Militär

Mit Allah für Zion

Tagelang war ich bei unendlich vielen Beduinen im Negev. Diverse NGOs hatten mich dort hingeschleppt, um mir vorzuführen, wie schlecht die israelischen Juden die Beduinen behandeln. Jetzt ist es an der Zeit, überlege ich, zur Abwechslung mal einen Beduinen kennenzulernen, der ohne NGO-Helfer an seiner Seite über sich und sein Volk erzählen kann.

Also reise ich in den Norden, um Oberstleutnant Magdi Mazarib zu treffen, den Kommandeur der Fährtensucher der israelischen Streitkräfte. Die Fährtensucher sind eine Einheit der Armee, bestehend aus Arabern, die an Israels Grenze wachen und ihr Leben riskieren, um Juden vor arabischen Eindringlingen zu schützen. In meinen Ohren klingt das wie eine Märchenerzählung. Mal sehen, ob es diese Leute tatsächlich gibt.

gebetskette Willkommen in Magdis Königreich. Der Oberstleutnant sitzt im Büro seines Armeepostens, ein breites Lächeln im Gesicht, und wirkt so, wie man sich einen Bilderbuchscheich vorstellt. Um ihn herum junge Beduinen, allesamt Zahal-Soldaten, die begierig und mit größtem Respekt jedem Wort lauschen, das von seinen Lippen kommt.

Dieser Magdi ist eine richtige Type, kein Zweifel. Als ich hereinkomme, sehe ich, dass er einen Rosenkranz in der Hand hält, und frage ihn, ob er Christ ist. »Möchten Sie es haben?«, ist seine Antwort, und er reicht ihn mir.

Kaum durch die Tür getreten, gibt es schon Geschenke. Das gefällt mir.

Jetzt, da ich den Rosenkranz in meiner Hand halte, erkenne ich, dass es sich um eine islamische Gebetskette handelt, Misbaha genannt, mit Perlen, die für die 99 Namen Allahs stehen.

Wir setzen unsere Unterhaltung fort. »Stehen die Beduinen loyal zu Israel?«, will ich wissen. »Ich bin Araber«, antwortet der Oberstleutnant: »Stolzer Araber, Muslim, Sunni. Und ich bin auch Israeli. Das widerspricht sich nicht.«

Als ich vor über 30 Jahren in Israel lebte, traf ich nie auf Beduinen, die von sich sagten, sie seien Palästinenser, erzähle ich. Aber das hat sich offenbar geändert. Die Beduinen, die ich jetzt kennengelernt habe, definieren sich alle als palästinensisch. Magdi ist von meiner Entdeckung nicht sonderlich beeindruckt: »Eine Frau ist immer nur einem Mann treu, nicht zweien.«

Ich habe mit Beduinen im Negev gesprochen, berichte ich weiter, die mir gesagt haben: »Die Juden haben uns unter Kontrolle. Wir wollen die Juden nicht.«

»In welchen Dörfern im Negev waren Sie?«, fragt Magdi.

»Al-Sira, Al Araqeeb, Abu Kweider ...«

»Ich erzähle Ihnen mal was über Abu Kweider.« Aber vorher erteilt der Offizier mir erst einmal Nachhilfeunterricht. »Wir sind Beduinen, nicht Drusen.« Beduinendörfer bestehen aus Stämmen, erklärt er mir, und das Dorf Abu Kweider ist da keine Ausnahme.

»Und wer sind die Abu Kweiders?«, frage ich.

»Eine Familie, die ursprünglich aus Gaza stammt. Wenn Sie mich fragen, sind das überhaupt keine Beduinen.« Gut zu wissen.

hymne
Und wer oder was ist Magdi Mazarib?

»Ich bin kein Zionist wie die Siedler«, sagt der Oberstleutnant. »Ich bin Israeli. Ich respektiere den Staat. Ich respektiere sogar die Nationalhymne. Wenn die israelische Fußballnationalmannschaft siegt, bin ich glücklich und wünsche mir, dass sie bei der Weltmeisterschaft mitspielt. Ich liebe Maccabi Tel Aviv.«

Warum ist er dann kein Zionist?, will ich wissen.

»Ich habe mich mit dem Zionismus nie gründlich beschäftigt. Ich bin nie als Zionist erzogen worden. Um Zionist zu sein, muss man den Zionismus studieren, muss man Zeev Jabotinsky studieren.«

Magdi ist ein Beduine, der seine Armeekarriere als Fährtensucher begann, wie vor ihm sein Vater und andere Familienangehörige. Er stieg auf bis zum obersten Kommandeur der Einheit, wird aber demnächst bei Zahal aufhören, um Kommunikationswissenschaften zu studieren und nach der militärischen die zivile Karriereleiter hochzuklettern. Anders als etliche israelische Juden allerdings träumt er von Erfolg in Israel, nicht in Europa oder Amerika.

»Unser großes Glück – und, glauben Sie mir, ich meine das nicht anbiedernd – ist, dass wir und die Juden hier zusammenleben. Das ist die Fortüne meiner Generation, meiner Eltern und meiner Großeltern. Schauen Sie sich um im Nahen Os- ten, einer Region, die seit Kurzem um 500 Jahre zurückgefallen ist. Israel ist das einzige vernünftige, gesunde Land in dieser heiligen Gegend. Das ist eine Tatsache. Der Staat Israel ist gut für die Muslime, die Christen und die Juden. Im Übrigen sind die Juden nicht ohne Grund gerade hierhergekommen. Wenn man im Boden dieses Landes gräbt, findet man Beweise dafür, dass Juden hier bereits vor langer Zeit gelebt haben. Da eine 1000 Jahre alte Synagoge, dort eine, die vor 2000 Jahren gebaut wurde. Die Juden, die aus Europa kamen, haben ihre Wurzeln in diesem Land. Deshalb wanderten sie im vorigen Jahrhundert hierher ein. Die Juden sind nicht in die Türkei gegangen und haben gesagt: ›Wir wollen die Türkei für uns haben!‹ Sie kamen hierher, in dieses Land, in ihre uralte Heimat.«

Magdi, denke ich, mag sich selbst nicht als Zionist bezeichnen. Aber er ist der größte Zionist, der mir je begegnet ist.

misstrauen Wir trinken guten arabischen Kaffee, den die Soldaten zubereitet haben. Plötzlich vertraut Magdi mir etwas Persönliches an. »Die Mutter meiner Frau«, sagt er, »ist eine polnische Jüdin.« Die beduinischen Soldaten lachen bei der Vorstellung einer polnisch-jüdischen Dame in einem Beduinenzelt.

»Sprechen Sie Jiddisch?«, frage ich den Oberstleutnant. Wieder bricht Lachen aus. Aber Magdis Gesicht bleibt ernst. »Die Großmutter meiner Frau ist eine Schoa-Überlebende.«

Das ist das Letzte, das ich aus dem Mund von Scheich Magdi erwartet hätte. Ich bin hierhergekommen, um über Fährtensucher zu reden, und er erzählt mir von der Schoa. Bevor die Unterhaltung Richtung Auschwitz abdriftet, wechsele ich das Thema.

»Warum sind die Beduinen Fährtensucher?«, frage ich. »Haben sie bessere Spürnasen?«

Mit der Nase oder den Augen hat das nichts zu tun, klärt mich Magdi auf. »Ein Fährtensucher braucht ein misstrauisches Naturell, und die Beduinen sind ein miss-trauisches Volk. Wir haben durch unsere Tradition Erfahrung mit Blutrache und Ehrenmorden. Wenn ein fremdes Auto vor unserem Zuhause hält, gehen sofort sämtliche Alarmglocken im Kopf los: Wer ist das, und was will er hier? Dann gehen wir sofort zu dem Wagen und fragen: › Kann ich Ihnen helfen?‹. Diese Qualität, dieses misstrauische Wesen brauche ich an der israelischen Grenze. Solche Soldaten suche ich.«

libanon Ich bitte Magdi, mich an seinen Einsatzort an der libanesischen Grenze mitzunehmen. Wir steigen in einen Ar-meejeep und fahren los. Die Landschaft ist atemberaubend. Der einzige Schönheitsfehler ist der Zaun, an dem wir entlangfahren. Israel ist auf der einen Seite, der Libanon auf der anderen. Ich sehe gelbe Fahnen auf der libanesischen Seite. Nein, das ist nicht die Flagge des Libanon, sondern die der Hisbollah. Ein erstaunlicher Anblick: Die Armee, die Israel an dieser Grenze gegenübersteht, ist die Hisbollah, nicht das libanesische Militär.

»Können Sie mich ganz dicht an die Grenze heranfahren?«, bitte ich Magdi: »Direkt dahin, wo die Libanesen und die Hisbollah sind?« Er tut mir den Gefallen. Wir fahren zu einem Punkt, wo die Grenze unmittelbar auf libanesisches Territorium stößt und steigen aus.

»Schauen Sie mal auf den Hügel gegenüber«, sagt Magdi. »Was sehen Sie?«

»Häuser.«

»Erinnert Sie eines der Häuser an etwas?«

»Das mit der Kuppel ...«

»Genau. Das ist ein Nachbau der Al-Aksa-Moschee. Man hat ihn hingestellt, um die Juden zu ärgern.«

Interessant. Neben uns ist ein schwarzes Gebilde, das aussieht wie eine Karte von Palästina, voll mit auf Papier gedruckten Bildern von Leuten. Wahrscheinlich Schahids, »Märtyrer«. Darunter handgeschrieben eine Botschaft in sehr schlechtem Hebräisch: »Sicher wir kommen zurück.«

Ich bitte Magdi, mir mal kurz sein Sturmgewehr zu leihen, nur für einen Moment. Ich will wissen, ob er mir traut, und, wenn ja, wie sehr. Magdi, der Häuptling des misstrauischen Volkes, reicht mir das Gewehr – geladen. Das ist, wie jeder Soldat weiß, strikt gegen die Regeln. Aber Magdi kennt keine Regeln. Für ihn zählt nur, wem er vertraut und wem nicht.

Um mein kleines Spielchen perfekt zu machen, setze ich noch sein Militärbarett auf. Dann nehme ich das Sturmgewehr und lege in alle Richtungen an. Magdi schaut mir lächelnd zu. Dann gebe ich ihm seine Waffe und die Mütze zurück. Aber die Gebetskette behalte ich. Wann immer mich in Zukunft Zweifel überkommen, ob Araber und Juden zusammenleben können, wird er da sein, mich eines Besseren zu belehren.

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