Fast alle Besucher Israels wollen mindestens einmal auf dem Wasser schweben. Das Tote Meer ist eine der beliebtesten Attraktionen des Landes. Doch es steht nicht gut um den größten Salzsee der Welt. Rund 1,20 Meter pro Jahr geht die Oberfläche mittlerweile zurück, er trocknet immer weiter aus. Hilfsmaßnahmen werden seit Jahren diskutiert, tatsächlich umgesetzt wurde wenig. Die Lage zwischen Israel, den Palästinensischen Gebieten und Jordanien macht die Rettung des Gewässers zu einem Politikum.
Viele Strände, an denen sich noch vor wenigen Jahren Menschen aus der ganzen Welt tummelten und vor Überraschung jauchzten, wenn sie zum ersten Mal am eigenen Leib spürten, dass sie nicht untergehen, sind heute geschlossen. Warnschilder hängen an den verriegelten Eingängen: »Vorsicht, Senklöcher – Lebensgefahr!«. Eine massive Schädigung des einzigartigen Sees am tiefsten Punkt der Erde, 429 Meter unter dem Meeresspiegel, ist die Ursache.
Ein Gedi Bis auf Kalia sind mittlerweile alle Badeabschnitte am Nordbecken gesperrt, darunter die beliebtesten wie Mineral Beach und Ein Gedi. Lediglich die Strände am südlichen Teil sind noch zugänglich. Doch dieser Bereich ist nicht das eigentliche Tote Meer, vielmehr handelt es sich bei den separaten Becken um die Verdunstungspools der Mineralwerke, die hier Rohstoffe abbauen.
Die Senklöcher sind oft metergroße Krater, die sich urplötzlich auftun, bedingt durch Hohlräume, die aufgrund des Rückzuges des Wassers unterhalb der Erdoberfläche entstehen. Vor einer Weile wurden so Teile der Straße 90 verschluckt, die am Toten Meer entlangführt. »Die Löcher werden immer mehr, und man kann nichts dagegen tun«, weiß Mira Edelstein von EcoPeace Middle East zu berichten, einer israelischen Umweltorganisation, die sich die Rettung des Toten Meeres auf die Fahnen geschrieben hat und mit jordanischen sowie palästinensischen Behörden zusammenarbeitet. »Man kann sagen, das ist die Rache der Natur. Sie sind der eindeutige Beweis, dass hier etwas gänzlich falsch läuft.«
Der Wasserverlust habe zwei wesentliche Gründe und die gingen auf Eingriffe des Menschen in die Natur zurück, so Edelstein. Zum einen ist es der Rückgang des natürlichen Zuflusses aus dem Jordan, zum anderen das Abpumpen von Wasser durch die Mineralwerke am Toten Meer. Diese müssen für das kostbare Nass keinen einzigen Schekel bezahlen und hätten somit keinen Anreiz, weniger abzupumpen, erklärt sie. Außerdem würden sie mit völlig veralteter Technologie arbeiten, die ohnehin zu viel Wasser verbraucht. »Die Industrie argumentiert, dass sie lediglich zu neun Prozent am Wasserrückgang schuld ist. Wir wissen aber, dass es heute 49 Prozent sind. Und daher müssen die Werke zu einem Umdenken gezwungen werden, so unsere Forderung.«
Kanal Eine Studie, finanziert von der Weltbank, untersuchte vor einiger Zeit die Möglichkeit des Baus eines Kanals, der Wasser vom Roten ins Tote Meer bringt. Doch diese Variante erwies sich als unwirtschaftlich und ist mittlerweile wieder vom Tisch. Das sei auch besser so, zeigt sich EcoPeace überzeugt. Denn der als »Red-Dead« titulierte Plan zog in Betracht, zwei Milliarden Kubikmeter Wasser aus dem Golf von Akaba abzusaugen und mit einem riesigen Energieaufwand durch die Wüste zu pumpen. »Es ist klar, dass dies den Korallenriffen massiv geschadet hätte. Wir sind froh, dass es nicht passiert«, so Edelstein.
Die von den israelischen und jordanischen Regierungen angebotene Alternative indes scheint den Umweltschützern ebenso wenig hilfreich. Der sogenannte »Wassertausch«, der im Dezember 2013 mit einem gemeinsamen Memorandum abgesegnet wurde, sieht vor, dass eine Entsalzungsanlage im jordanischen Akaba 50 Millionen Kubikmeter Wasser in den Süden Israels liefert. Im Gegenzug würde man dieselbe Menge aus dem Kinneret im Norden an den östlichen Nachbarn schicken. Das Wasser würde also dorthin gelangen, wo es am dringendsten benötigt wird.
»Eine gute Idee«, ist die Aktivistin überzeugt. Der Haken an der Sache aber sei, dass die Lake aus der Entsalzungsanlage ins Tote Meer gepumpt werden soll. »Viele denken, das sei eine gute Sache, denn das Gewässer ist ja ohnehin sehr salzig. Doch so funktionieren Ökosysteme nun einmal nicht, man kann nicht einfach Meere mischen. Algen, Gips und andere Schäden entstehen dann. Der normale Zufluss ins Tote Meer besteht schließlich aus Süßwasser aus dem Jordan.«
Rehabilitation Doch genau der ist so gut wie versiegt. Statt eines rauschenden Flusses bleibt am Ende nur mehr ein trübes Rinnsal übrig, hauptsächlich, weil von Israelis, Palästinensern und Jordaniern zu viel Wasser für die Landwirtschaft abgezweigt wird. Doch nach Meinung von EcoPeace und anderen Umweltorganisationen liegt in der Rehabilitation des Jordantals der eigentliche Schlüssel zur Rettung des Toten Meeres.
Die Ideen dahinter beschreibt Edelstein als eine Art »Marshall-Plan«, wodurch die Wasserqualität des verschmutzten Jordan verbessert werden soll und die ohnehin strukturschwache Region wirtschaftlich endlich auf die Füße käme. Bis zum Jahr 2050 müssen dafür 4,58 Milliarden Dollar investiert werden. Ein wichtiger Bestandteil sei der umweltbewusste Tourismus.
Der Anfang ist gemacht. Bislang sind neun Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Kinneret in den Jordan gepumpt worden, bis Ende übernächsten Jahres sollen es rund 30 Millionen sein. »Der Pegel des Toten Meeres wird sich dadurch zwar kaum ändern«, gibt Edelstein, die den Plan koordiniert, zu bedenken. »Doch das Entscheidende ist, dass ein Umdenken vorhanden ist, dass Politik und Behörden endlich verstehen, was geschieht. Wir müssen das Tote Meer stabilisieren. Dafür ist es nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber es ist von großer Symbolkraft für den Wandel.«