Interview

»Meine Kinder sind traumatisiert«

»Wir hörten die Explosionen und beteten, dass uns nichts passiert«: Mali Nisimpur aus Sderot mit ihrer großen Tochter, vor der jüngsten Terrorwelle. Foto: privat

Interview

»Meine Kinder sind traumatisiert«

Mali Nisimpur aus Sderot ist 35 Jahre alt und hat sechs Kinder. Der palästinensische Terror gefährdet regelmäßig ihre Familie

von Imanuel Marcus  15.05.2023 11:44 Uhr

Der Islamische Dschihad und andere Terrorgruppen haben letzte Woche mehr als 1000 Terror-Raketen auf Israel abgeschossen. Wer in Sderot lebt, unweit der Grenze zu Gaza, muss auf alles gefasst sein. Mali Nisimpur muss nicht nur sich selbst schützen, sondern auch ihre sechs Kinder. Ein Interview.

Frau Nisimpur, in den letzten Tagen wurden aus Gaza Hunderte Raketen auf Israel abgefeuert. Wie war die Situation in Sderot, als Sie die Stadt mit Ihren Kindern verließen?
Es war katastrophal. Dies galt auch, als wir nochmal zurückfuhren, um Kleider zu holen. Dauernd gab es Raketenalarm. Meine Kinder hatten Angst. Wenn sie die Sirenen hören, verfallen sie in ein Trauma, sie sind traumatisiert. Wenn Flugzeuge über uns hinweg fliegen, kommen sie zu mir und klammern sich an mich. Als ich die Reaktion meiner Kinder sah, fuhren wir zu meinen Eltern, weit weg von Sderot.

Wie haben Sie sich und Ihre Kinder geschützt, als Sie noch in Sderot waren und die Sirenen heulten?
Als der Alarm ertönte, bin ich schnell losgefahren, um die Kinder vom Kindergarten und aus der Schule abzuholen. Da ich sechs Kinder habe, war dies schwierig. Ich musste mich entscheiden, wer zuerst dran war. Zunächst holte ich mein Baby ab. Dann halfen mir meine großen 11- und 13-jährigen Jungen, die anderen Kinder in den Schutzraum zu bringen.

Wie erklären Sie die Terror-Angriffe Ihren Kindern?
Es ist praktisch unmöglich, meinen Kindern zu erklären, dass es Terrororganisationen gibt, die sie umbringen wollen, nur weil sie Juden sind. Dies ist absurd und schlimm. Meine Kleinen werden schnell aufwachsen. Wenn sie groß sind, werden sie die Lage besser verstehen.

Wie ist die Situation in diesen Schutzräumen? Waren Sie oft dort?
Wir waren dauernd im Schutzraum, vor allem während dieser Militäroperation. Die Situation in dem Raum ist kompliziert, auch aufgrund der Traumata, die von den Angriffen ausgelöst werden. Normalerweise mussten wir jeweils zehn Minuten im Schutzraum bleiben. In dieser Zeitspanne haben wir Explosionen in der Luft gehört und gebetet, dass uns nichts passiert. Es ist jedes Mal schlimm.

Was sagen die Behörden in Sderot? Was sollen die Bewohner für ihre Sicherheit tun?
Sie wiesen uns an, in der Nähe der Schutzräume zu bleiben. Auch werden wir immer gewarnt, wenn sich die Situation verschlechtert. Wir bekommen dann Nachrichten online zugeschickt. Natürlich wissen wir auch selbst, was wir zu tun haben und wo wir hingehen müssen.

Haben Sie das Gefühl, dass Israel wieder zusammensteht, da das Land erneut mit Angriffen terrorisiert wird? Oder ist Israel wegen der Justizreform weiterhin gespalten?
Ich glaube, Israel steht in Kriegen immer zusammen, aber es gibt natürlich diesen Streit. Wenn der Krieg zu Ende ist, werden wir bestimmt zu den Diskussionen zurückkehren.

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