Wahlen

Netanjahu fordert große Koalition

Premier Netanjahu, Präsident Rivlin und Blau-Weiß-Chef Gantz am Donnerstag in Jerusalem (v.l.) Foto: Flash 90

Nach der Parlamentswahl in Israel hat sich Regierungschef Benjamin Netanjahu für die Bildung einer großen Koalition ausgesprochen. Er rief seinen Herausforderer Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß am Donnerstag dazu auf, sich einer Koalition mit seinem Likud und rechten sowie religiösen Parteien anzuschließen.

Netanjahu ließ jedoch offen, wer eine solche Koalition anführen sollte. Auch Gantz hat sich für eine Einheitsregierung ausgesprochen – allerdings für ein säkulares Bündnis ohne Netanjahu als Regierungschef.

»Benny, wir müssen noch heute eine breite Einheitsregierung einrichten!«, sagt Netanjahu an Gantz gerichtet .

AUFRUF Nach der Wahl am Dienstag hat Blau-Weiß eine hauchdünne Mehrheit vor dem Likud. Allerdings haben weder das rechts-religiöse noch das Mitte-Links-Lager eine Mehrheit von 61 der 120 Sitze im Parlament zur Regierungsbildung. Nach Auszählung fast aller Stimmen kommt Blau-Weiß auf 33 Mandate, der Likud auf 31, wie die Nachrichtenseite ynet am Donnerstag berichtete.

»Es gibt keine andere Wahl, als eine breite Einheitsregierung zu bilden, die aus allen Parteien besteht, denen der Staat Israel wichtig ist«, sagte Netanjahu. »Benny, wir müssen noch heute eine breite Einheitsregierung einrichten!« Eine Sprecherin von Gantz äußerte sich zunächst nicht dazu.

In der Vergangenheit gab es in Israel bereits das Modell einer großen Koalition mit der Rotation zweier Regierungschefs. Dabei regierte jeder Ministerpräsident jeweils zwei Jahre.

KORRUPTION Gantz hatte vor der Wahl für eine säkulare Einheitsregierung geworben und betont, er werde keiner Regierung mit Netanjahu als Regierungschef zustimmen. Als Grund nannte er die Korruptionsvorwürfe gegen den langjährigen Ministerpräsidenten. Dieser muss sich in zwei Wochen einer Anhörung stellen, danach droht ihm eine Anklage in drei Fällen.

Nach Medienberichten kommt das Mitte-Links-Lager mit Blau-Weiß, der Arbeitspartei, der Demokratischen Union und der Vereinigten Arabischen Liste auf 57 Mandate. Der rechts-religiöse Block mit Netanjahus konservativem Likud, dem Jamina-Parteienblock unter Führung von Ex-Justizministerin Ayelet Shaked und den streng religiösen Parteien erhält 55 Mandate. Die Vereinigte Arabische Liste wird mit 13 Sitzen drittstärkste Kraft im Parlament.

Netanjahu schließt sich mit den rechten und religiösen Parteien zusammen.

Am Mittwochabend hatte Netanjahu die Vorsitzenden der rechten und religiösen Parteien getroffen und sich zum Wortführer des Blocks mit 55 Sitzen erklärt.

Aufgrund des Wahlergebnisses sagte Netanjahu seine geplante Teilnahme an der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York in der kommenden Woche ab, wie ein Sprecher Netanjahus bestätigte.

Ursprünglich war dabei auch ein Gespräch mit US-Präsident Donald Trump über ein mögliches gegenseitiges Verteidigungsabkommen geplant gewesen. Trump hatte Netanjahu allerdings schon weniger deutlich im Wahlkampf unterstützt als vor der Wahl im Frühjahr. Nun betonte er nach der Wahl: »Unsere Beziehung besteht mit Israel

VERANTWORTUNG Präsident Reuven Rivlin sagte am Donnerstag, er werde alles dafür tun, um eine erneute Wahl zu verhindern. Aber letztlich seien dafür die Politiker verantwortlich, allen voran die Vorsitzenden der beiden größten Parteien.

Rivlin muss nun entscheiden, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Dazu holt er von allen Fraktionen Empfehlungen für das Amt des Ministerpräsidenten ein.

Wer danach die größten Chancen zur Bildung einer Regierungskoalition hat, erhält dafür zunächst vier Wochen Zeit. Üblicherweise erhält den Auftrag der Vorsitzende der Fraktion mit den meisten Stimmen. Mit einer neuen Regierung wird frühestens Ende Oktober gerechnet.

Präsident Rivlin will alles dafür tun, um eine erneute Wahl zu verhindern.

Die offiziellen Ergebnisse verzögerten sich deutlich. Der israelische Wahlausschuss teilte mit, nach Auszählung von rund 68 Prozent der Stimmen käme Blau-Weiß auf 25,9 Prozent der Stimmen, der Likud auf 25,1. Das endgültige Wahlergebnis soll eine Woche nach der Wahl veröffentlicht werden.

Dies war bereits die zweite Parlamentswahl innerhalb eines halben Jahres. Nach der Wahl im April war Netanjahu trotz einer Mehrheit im rechts-religiösen Lager bei der Regierungsbildung gescheitert.  dpa

Nahost

Warum Israel Syriens Militär fast vollständig zerstört hat

In den vergangenen Tagen hat die israelische Armee nach eigenen Angaben 80 Prozent der syrischen Militärkapazitäten zerstört

von Sara Lemel und Johannes Sadek  12.12.2024

Nahost

Netanjahu trifft US-Gesandten, Gespräch zur Lage in Syrien

Die überraschende Machtübernahme durch Rebellen sendet Schockwellen durch die ganze Region

 12.12.2024

Nach Eklat

Vatikan entfernt Jesus-Kind mit Keffiyeh

Nach tagelanger Kritik hat die katholische Kirche nun reagiert, auch wenn sie sich öffentlich nicht äußert

von Nils Kottmann  12.12.2024

Westjordanland

Kind stirbt nach Terrorangriff

Der Junge war Passagier in einem Bus. Drei weitere Personen sind verletzt

 12.12.2024 Aktualisiert

Nahost

Nach Umsturz in Syrien: Hoffnung auf Gaza-Deal

Die Hamas hat den Kernforderungen Israels in zwei Kernpunkten nachgegeben

von Lars Nicolaysen  12.12.2024

Leitartikel

Islamisten als Befreier?

Nach dem Sturz der blutigen Assad-Diktatur atmet die Welt auf. Was die Umwälzungen für den Nahen Osten bedeuten – und für Israels Sicherheit

von Peter R. Neumann  12.12.2024

Israelische Armee tötet zwei Beteiligte der Hamas-Massaker

 11.12.2024

Westjordanland

Schüsse auf Israelis am Josefsgrab in Nablus - drei Leichtverletzte

Die Männer wollten ohne Absprache mit den Behörden an der heiligen Stätte beten

 11.12.2024

Geiseln

»Sie haben mein Becken gebrochen, mein Bein verbrannt, meinen Kiefer ausgerenkt«

Präsident Herzog hält Notfalldiskussion ab, um auf die große Gefahr für die nach Gaza verschleppten Menschen hinzuweisen

von Sabine Brandes  11.12.2024