Es ist kein Purimkostüm. Es ist ihr Brautkleid. Statt weiß ist es gelb gefärbt, der Farbe, die symbolisch für die Geisel-Befreiung ist. Ziv Abud trägt das Kleid als Verlobte von Eliya Cohen. Die junge Frau überlebte das Hamas-Massaker auf dem Nova-Musikfestival, ihr Liebster wurde von Terroristen nach Gaza verschleppt. Seit 169 Tagen hofft sie jeden Tag inständig, dass er zu ihr zurückkehrt – und die beiden Hochzeit feiern können.
»169 Tage sind vergangen, in denen die Geiseln von der Hamas gefangen gehalten werden. 169 Tage, in denen sie nicht das Licht der Welt erblickt haben und unter Hunger und unerbittlicher Misshandlung leiden«, sagte sie am Samstag auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv. »Anstatt in einem weißen Kleid mit Eliya unter der Chuppa zu stehen, trage ich ein gelbes Kleid und bin hier mit einem Schild, dass mein Verlobter Geisel in Gaza ist«, sagte Abud. An ihr Kleid hatte sie Eisenketten und Bilder von Geiseln geheftet. In einem blutenden Herz in der Mitte ihrer Brust prangte das Bild ihres Verlobten Eliya.
Tausende kamen Samstagabend zur Kundgebung
Immer verzweifelter rufen die Angehörigen nach der Freilassung ihrer Familienmitglieder. Zu Purim, das dieser Tage in Israel gefeiert wird, riefen sie alle Israelis auf, Solidarität zu zeigen und mit ihnen zu demonstrieren. Am Samstagabend folgten Tausende ihrem Ruf und kamen zu der Kundgebung.
Rabbi David Stav, Vorsitzender der Rabbinerorganisation Tzohar, leitete eine Lesung der Megilla, die traditionell zu Purim gelesen wird. »Heute Abend erinnern wir uns an Esthers Bitte: ›Schnell auch für mich, vergiss mich nicht, auch ich bin gefangen‹.«
Tamar Tzohar, Großmutter von Omer Neutra (22), auch er wird von der Hamas gefangengehalten, erinnerte ebenfalls an die Purimgeschichte: »Haman will das jüdische Volk vernichten. Mordechai legt einen Plan für Esther vor und sagt ihr, dass ›nur du helfen kannst‹. Esther entgegnet, dass sich die Juden versammeln sollen, um mit ihr zu fasten.«
»Wir alle brauchen einen Deal, damit wir heilen können.«
Nadav rudaeff
Tzohar merkte an, das Wunder von Purim habe darin bestand, dass das Schicksal der Juden umgekehrt wurde. »Wenn wir uns vereinen, wenn wir zusammenkommen, um etwas zu tun, können wir Erfolg haben. Wir beten, dass Purim uns die Wende bringen wird, die wir so dringend brauchen.«
Mehrere Demonstrationen forderten Neuwahlen
Der Sohn der Geisel Lior Rudaeff (61), Nadav Rudaeff, fragte sich, wie er an Purim Freude empfinden könne. »Für sie läuft die Zeit ab, für viele ist sie schon abgelaufen. Wie kann ich lächeln, wenn sie nicht hier sind?« Seit dem 7. Oktober habe die Familie nichts von ihrem »Aba« gehört. Alle Angehörigen würden angestrengt auf die Verhandlungen schauen. »Bringen Sie sie zurück«, forderte Rudaeff das Kriegskabinett in Jerusalem auf. Es gebe keinen Sieg ohne die Rückkehr der Geiseln. »Wir brauchen einen Deal!«, rief er. »Wir alle brauchen einen Deal, damit wir heilen können.«
Auch Adina Moshe ist mit ihrer Geduld am Ende. Die 72-Jährige war selbst Geisel in Gaza und kam durch einen Deal Ende November frei. »Meine Freunde sind immer noch da, sie sind alt, sehr krank und haben keine Medikamente«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. Ich war dort, und es ist schrecklich. »Diese Gleichgültigkeit muss ein Ende haben! Es ist mir egal, wer an der Macht ist«, rief sie. »Was ist mit der Ermordung meines lieben Mannes? Nichts. Gleichgültigkeit! Wie kann das sein? Im heiligen Staat Israel? Gott bewahre es!«
Proteste: Ben Gvir und Smotrich nicht ins Kriegskabinett
Samstagabend gab es auch mehrere Demonstrationen, die Neuwahlen forderten. Eine kleine Gruppe versuchte, die Tel Aviver Stadtautobahn Ayalon zu blockieren. Sie wurde von berittenen Polizisten vertrieben. Nachdem sich die Hauptproteste aufgelöst hatten, machte sich eine Gruppe von Demonstranten auf den Weg zum Wohnhaus des Abgeordneten Gideon Sa’ar (Neue Hoffnung) und skandierten, »Nein zu Smotrich und Ben Gvir«. Sie forderten, dass Sa’ar, der auch Mitglied im Kriegskabinett ist, dafür Sorge tragen soll, dass die rechtsextremen Minister Itamar Ben Gvir und Bezalel Smotrich keinen Zutritt zum Kriegskabinett erhalten.
Einige hundert Demonstranten versammelten sich vor der Residenz von Premierminister Benjamin Netanjahu in Jerusalem und forderten lautstark einen Geiseldeal. »Wir befinden uns in den kritischen Tagen der Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas. Wir dürfen es der israelischen Regierung nicht erlauben, diese Gelegenheit zu verpassen«, rief Elad Or, der Bruder von Dror Or, der am 7. Oktober aus dem Kibbuz Be’eri entführt wurde »Wir alle brauchen diesen Deal!«