Nahost

»Neue Denkansätze sind notwendig«

Israelis verfolgen die mit Spannung erwartete Rede von US-Präsident Donald Trump in einer Bar in Jerusalem. Foto: Flash 90

Gestern war es so weit. Kurz nach 20 Uhr israelischer Zeit trat US-Präsident Donald Trump in Anwesenheit von Vizepräsident Mike Pence im Saal für diplomatische Empfänge des Weißen Hauses vor die Kameras und hielt seine mit Spannung erwartete Rede über einen möglichen Kurzwechsel in der amerikanischen Nahostpolitik.

»Wir können unsere Probleme nicht damit lösen, indem wir die Ideen und Strategien, die sich bereits in der Vergangenheit als falsch erwiesen haben, einfach nur wiederholen, erklärte er denn auch eingangs. »Neue Denkansätze sind deshalb notwendig.« Die will er nun konkret nennen und zugleich mit der Herangehensweise seiner Amtsvorgänger brechen.

embassy act Dabei verwies Trump als Erstes auf den Jerusalem Embassy Act aus dem Jahr 1995, worin der amerikanische Kongress mit einem Mehrheitsbeschluss von Republikanern und Demokraten die Regierung in Washington auffordert, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die Botschaft der Vereinigten Staaten dorthin zu verlegen.

Doch seither hatten sich alle US-Präsidenten geweigert, diesen in die Tat umzusetzen. Lieber unterzeichneten sie alle sechs Monate eine Verfügung, die den Jerusalem Embassy Act aussetzte. »Dies geschah stets im Glauben daran, dass eine Verzögerung der Anerkennung Jerusalems den Frieden voranbringen würde.« Dass auch er diese Verfügung bereits einmal unterzeichnet hatte, verschwieg Trump.

Aber die Zeit hätte bewiesen, dass man auf diese Weise einer dauerhaften Verständigung zwischen Israel und den Palästinensern kein Stück nähergekommen sei. »Also wäre es dumm zu glauben, eine Wiederholung der exakt selben Formel würde nun ein anderes oder besseres Ergebnis bringen. Genau deshalb habe ich beschlossen, dass nun der Moment gekommen ist, Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anzuerkennen.« Und er fügte hinzu: »Israel ist ein souveräner Staat, der wie jeder andere das Recht besitzt, selbst über seine Hauptstadt entscheiden zu können. Diese Tatsache anzuerkennen, ist eine notwendige Voraussetzung, wenn man überhaupt Frieden erreichen will.«

religionsfreiheit Alle wichtigen Institutionen des jüdischen Staates befinden sich bereits seit Jahrzehnten in Jerusalem. Auch herrsche für Juden, Muslime sowie Christen Religionsfreiheit, jeder könne seinen Glauben ungehindert praktizieren. »Heute bestätigen wir endlich das, was schon lange offensichtlich war. Dass Jerusalem Israels Hauptstadt ist. Das ist mehr oder weniger nichts anderes, als die Realitäten anzuerkennen.«

Zugleich kündigte Trump an, die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, wobei er aber keinen konkreten Zeitplan nannte. Aber man beginne jetzt mit der Planung und Suche nach geeigneten Architekten. Und auch die Zwei-Staaten-Lösung sei für ihn noch aktuell, wenn beide Seiten sich darauf noch verständigen könnten. Was genau dafür geschehen müsste, präzisierte er nicht. An dem Status der Heiligen Stätten wie dem Tempelberg oder dem Haram al-Sharif gebe es aber nichts zu rütteln.

Erwartungsgemäß begrüßte Benjamin Netanjahu die Rede Trumps. »Das ist ein historischer Tag«, so Israels Ministerpräsident. »Über Tausende Jahre hinweg beteten Juden für ein ›nächstes Jahr in Jerusalem‹. An den Ufern von Babylon und den Mauern des Ghettos von Warschau weinten und träumten Generationen von Zion.« Auch Staatspräsident Reuven Rivlin gratulierte dem US-Präsidenten zu seinen Worten und nannte sie ein »wunderbares Genschenk«. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem Israel bald seinen 70. Geburtstag feiere.

altstadt Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat ließ noch am selben Abend die Mauern der Altstadt mit den Farben der amerikanischen sowie der israelischen Flagge anstrahlen. Bemerkenswert: Die Tschechische Republik erkläre Stunden später gleichfalls, Jerusalem als Hauptstadt anzuerkennen – jedoch nur den Westteil. Von einer Botschaftsverlegung ist noch nicht die Rede. Auch afrikanische Staaten wie Tansania erwägen einen solchen Schritt.

Während der Papst, deutsche sowie andere europäische Politiker die Rede von Trump mit wenig Begeisterung aufnahmen und als kontraproduktiv bewerten, wurde sie in der arabischen Welt sowie von den Palästinensern scharf kritisiert und als »Kriegserklärung« aufgefasst. Die Autonomiebehörde kündigte bereits »Tage des Zorns« an und beschloss einen Generalstreik. Ihre Konkurrenz von der Hamas dagegen erklärte, Trump hätte damit »die Tore zur Hölle« geöffnet. Aber außer dem Verbrennen von israelischen und amerikanischen Flaggen sowie Trump-Postern blieb es bislang relativ ruhig. Damit dies auch so bleibt, verstärkte Israel bereits gestern seine Sicherheitskräfte im Westjordanland.

Debatte

Jüdischer Weltkongress verurteilt israelfeindlichen Weltkirchenrat

Es gibt reichlich Kritik an einer Erklärung des Weltkirchenrats, in der Israel »Apartheid« vorgeworfen wird. Nun reagiert der Jüdische Weltkongress - und hat Fragen an die Kirchen

 11.07.2025

"Newsmax"-Interview

Netanjahu zu Hamas: Werden diese »Monster« besiegen

Die Bemühungen um eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln im Gazastreifen dauern an. Israels Ministerpräsident Netanjahu hofft, dass es dazu bald kommt. Vorerst aber geht der Kampf gegen den palästinensischen Terror weiter

 11.07.2025

Tel Aviv/Ramallah

Israeli stirbt bei Anschlag im Westjordanland

Seit Beginn des Krieges ist die Lage auch im Westjordanland extrem angespannt. Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen und auch tödlichen Anschlägen auf Israelis

 11.07.2025

Meinung

Die Kirche schafft sich ab

Jetzt soll ausgerechnet der Antizionismus helfen, den gesellschaftlichen Niedergang der Kirche zu stoppen

von Josias Terschüren  10.07.2025

Israel

Eli Sharabis Bestseller bald auch auf Englisch

Zum zweiten Jahrestag des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 soll das Buch der ehemaligen Geisel veröffentlicht werden

von Sabine Brandes  10.07.2025

Westjordanland

Israeli stirbt bei Terroranschlag

Der 22-jährige Sicherheitsmann wurde in der Nähe des Einkaufszentrums von Gusch Etzion von zwei Männern angegriffen

 10.07.2025

Brüssel

EU-Chefdiplomatin lobt »konstruktiven Dialog« mit Israel

Die Außenbeauftragte Kaja Kallas hat in einer Erklärung Schritte zur Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen angekündigt

 10.07.2025

Nahost

Finanziert Katar den Wiederaufbau in Gaza?

Angeblich hat Israel grundsätzlich zugestimmt, dass Gelder aus dem Golfemirat bereitgestellt werden können

von Sabine Brandes  10.07.2025

Washington

Netanjahu: »Kein Geiseldeal um jeden Preis«

Von den 50 verschleppten Menschen in der Gewalt der Hamas sollen 20 noch am Leben sein

von Sabine Brandes  10.07.2025