Die Samthandschuhe sind ausgezogen, die politische Korrektheit ist ad acta gelegt. Rund zwei Wochen vor den Parlamentswahlen am 9. April bestimmen mehrere Skandale die Schlagzeilen. Die Kandidaten beschuldigen sich gegenseitig: der Korruption, der Schwäche, des Extremismus und anderer Unzulänglichkeiten. Die Parteien geben sich zusehends kämpferisch. Wahlkampf in Israel ist nichts für schwache Nerven.
Der jüngste Skandal ließ so manchen die Stirn runzeln: »Der Iran hackt das Mobiltelefon von Benny Gantz.« Angeblich soll »kompromittierendes Material inklusive Sex-Video« gefunden worden sein. Das berichtete Fernsehkanal zwölf vor wenigen Tagen. Gantz jedoch wusste davon bereits seit fünf Wochen, als ihm der Inlandsgeheimdienst Schin Bet die Botschaft überbrachte und warnte, dass Teheran die Informationen vor oder nach den Wahlen nutzen könnte. Trotzdem ging er ins Rennen um das höchste Amt im Land und bestreitet, dass es Filme oder Ähnliches gibt. Auch sei kein geheimes Material auf seinem Telefon gewesen. »Vielleicht hat er einfach gar nichts zu befürchten«, mutmaßt die Tageszeitung »Haaretz«.
Iran Andere diskutieren in den sozialen Netzwerken, ob es tatsächlich der Iran war, der das Telefon knackte. »Ist doch merkwürdig, dass drei Wochen vor dem D-Day plötzlich Netanjahus Hauptrivale bloßgestellt werden soll«, munkelt einer. Viele fragen sich, warum ein General, der die Armee vor vier Jahren verließ, auf der Liste des Iran ganz oben stehen soll. Wieder andere drücken noch deutlicher die Meinung aus, dass die regierende Partei Likud bei dem »Hack« ihre Finger im Spiel hatte. Tatsache jedoch ist, dass bislang nichts vom Inhalt des Telefons veröffentlicht wurde. Weder vom Iran noch von sonst jemandem.
Ein rechter Kandidat wurde vom Obersten Gericht ausgeschlossen.
Andere, darunter der einstige Chef des Schin Bet, Tamir Pardo, kritisieren, dass die Information überhaupt an die Öffentlichkeit durchsickerte. »Das Benutzen von geheimen Informationen für politische Zwecke ist eine sehr ernste Angelegenheit. Einen Zwischenfall wie diesen während der Wahlkampagne zu veröffentlichen, bricht alle demokratischen Spielregeln. Meiner Meinung nach ist es ein Terroranschlag auf die Demokratie.«
Den amtierenden Regierungschef Benjamin Netanjahu scheint das allerdings weniger zu stören. Er unterstrich stattdessen erneut, dass er Ex-Stabschef Gantz für gänzlich unfähig hält. »Wenn er nicht einmal sein Telefon schützen kann, wie will er dann das Land schützen?«, fragte er bissig. Während Gantz bislang zu Netanjahus Angriffen geschwiegen hatte, ist nun offensichtlich Schluss mit der Zurückhaltung.
Ausschluss Die Zentrumsunion Blau-Weiß von Gantz und Yair Lapid holte am Wochenanfang zum Gegenschlag aus. Und zwar gewaltig. Doch zuvor veröffentlichte sie ein Wahlplakat. Es ist zweigeteilt. Oben sind auf gelb-schwarzem Untergrund neben Netanjahu drei Vertreter der extremen Rechten zu sehen: Michael Ben Ari, Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir, Anhänger der Rechtsaußen-Siedlerbewegung. »Kahane lebt«, steht darunter. Auf der unteren Hälfte des Plakats sind die Gesichter der Top-Kandidaten der Union zu sehen: Gaby Aschkenazi, Lapid, Gantz und Mosche Yaalon. »Das Volk Israel lebt – mit Blau-Weiß.«
Einer der rechtsextremen Politiker allerdings wird bei den Wahlen nicht dabei sein: Ben Ari von Otzmah Jehudit wurde vom Obersten Gerichtshof wegen seiner rassistischen Äußerungen und Kommentare disqualifiziert. Ironischerweise mithilfe eines Gesetzes, das die Rechtskoalition einst initiiert hatte.
Zuvor hatte das zentrale Wahlkomitee Ben Ari entgegen dem Vorschlag von Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit zugelassen und gleichzeitig verboten, dass sich die arabischen Parteien Balad und Vereinte Arabische Liste zusammentun. Auch wurde der Linksextreme Ofer Cassif ausgeschlossen. Der Oberste Gerichtshof wandelte alle Entscheide ins Gegenteil um.
blau-weiss In der extra einberufenen Pressekonferenz von Blau-Weiß ging es aber nicht um Netanjahus Ankündigung, mit den Rechtsextremen koalieren zu wollen. Gantz, Lapid sowie der einstige Armeechef Aschkenazi und Ex-Verteidigungsminister Mosche Yaalon ließen sich einer nach dem anderen über ihren ehemaligen Vorgesetzten Netanjahu aus. Und zwar in Sachen U-Boot-Affäre. Die Vorwürfe wiegen schwer. Allesamt beschuldigten sie den Premier, aus reinem Eigennutz U-Boote aus Deutschland gegen das Anraten der Armee bestellt zu haben.
In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass Netanjahu Aktien einer Firma verkauft und dafür 16 Millionen Schekel erhalten hatte.
In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass Netanjahu Aktien einer Firma verkauft und dafür 16 Millionen Schekel erhalten hatte. Das Unternehmen und der U-Boot-Kauf stehen in Verbindung. Der Premier beteuert, »keinen Schekel daran verdient zu haben«.
Seine Gegner allerdings erklärten, er habe außerdem den Verkauf von U-Booten an Ägypten genehmigt, ohne dies mit dem Sicherheitsestablishment abgesprochen zu haben. »Es handelt sich hier um den ernsthaftesten Korruptionsskandal in der Geschichte des Landes«, so Gantz. »Diese Vertrauenskrise kann nicht repariert werden.« Die Ermittlungsbehörden hatten die »Akte 3000« seinerzeit geschlossen. Jetzt fordert Blau-Weiß, dass die Ermittlungen wiederaufgenommen werden.
Parfum Lange sei Blau-Weiß zu nett gewesen, meint der Kolumnist Chemi Shalev. »Die Aura der vier wütenden Männer steht ihnen gut.« Mit einem ganz anderen Flair umgibt sich derweil Justizministerin Ayelet Shaked, die kürzlich gemeinsam mit ihrem Kollegen im Bildungsministerium, Naftali Bennett, aus dem Jüdischen Haus ausgestiegen war. Ihre neue Partei Hajemin Hachadasch (Die neue Rechte) macht sich in den Prognosen allerdings nicht sonderlich gut. Offenbar Zeit für eine Kursänderung.
Kritiker werfen Ayelet Shaked vor, die Macht der Justiz einzuschränken und damit die Demokratie zu untergraben.
Wo genau die hinführen soll, ist vielen indes nicht klar. In einem provokativen Video zeigt Shaked das, wofür sie berühmt ist: ihr attraktives Äußeres. Und noch etwas dazu: ihren seltsamen Humor. Im Film, ganz in Schwarz-Weiß gehalten, legt die Politikerin Schmuck an, streicht durch ihr Haar und schaut lasziv in die Kamera. Dann besprüht sie sich mit einem Parfum. Dessen Name: »Faschismus«. Kritiker werfen der Ministerin vor, die Macht der Justiz einzuschränken und damit die Demokratie zu untergraben. Doch der Clip ist keine Satire einer Comedy-Sendung, sondern eine »humorvolle« Botschaft der Partei selbst.
Im Hintergrund listet der Film die politischen »Errungenschaften« der Ministerin auf. Zu dem Duft aus dem Flakon sagt sie: »Für mich riecht es nach Demokratie.« Doch alles, was man auf dem Bildschirm zu Beginn des Videos sieht, ist ihr Gesicht mit dem Slogan »Fascism by Ayelet Shaked«. Schwer zu glauben, dass die Ironie verstanden wird, schreibt ein Kommentator im Internet dazu.