Meinung

Nichts als Wut

Richard C. Schneider Foto: dpa

Es gab in Israel den einen oder anderen Kommentator, der durchaus hämisch über die palästinensische Reaktion auf das geplante Normalisierungsabkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) herzog.

Was aus Ramallah kam, war in der Tat hilflos. Die Absage der Teilnahme an der Dubai Expo, der Abzug des palästinensischen Botschafters aus den VAE: Es sind nichts als verzweifelte Versuche, die eigene Wut über den Verrat eines arabischen Bruderstaats an der palästinensischen Sache in politische Aktion umzusetzen.

Doch welche Möglichkeiten, welche Machtmittel haben die Palästinenser in diesen Tagen? Sie sind inzwischen Gefangene ihrer eigenen Verweigerungshaltung, mit Israel, mit den USA ins Gespräch zu kommen, im Gespräch zu bleiben, zu verhandeln. So scheint es.

gezeitenwechsel Ja, das Abkommen zwischen den VAE und Israel stellt einen Gezeitenwechsel dar. Bislang war klar, dass es Frieden mit den arabischen Staaten nur geben kann, wenn Israel mit den Palästinensern Frieden geschlossen hat. Und das heißt: wenn die Palästinenser einen eigenen Staat erhalten haben. Diese Art von Junktim gilt nun nicht mehr. Und die Palästinenser fühlen sich zu Recht hintergangen.

Die Unterstützung der arabischen Staaten für die »palästinensische Sache« ist seit vielen Jahren nur ein Lippenbekenntnis.

Doch so wirklich überraschen dürfte sie das im Grunde nicht. Die Unterstützung der arabischen Staaten für die »palästinensische Sache« ist seit vielen Jahren nur ein Lippenbekenntnis. So richtig konnten sich die Palästinenser noch nie auf die Arabische Liga verlassen.

Spätestens seit die arabischen Herrscher durch die Annäherungspolitik von US-Präsident Barack Obama an den Iran erkannt haben, dass »der Feind ihres Feindes ihr Freund« ist, dass also Israel im Kampf gegen den aufstrebenden schiitischen Erzfeind Iran ein idealer Verbündeter ist, spätestens da hätte die Palästinensische Autonomiebehörde begreifen müssen, dass sie sich auf das Wort arabischer Machthaber nicht mehr verlassen kann.

frieden War es nicht der mächtige neue Mann in Saudi-Arabien, Mohammed bin Salman, der die militärisch-strategische Nähe zu Israel suchte und deswegen Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte antanzen lassen, um ihm zu erklären, er solle auf Jerusalem verzichten, sich mit dem Vorort Abu Dis als Hauptstadt zufriedengeben und Frieden schließen, damit endlich Ruhe sei?

Aber was hätte Abbas anderes tun können, als wütend und ablehnend aus Riad abzureisen? Was hätte Abbas anderes tun können, als wütend auf die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu reagieren? Ob es jedoch geschickt war, den Kontakt mit den USA abzubrechen? Sicher nicht. Und dass er anschließend eine antisemitische Hasstirade auf die Juden abließ, war gewiss auch nicht hilfreich, um die Hardliner in Jerusalem davon zu überzeugen, dass er doch eigentlich ein moderater Mann sei.

Ob es geschickt war, den Kontakt mit den USA abzubrechen? Sicher nicht.

Die Verweigerungshaltung gegenüber dem sogenannten »Deal of the Century«, den Friedensplan von Donald Trump, der für die Palästinenser einen kaum überlebensfähigen Rumpfstaat vorsieht – es mag verständlich sein, dass Ramallah (und Gaza sowieso) nur noch entsetzt ist, wenn man sich für einen Moment in die Situation eines unter Besatzung leidenden Volkes versetzt. Wenn Abbas jedoch mit der Trump-Administration im Gespräch geblieben wäre, hätten die Palästinenser eventuell Einfluss nehmen können auf diesen Plan, wer weiß.

Dass die palästinensische Politik jedoch immer so angelegt war, dass sie tatsächlich »keine Gelegenheit auslässt, um eine Gelegenheit auszulassen«, wie dies einst der israelische Außenminister Abba Eban formulierte, ist offensichtlich.

realität In der Realität war es stets so, dass die Palästinenser nach jedem ausgeschlagenen Angebot der israelischen Seite beim nächsten Mal noch weniger angeboten bekamen. Und selbst als der damalige israelische Premier Ehud Olmert dem Palästinenserpräsidenten 2008 einen Friedensvorschlag machte, der sogar Ost-Jerusalem beinhaltete, sagte Abbas Nein.

Das Gefühl, Opfer einer tiefen Ungerechtigkeit zu sein, als irgendwelche Fremde aus Europa, sich auf ein heiliges Buch von vor 4000 Jahren beziehend, das Land 1948 einfach »kaperten«, lässt die palästinensische Politik anscheinend nicht vom Fleck kommen. Die Sehnsucht, Geschichte rückgängig zu machen, hat das realpolitische Denken der Palästinenser stets beeinflusst.

Natürlich sehen die Palästinenser auch, dass Israel seine Expansionspolitik im Westjordanland immer fortgesetzt hat.

Aber natürlich sehen die Palästinenser auch, dass Israel seine Expansionspolitik im Westjordanland immer fortgesetzt hat. Dass zwar verhandelt, aber immer auch gleichzeitig gebaut wurde. Und dass seit vier Jahren im Weißen Haus ein Mann sitzt, der eindeutig die Israelis bevorzugt.

gewalt Nur: Sich verweigern wird Abbas und seinen Beratern nichts bringen. Und Gewalt, wie sie die Hamas und der islamische Dschihad propagieren, noch weniger. Manchmal scheint es, als ob den Palästinensern das Verschwinden Israels nach wie vor wichtiger wäre als ein eigener Staat. Doch Israel wird nicht verschwinden.

Allerdings: Auch die Palästinenser werden nicht verschwinden. Israel kann möglicherweise bald mit noch mehr arabischen Staaten Friedensverträge schließen, die Probleme vor der eigenen Haustür werden bleiben. Irgendwann wird Israel sich mit den Palästinensern einigen müssen. Ob es will oder nicht.

Der Autor ist Editor-at-Large bei BR/ARD, Publizist und Buchautor. Zuletzt ist von ihm erschienen: »Alltag im Ausnahmezustand. Mein Blick auf Israel«.

Debatte

Jüdischer Weltkongress verurteilt israelfeindlichen Weltkirchenrat

Es gibt reichlich Kritik an einer Erklärung des Weltkirchenrats, in der Israel »Apartheid« vorgeworfen wird. Nun reagiert der Jüdische Weltkongress - und hat Fragen an die Kirchen

 11.07.2025

"Newsmax"-Interview

Netanjahu zu Hamas: Werden diese »Monster« besiegen

Die Bemühungen um eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln im Gazastreifen dauern an. Israels Ministerpräsident Netanjahu hofft, dass es dazu bald kommt. Vorerst aber geht der Kampf gegen den palästinensischen Terror weiter

 11.07.2025

Tel Aviv/Ramallah

Israeli stirbt bei Anschlag im Westjordanland

Seit Beginn des Krieges ist die Lage auch im Westjordanland extrem angespannt. Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen und auch tödlichen Anschlägen auf Israelis

 11.07.2025

Meinung

Die Kirche schafft sich ab

Jetzt soll ausgerechnet der Antizionismus helfen, den gesellschaftlichen Niedergang der Kirche zu stoppen

von Josias Terschüren  10.07.2025

Israel

Eli Sharabis Bestseller bald auch auf Englisch

Zum zweiten Jahrestag des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 soll das Buch der ehemaligen Geisel veröffentlicht werden

von Sabine Brandes  10.07.2025

Westjordanland

Israeli stirbt bei Terroranschlag

Der 22-jährige Sicherheitsmann wurde in der Nähe des Einkaufszentrums von Gusch Etzion von zwei Männern angegriffen

 10.07.2025

Brüssel

EU-Chefdiplomatin lobt »konstruktiven Dialog« mit Israel

Die Außenbeauftragte Kaja Kallas hat in einer Erklärung Schritte zur Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen angekündigt

 10.07.2025

Nahost

Finanziert Katar den Wiederaufbau in Gaza?

Angeblich hat Israel grundsätzlich zugestimmt, dass Gelder aus dem Golfemirat bereitgestellt werden können

von Sabine Brandes  10.07.2025

Washington

Netanjahu: »Kein Geiseldeal um jeden Preis«

Von den 50 verschleppten Menschen in der Gewalt der Hamas sollen 20 noch am Leben sein

von Sabine Brandes  10.07.2025