlich gelegenen Archäologiepark. Den Israelis wird auch vorgeworfen, immer wieder durch Tunnels in die unterirdischen Zisternen auf dem Tempelberg einzudringen, um die Moscheen darüber zu sprengen.

geheimdienst Weil tatsächlich in den 80er-Jahren eine radikale jüdische Gruppierung versucht hatte, den Felsendom zu sprengen, um den alten jüdischen Tempel heute wieder neu zu errichten, gibt es eine spezielle Polizeieinheit, die darüber wacht, dass sich solche Vorhaben nicht wiederholen können. Es gibt wohl kaum ein zweites Gebiet im Nahen Osten, das so scharf von Polizei und Geheimdienst überwacht wird, um jegliche Zwischenfälle und Gewalttaten zu verhindern.

Nicht verhindert werden konnten die gewalttätigen Auseinandersetzungen, die jetzt zum Raketenbeschuss aus Gaza führten, sich im ganzen Land ausbreiten – und auch auf dem Jerusalemer Tempelberg anhalten.

Israel

Polizeiminister Ben-Gvir bei Autounfall verletzt 

 26.04.2024

Nahost

Neuer Geisel-Deal vor Operation in Rafah?

Noch immer sind mehr als 100 Geiseln in der Gewalt der Hamas

 26.04.2024

Geiseldeal

»Der Hamasnik sagte: Du kriegst meine Kinder«

Während eine Verhandlungsdelegation in Israel erwartet wird, berichtet eine junge freigelassene Geisel über ihr Martyrium

von Sabine Brandes  26.04.2024

Berlin/Gaza

Brief an Hersh Goldberg-Polin

Lieber Hersh, wir kennen uns nicht – und doch sind unsere Lebenswege verbunden ...

von Ruben Gerczikow  26.04.2024

Gaza

Neues Lebenszeichen von Hamas-Chef Al-Sinwar

Wo genau versteckt sich der palästinensische Terrorist?

 26.04.2024

Jerusalem/Berlin

Israel enttäuscht über Deutschlands Zusammenarbeit mit UNRWA

»Die Entscheidung, die Zusammenarbeit in Gaza zu erneuern, ist bedauerlich«

 25.04.2024

Israel

Offensive in Rafah: Zu Beginn mehrwöchige Evakuierung

Es handelt sich um die erste Phase des Bodeneinsatzes in der Stadt an der Grenze zu Ägypten

 25.04.2024

Pessach

Tausende beim Priestersegen an der Kotel

Die Kohanim beten für die Freilassung der Geiseln sowie das Wohlergehen der Soldaten und Sicherheitskräfte

von Sabine Brandes  25.04.2024

USA/Israel

Israel verurteilt Judenhass auf Campus-Demos

»Antisemitische Mobs haben führende Universitäten übernommen«, warnt Premier Netanjahu

 25.04.2024