Es ist ein würdeloses Gezerre um eine Geisel. Am Samstag behaupteten Quellen der Hamas, in Rafah im Süden des Gazastreifens die sterblichen Überreste von Leutnant Hadar Goldin gefunden zu haben, und veröffentlichten angebliche Beweisaufnahmen. Der anschließende Besuch des israelischen Generalstabschefs Eyal Zamir am Samstag im Haus der Familie Goldin gab jedoch Anlass zu mehr als nur Spekulation. Er deutet darauf hin, dass israelische Offizielle die Botschaft der Terrororganisation für glaubwürdig halten.
Am Sonntagmorgen dann erklärte ein Sprecher der Hamas, den Leichnam innerhalb weniger Stunden zurückgeben zu wollen. Mittags dann hieß es, es solle um 14 Uhr Israel-Zeit geschehen. Die Rückführung wäre ein bedeutender Moment für ganz Israel mit großem Symbolcharakter, denn es ist mehr als elf Jahre her, dass der junge Soldat von Terroristen getötet und gekidnappt wurde. Denn sie würde ein schmerzhaftes Kapitel abschließen und ein Zeichen setzen, dass Israels Versprechen, niemanden zurückzulassen, weiterhin gilt.
Von Hamas in Hinterhalt gelockt und getötet
Hadar Goldin, Offizier der Givati-Brigade, wurde am 1. August 2014 während eines von der UN vermittelten humanitären Waffenstillstands in einen Hinterhalt der Hamas gelockt und getötet. Er war 23 Jahre alt. Seine Kameraden riskierten ihr Leben, um ihn zu retten, doch ohne Erfolg, die Terroristen verschleppten seine Leiche und entkamen durch das Tunnelnetz unterhalb des Gazastreifens.
Seit diesem Tag kämpfen seine Eltern und Geschwister um die Rückführung. Nach dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 schlossen sie sich den Kundgebungen auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv an und demonstrieren seitdem regelmäßig für die Herausgabe ihres Sohnes und Bruders und aller anderen verschleppten Menschen.
Im Januar wurde die Leiche von Oron Shaul, auch er ein Soldat, der 2014 von der Hamas getötet wurde, durch Geheimdienstinformationen in Gaza gefunden und nach Israel überführt. Für seine Familie war es ein bedeutsamer Abschluss. Endlich konnten sie sich von ihrem Liebsten verabschieden. Die Goldins warten noch immer.
Zeitung: »Hinter den Kulissen kümmern sich Vermittler um die Lösung der Krise.«
In der vergangenen Woche hatten sich die Nachrichten in israelischen Medien verdichtet, dass sich Goldins Leichnam zusammen mit rund 150 Hamas-Kämpfern in einem Tunnelkomplex in Rafah befinden soll. Dieser Komplex soll sich innerhalb der sogenannten gelben Linie im südlichen Gazastreifen befinden, dem Gebiet, in das sich die israelische Armee im Rahmen des Waffenstillstandsdeals zwischen Israel und der Hamas zurückgezogen hat.
Seit über einer Woche fordert die Hamas Garantien für einen sicheren Abzug der eingeschlossenen Terroristen in von ihr kontrollierte Gebiete in Gaza westlich der israelischen Kontrolllinie. Israel lehnt ein solches Abkommen - zumindest öffentlich - ab und beharrt darauf, dass die belagerten Kämpfer entweder kapitulieren oder sterben müssen. Allerdings würden sich hinter den Kulissen »Vermittler intensiv um eine Lösung der Krise ohne direkte Konfrontation« kümmern, schreibt die Tageszeitung »Haaretz« am Sonntag.
Zudem heißt es, dass die Regierung in Washington unter US-Präsident Donald Trump versucht, eine Einigung in Sachen der eingeschlossenen Hamas-Mitglieder zu finden und vorhat, dies mit dem Übergang zur zweiten Phase des Waffenstillstandsabkommens zu verbinden. Im Rahmen dieser Phase soll sich Israel aus weiteren Gebieten des Gazastreifens zurückziehen.
Hinhaltetaktik und Angriffe auf IDF
Die Hinhaltetaktik der Hamas bei der Übergabe von Goldin und den restlichen toten Geiseln, die am 7. Oktober verschleppt worden waren, sowie Angriffe auf IDF-Truppen haben die Fortschritte bei der nächsten Phase jedoch verzögert.
Bereits seit Anfang des Jahres werden in dem Gebiet, in dem die IDF Goldins Leichnam vermutet, intensive Suchaktionen durchgeführt und große Flächen umgegraben, bisher jedoch ohne Erfolg. Außerdem erklärte die IDF, dass sie und der Inlandsgeheimdienst Schin Bet Hamas-Mitglieder speziell dazu verhört hätten, dass sie das Versteck der Leiche preisgeben.
Am Samstag dann plötzlich die Wende: Angeblich habe die Hamas im Viertel Tel Sultan nach Goldin gesucht und gab anschließend bekannt, dass sie seine sterblichen Überreste aufgespürt hätten. Bis zum Sonntagmittag wartete ganz Israel auf die Überführung nach Israel und die endgültige Bestätigung, dass es sich tatsächlich um die Leiche des jungen Offiziers handelt – nach mehr als elf langen Jahren.