Flüchtlinge

Netanjahu rudert zurück

Premier Benjamin Netanjahu bei der Pressekonferenz zur Flüchtlingsfrage am Montag in Jerusalem Foto: Flash 90

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat am Dienstag nach einem Treffen mit Bewohnern von Süd-Tel Aviv seinen Entschluss bekräftigt, das Abkommen zwischen dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR und Israel zur Umsiedlung von Flüchtlingen aus Afrika auszusetzen. Israel werde entschieden für die Abschiebung von »Eindringlingen« eintreten, »trotz der rechtlichen Einschränkungen und der internationalen Schwierigkeiten«, schrieb Netanjahu am Mittag auf seiner Facebook-Seite.

Doch in der Praxis bedeutet die Aussetzung des Plans ein vorläufiges Bleiberecht für Zehntausende von afrikanischen Flüchtlinge, von denen viele im Süden von Tel Aviv leben. Bisher hat sich nämlich kein Drittstaat bereit erklärt, diese Menschen, die vor allem aus Eritrea und dem Sudan stammen, aufzunehmen. Rechtsgerichtete Aktivisten hatten in den vergangenen Monaten verstärkt gegen die »Eindringlinge« mobilgemacht.

Koalition Die israelische Zeitung »Haaretz« bewertete die Aussetzung des Abkommens als Einknicken Netanjahus gegenüber den Koalitionspartnern der Likud-Partei in der Regierung. Vor allem der Erziehungsminister Naftali Bennett (»Jüdisches Haus«) hatte das Abkommen scharf kritisiert.

Nach israelischen Angaben leben derzeit etwa 42.000 afrikanische Einwanderer in Israel. Anfang Januar hatte die Regierung einen Plan verabschiedet, um einen Teil dieser illegal nach Israel eingereisten Flüchtlinge bis Ende März abzuschieben. Betroffen waren vor allem Eritreer und Sudanesen, in deren Ländern massive Menschenrechtsverletzungen kritisiert werden.

Das bereits unterschriebene Abkommen mit dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR war geschlossen worden, nachdem der ursprüngliche Plan der Regierung gescheitert war, etwa 16.000 Flüchtlinge nach Ruanda abzuschieben. Diese Flüchtlinge sollten laut dem Abkommen in Drittstaaten gebracht werden, wobei zunächst unklar blieb, welche Länder gemeint waren. Im Gegenzug sollten etwa ebensoviele Flüchtlinge ein Bleiberecht in Israel erhalten.

Ein Sprecher des UNHCR in Genf sagte dem »Spiegel« am Dienstag, bislang sei man von der israelischen Regierung nicht offiziell über die Annullierung informiert worden. Darum gelte weiter, dass eine gemeinsame Arbeitsgruppe über die Verteilung von gut 16.000 Eritreern und Sudanesen entscheiden solle.

Süd-Tel Aviv Am Dienstagmittag traf sich Netanjahu mit Vertretern der Bewohner ärmerer Viertel in Süd-Tel Aviv, wo viele afrikanische Flüchtlinge leben. Gleichzeitig demonstrierten andere Israelis aus Süd-Tel-Aviv, die nicht zu dem Treffen eingeladen worden waren, gegen die Abschiebung von Flüchtlingen. Sie forderten eine »echte Verbesserung der Struktur in Süd-Tel Aviv« und die Gründung neuer Schulen.

Erst am Montag hatte Netanjahu während einer Pressekonferenz verkündet, Israel habe sich mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR darauf geeinigt, mindestens 16.250 in Israel lebende Afrikaner »in entwickelte Länder wie Kanada, Deutschland und Italien« umzusiedeln.

Bundesinnenministerium
Doch das Bundesinnenministerium in Berlin teilte auf Medienanfragen mit, von einem Ersuchen aus Jerusalem, in Israel lebende Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, wisse man nichts. Humanitären Verpflichtungen sei man in der Vergangenheit aber immer nachgekommen.

Auch das italienische Außenministerium erklärte, es gebe keine Vereinbarung zur Aufnahme afrikanischer Flüchtlinge aus Israel. Am Montagabend ruderte Netanjahu dann erstmals zurück: Er habe nur Beispiele für westliche Länder geben wollen. Gleichzeitig kündigte er eine Aussetzung des Abkommens zwischen Israel und dem UNHCR an.

Konflikt

Die Würfel sind gefallen

Seit dem 13. Juni kämpft Israel gegen die atomare Bedrohung des Iran. Die wichtigsten Entwicklungen im Überblick

von Sabine Brandes  19.06.2025

Vermisst!

Geisel in Gaza: Er kämpfte um sein Leben

Der 19-jährige Daniel Oz wurde am 7. Oktober ermordet und verschleppt

von Sophie Albers Ben Chamo  19.06.2025

Nahost

Israel greift stillgelegten Schwerwasserreaktor an

Mit dem Luftangriff soll verhindert werden, dass Teheran die Anlage wieder in Betrieb nimmt und Plutonium für Bomben produziert

 19.06.2025

Diplomatie

Europäische Außenminister wollen mit Iran verhandeln

In Genf sollen am Freitag direkte Gespräche europäischer Top-Diplomaten mit dem iranischen Außenminister stattfinden

 19.06.2025

Bundesregierung

Kabinett Merz: Bisher 4 Mio. Euro Rüstungsexporte für Israel

In der ersten fünf Wochen ihrer Amtszeit hat die neue Bundesregierung aber keine Ausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffen erteilt

 19.06.2025

Angriff

»Wie ein Kriegsverbrechen wirklich aussieht«

In Beersheva wurde bei einem iranischen Angriff die Soroka-Klinik getroffen, wo Israelis aller Glaubensrichtungen und Palästinenser behandelt werden. Auch in Ramat Gan und Holon gab es Einschläge

 19.06.2025 Aktualisiert

Krieg in Nahost

Mehr als 1100 Ziele im Iran angegriffen

Keine Woche ist der Krieg alt - aber die Zahl der Attacken geht schon in die Hunderte

 18.06.2025

Krieg

Deutsche Soldaten spenden Blut »für israelisches Volk«

Der Militärattaché der deutschen Botschaft in Tel Aviv kommt mit seinem gesamten Team ins Sheba-Krankenhaus

von Sabine Brandes  18.06.2025

Israel/USA

Bericht: Arrow-Abwehrraketen könnten knapp werden

Die iranischen Angriffe auf Ziele in Israel könnten laut »Wall Street Journal« die IDF vor ein Problem stellen

 18.06.2025