Mobilität

Schlaue Köpfe

Gekommen, um zu bleiben: Daimler-Entwicklungschef Ola Källenius (l.) und der Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche Foto: Sabine Brandes

Obwohl er erst wenige Stunden zuvor in Tel Aviv angekommen war, ist der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG, Dieter Zetsche, überzeugt: »Das war eine großartige Entscheidung«. Er sei zutiefst beeindruckt von der offenen, optimistischen und multikulturellen Atmosphäre. »Tel Aviv ist eine fantastische Stadt.«

Gemeinsam mit dem Entwicklungschef des Unternehmens, Ola Källenius, eröffnete er in der vergangenen Woche das neue Forschungs- und Entwicklungszentrum des Automobilherstellers. Zetsche betonte das historische Wachstum seines Unternehmens und den bedeutenden Vorsprung vor anderen Herstellern in den vergangenen Monaten. Diese Stärke werde man definitiv ausnutzen, um zu investieren. »Wir haben eine großartige Zukunft vor uns.«

Netzwerk
Mercedes-Benz unterhält ein Netzwerk von 24 Forschungszentren in elf Ländern mit rund 16.000 Angestellten. »Und jedes Einzelne ist für einen anderen Bereich zuständig«, sagte Källenius. »In Indien beispielsweise arbeitet man hauptsächlich an der digitalen Technologie, während man in Großbritannien dafür sorgt, dass unsere Formel-Eins-Wagen schneller fahren.« Er habe keinen Zweifel daran, dass auch das Team in Tel Aviv die Forschung und Entwicklung für Mercedes stärken und das Produkt besser machen wird.

»Wir haben Forschungszentren in jeder Zeitzone und können damit sicherstellen, dass wir praktisch niemals schlafen. Auf diese Weise erkennen wir alle Trends rechtzeitig.« So soll es auch in Tel Aviv sein, der Stadt, die niemals schläft. Das hiesige Zentrum wird vor allem mit CASE und Technologien für zukünftige Generationen von Autos beschäftigt sein.

Die Abkürzung CASE bedeutet Connected, Autonomous, Shared & Service und Electric – die Schlagworte also, die für die Strategie des neuen Konzept-Autos von Mercedes stehen »Es gibt 6000 Start-ups hier. Natürlich ist eine der Hauptaufgaben, zu verfolgen, was bei denen passiert«, so Zetsche. Für die Kollaboration mit Israelis gäbe es viele verschiedene Möglichkeiten, vom Austausch über die langfristige Zusammenarbeit bis hin zur potenziellen Akquise. Das gelte übrigens nicht nur für Tel Aviv, sondern für alle Hot Spots gleichermaßen. Die Marke und das Unternehmen hätten damit positive Erfahrungen gemacht.

Erst im September investierte Daimler bereits mehrfach in israelische Firmen: 50 Millionen Dollar über die Lkw-Sparte in Via, eine Firma für »Smart Transportation und Ride Sharing«, und 60 Millionen Dollar in die Start-ups StoreDot, und Gauzy. Bei StoreDot stehen schnell zu ladende Auto-Akkus im Mittelpunkt. Gauzy entwickelt sogenanntes intelligentes Glas. Die Entscheidung, nach Tel Aviv zu gehen, sei bei Daimler recht schnell gefallen. In den vergangenen 18 Monaten hätte das Unternehmen gemerkt, »wir müssen vor Ort sein, um näher am Talent und an den Firmen zu sein, mit denen wir zusammenarbeiten«, beschrieb Källenius.

Ziel ist es, ein Netzwerk mit lokalen Partnern, Universitäten und Hightech-Unternehmen aufzubauen, um in Zusammenarbeit mit der Start-up-Community verschiedene Technologien zu entwickeln. Warum man nicht in das erfolgreiche Start-up Mobileye investiert habe, begründete Zetsche so: »Wenn der Zug abgefahren ist, kommt ja ein nächster.« Außerdem sei das Unternehmen nicht an einem Chip interessiert, der das Autofahren auf einmal autonom macht. »Stattdessen wollen wir dies gemeinsam mit Partnern entwickeln.«

Cloud Im März dieses Jahres hatte der globale Chiphersteller Intel verkündet, dass er die israelische Firma Mobileye aufkauft. Für 15,3 Milliarden Dollar ging die Innovationstechnologie des fahrerlosen Autos über den Ladentisch. Eine derartige Summe für einen Hightech-Verkauf ist bis heute einmalig in der Geschichte Israels.

Mercedes folgt mit seiner Anwesenheit in der Start-up-Nation auch Amazon, das sich vor rund einem Jahr mit dem ersten Zentrum für Forschung und Entwicklung in Israel niedergelassen hat. Innerhalb von zwei Jahren schon sollen im MATAM-Technologiepark in Haifa rund 600 Leute für den Internetriesen arbeiten.

Dazu kommen weitere 200 Angestellte bei Annapurna Labs im nordisraelischen Jokneam. Vor zwei Jahren hatte Amazon das israelische Start-up für 360 Millionen Dollar aufgekauft. In Israel will sich der Online-Händler vor allem auf die Cloud-Technologie konzentrieren. Denn das Unternehmen ist nicht nur Einzelhändler, sondern zudem der weltweit größte Anbieter von »Cloud-Computing«. Gründer Jeff Bezos kam höchstpersönlich nach Israel, um seiner Firma den Weg zu ebnen.

gehalt Andere Giganten, wie Google oder Microsoft, haben das Potenzial der Start-up-Nation schon vor Langem erkannt. Doch die Ansiedlung der Mega-Unternehmen birgt vor allem für die israelischen Firmen nicht nur die Verheißung auf einen Deal oder den »Exit«, also den Aufkauf durch einen der Marktriesen für Millionen oder gar Milliarden.

Bei vielen Start-ups geht mittlerweile die Sorge um, die besten Hightech-Fachkräfte könnten abgeworben werden. Zu Preisen, mit denen die kleineren Einheimischen partout nicht mithalten können, wie Insider der Szene warnen. Amazon beispielsweise bietet Programmierern derzeit Gehälter, die bis zu 50 Prozent über den bislang üblichen liegen.

Bei Mercedes sollen im kommenden Jahr zunächst 25 Angestellte unter der Leitung der israelischen Managerin Adi Ofek arbeiten. Doch schon bald könnten es mehr werden. Denn die Deutschen haben es darauf abgesehen, das Potenzial des Landes zu nutzen: »Hier in Tel Aviv haben wir das Gefühl, dass wir das Beste bekommen«, ließ Zetsche bei der Eröffnung im 23. Stockwerk des neuen Wolkenkratzers im Herzen der Metropole am Mittelmeer wissen. Sein Kollege Källenius fügte hinzu: »Hier gibt es die schlauesten Köpfe. Und wir wollen, dass die ein Teil unserer Unternehmensgeschichte werden.«

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