Die Zahlen der mit dem Coronavirus Infizierten in Israel ist wahrscheinlich mindestens zehnmal höher als angenommen. Eine Studie der Tel Aviv Universität zeigt, dass zwischen zwei und drei Prozent der israelischen Bevölkerung das Virus haben könnte. Die Untersuchung basiert auf einem repräsentativen Muster von Antikörper-Bluttests.
ANTIKÖRPER Die Forscher unter der Leitung von Professor Daniel Cohen in Zusammenarbeit mit dem nationalen Centre for Disease Control und Magen David Adom geben an, dass bis zu 270.000 Israelis mit dem Coronavirus infiziert sein könnten.
Bei der Untersuchung für die Studie zeigen die meisten Probanden keinerlei Symptome, doch die Antikörper in ihrem Blut beweisen demzufolge, dass sich die Betroffenen infiziert haben. Laut Gesundheitsministerium gibt es derzeit etwas mehr als 17.000 bestätigte Fälle.
Unterdessen muss Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud) bereits zum dritten Mal während der Coronakrise in Quarantäne. Am Samstagabend hielt er sich in der Nähe eines Arbeiters in seiner Residenz auf, der mittlerweile positiv auf das Coronavirus getestet wurde.
AUSBRUCH Nachdem bestätigt wurde, dass der Arbeiter tatsächlich in der engen Umgebung des Premierministers war, musste sich Netanjahu in Isolierung begeben. Über einen Coronatest ist bislang noch nichts bekannt.
Quellen im Büro des Ministerpräsidenten sprechen davon, dass sich der Arbeiter bei einem Familienmitglied angesteckt haben soll. Dieser wiederum habe ein Kind, das das Gymnasium Rehavia in Jerusalem besucht, wo in der vergangenen Woche ein massiver Ausbruch des Coronavirus festgestellt worden war. Mehr als 130 Menschen, Schüler und Lehrer, hatten sich angesteckt.
Es war nicht die einzige Schule, an der Coronafälle auftraten. Mehrere Schulen in Jerusalem und Hadera, Aschdod sowie Beer Schewa wurden daraufhin am Montag geschlossen. Mehr als 4.500 Schüler und 734 Lehrer mussten sich nach Angabe des Bildungsministeriums in Quarantäne begeben. Derzeit wird darüber beraten, ob die Oberschulen im ganzen Land wegen des Anstiegs an Infektionen wieder zumachen müssen.
Der neue Gesundheitsminister Yuli Edelstein erklärte, dass jetzt auch Menschen ohne Symptome, die sich aber in unmittelbarer Umgebung von Erkrankten aufhalten, auf das Virus getestet werden. Das war zuvor nicht geschehen.
Derweil ist um die geplante Gesetzgebung zur Corona-Krise eine Debatte ausgebrochen.
In den vergangenen 24 Stunden hatten sich in Israel 98 Menschen mit Covid-19 angesteckt. Die Zahl der Tests am Montag lag bei rund 5.600. Derzeit gibt es noch 2.006 aktive Fälle, 29 Patienten werden künstlich beatmet. Insgesamt sind 285 Menschen an den Folgen der Atemwegserkrankung gestorben.
BEWEGUNGSFREIHEIT Derweil ist um die geplante Gesetzgebung zur Corona-Krise eine Debatte ausgebrochen. Die Regierung will, dass sie für zehn weitere Monate die Möglichkeit hat, jederzeit Regulationen zu erlassen, die die Bewegungsfreiheit der Bürger stark einschränkt. Zu den Vorschlägen gehört, dass Sicherheitsbehörden ohne einen Gerichtsbeschluss in Häuser eindringen dürften, um eine Quarantäne durchzusetzen. Bürgerrechtsorganisationen kritisieren das scharf.
In einer öffentlichen Ansprache betonte der Premierminister am Montag aber, dass dies nicht geschehen soll. Das hätten er und der Sicherheitsminister gemeinsam beschlossen. Netanjahu sagte, er verstehe das Anliegen der Bevölkerung, dass die Balance zwischen einer Durchsetzung der Quarantäne und der Beibehaltung der Rechte ausgewogen sein müsse. Er versprach, dies einzuhalten.
INSTITUTIONEN Auch habe er nicht vor, staatliche Institutionen im Notfall lahmzulegen. »Wir haben es während des Höhepunktes der Coronakrise nicht getan, und tun es jetzt auch nicht«, unterstrich er. Dabei ließ Netanjahu allerdings aus, dass sein damaliger Justizminister Amir Ohana im März die Arbeit der Gerichte mit Ausnahme des Obersten Gerichtshofes wochenlang eingefroren hatte.
Verteidigungsminister Benny Gantz (Blau-Weiß) erklärte, dass der kontroverse Gesetzesvorschlag entweder umgearbeitet oder nicht weiter vorangebracht werde. »Beamte werden nicht in Häuser einbrechen können, wenn sie das wollen. Diese Angelegenheit muss überarbeitet werden.«
Sein Parteikollege, Justizminister Avi Nissenkorn, wies derweil sein Ministerium an, Wege zu suchen, um die parlamentarische Überwachung der Regierung im Falle der Ausrufung des Notstands zu stärken.