Covid

Rote Liste, grünes Licht

Marktbesuch mit Maske: Besucher des Shuk HaCarmel in Tel Aviv Ende Juli Foto: Flash 90

Es hätte alles so schön sein können: rund 60 Prozent der Bevölkerung mit doppeltem Corona-Impfschutz versorgt, Maskenpflicht und Abstandsregeln passé und endlich wieder Urlauber, die sich am Strand von Tel Aviv sonnen. Doch alles kam anders. Der Traum vom coronafreien Leben scheint schon binnen weniger Monate ausgeträumt.

An sechs Tagen in Folge gab es mehr als 2000 Covid-Infizierte pro Tag, wie die israelische Gesundheitsbehörde vermeldete. Am Montag stieg die Zahl auf rund 3800 Fälle an, so viele Neuinfizierte wurden seit März nicht mehr registriert. Davon seien 217 schwere Fälle, von denen sich 48 Personen in einem kritischen Zustand und 47 an Beatmungsgeräten befinden würden. Die Zahl der Todesopfer stieg auf 6495 – neun Todesopfer innerhalb von 24 Stunden. Eine traurige und besorgniserregende Bilanz.

Laut israelischen Studien sinke der Impfschutz nach einem halben Jahr deutlich. Aus diesem Grund hat Israel als erstes Land weltweit am Sonntag damit begonnen, die Bevölkerung über 60 Jahren mit einer dritten Impfung gegen die sich rasant verbreitende und hoch ansteckende Delta-Variante zu schützen, sofern ihr zweiter Impftermin fünf Monate zurückliegt. Ziel sei laut Premierminister Naftali Bennett, dass rund 1,5 Millionen Menschen innerhalb einer Woche ihren Impfschutz aufgefrischt bekommen.

LOCKDOWN Gesundheitsminister Nitzan Horowitz verteidigte diesen umstrittenen Schritt, nicht auf grünes Licht der US-Regulierungsbehörden zu warten, wie es bisher vor dem Einsatz von Coronavirus-Impfstoffen der Fall war. Sein Ziel sei es, dass man weiterhin zur Arbeit und zur Schule gehen könne. »Ich will keinen Lockdown und werde um jeden Preis auf einen Lockdown verzichten. Die Folgen waren schwerwiegend.«

Der geplante Schulstart am 1. September steht auf der Kippe.

Das allein wird nicht helfen, die neu entflammte Pandemie zu stoppen. Der Schutz der Alten sei das eine, die Impfung der Kinder das andere. Vor wenigen Wochen bat Premier Bennett darum, dass man Kinder ab zwölf Jahren zur Impfung bringen solle. Umstritten bleibt, dass, obwohl es noch keine offizielle Freigabe gibt, Kinder ab fünf Jahren in schwerwiegenden Fällen – wenn sie an Krankheiten leiden, die durch eine Corona-Infektion zum Tod führen könnten – eine kleinere Impfdosis erhalten können.

Laut Medienberichten ziehe das Corona-Kabinett die Verschiebung des Schulstarts am 1. September in Betracht, um eine rasante Ausbreitung zu stoppen. Aufgrund der Hohen Feiertage komme es ohnehin zu eingeschränktem Unterricht.

reisen Ein anderes Problem sei das Reisen, von dem Experten und Regierungsvertreter immer wieder abrieten, von überfüllten Gates am Flughafen aber nichts hören wollten. Bei der Einreisekontrolle kam es vermehrt zu Test-Versäumnissen, die infizierte Israelis unbehelligt ins Land und der Delta-Variante freien Lauf ließen.

Aus diesem Grund beschränkte das Corona-Kabinett am Dienstagabend die Einreise in und aus weiteren Ländern. Wer zum Beispiel nach Großbritannien, Spanien oder Mexiko fliegt, muss mit Geldstrafen bis zu 1250 Euro rechnen. Auch Deutschland, die USA und Frankreich stehen ab Sonntag wieder auf der Roten Liste. Israelis, ob geimpft oder ungeimpft, müssen demnach eine beziehungsweise zwei Wochen in Quarantäne, wenn sie aus diesen Ländern einreisen.

Einreisende Israelis, auch geimpfte, müssen wieder in Quarantäne.

Nachdem die Einreise für Touristen weiterhin verboten ist, worunter das sonst so tourismusstarke Land deutlich leidet, sollen laut israelischen Medienberichten die Verantwortlichen die Schließung des Flughafens in Betracht ziehen, um die Infektionszahlen auszubremsen und einen Schnelltestapparat am Ben-Gurion-Flughafen zu installieren.

MASKENPFLICHT Also alles wieder auf Anfang? Die neue Regierung um Premierminister Naftali Bennett behandelt die Causa Corona anders als Vorgänger Benjamin Netanjahu. Während dieser schnell zu strikten Maßnahmen griff, versuchte man bisher, auf größere Einschränkungen zu verzichten, einzig die Maskenpflicht in Innenräumen wurde bereits vor Wochen wiedereingeführt. Nachdem die Zahl der Infizierten und schwer Erkrankten mittlerweile rapide steigt, kommt man jetzt nicht mehr um strengere Maßnahmen herum.

Am Dienstagabend wurde unter anderem beschlossen, dass der Grüne Pass vollständig reaktiviert wird, Maskenpflicht im Freien bei größeren Versammlungen Pflicht ist und die Büroarbeit für Beamte um 50 Prozent verringert wird. In einer Regierungserklärung ermutigt man die Bevölkerung, »Händeschütteln, Umarmen, Küssen und jegliche Versammlungen in Innenräumen zu vermeiden, die nicht unbedingt erforderlich sind, und Menschen, sofern möglich, von zu Hause arbeiten zu lassen«.

Der jüdische Staat, der sich so tapfer durch diese Krise gekämpft hat, leidet immer noch unter den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Die Arbeitslosenquote lag Anfang 2020 bei 3,5 Prozent, und obwohl vor wenigen Wochen die coronabedingten Sozialzahlungen eingestellt wurden, sind knapp zehn Prozent der israelischen Bevölkerung weiterhin ohne Job, weshalb die israelische Regierung mit allen Mitteln versucht, einen vierten landesweiten Lockdown zu verhindern.

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