Was haben eine israelische Antiterroreinheit und Hochprozentiges gemeinsam? Ihren Namen. Trupps, die aus Angehörigen des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet sowie der paramilitärischen Eliteeinheit Yamam bestehen, werden in Israel gerne auch »Tequila-Teams« genannt. Über die Gründe dieser Namensgebung lässt sich nur spekulieren. Sicher ist: Im Jahr 2024 kamen sie 32-mal zum Einsatz, um Terroranschläge zu verhindern.
Blaue Agaven gedeihen mit viel Sonne auf trockenem Boden.
Die Negevwüste ist ideal.
Worüber man hingegen nicht spekulieren muss, ist die Beliebtheit des gleichnamigen Getränks in Israel. Laut dem britischen Marktanalysten IWSR, der weltweit Alkoholkonsum erfasst und Trends analysiert, stieg der Verbrauch von Tequila zwischen 2018 und 2023 um 13,2 Prozent. Zum Vergleich: Whisky legte um 5,5 Prozent zu, Wodka verlor 0,9 Prozent an Beliebtheit.
Für Avi Leitner, einen in New York geborenen Rechtsanwalt, war das Grund genug, die Tequila-Produktion nach Israel zu bringen. Dafür braucht es jedoch die blaue Agave – eine Pflanze, die ursprünglich aus Mexiko stammt. Vor vier Jahren begann er mit dem Anbau im Kibbuz Alumim nahe dem Gazastreifen. »Es schien mir, dass das Klima im Negev am besten geeignet wäre«, erklärte er der Wirtschaftszeitung »Globes«. »Agaven brauchen viel Sonne, trockene Böden und wenig Regen. Im Norden war es zu kalt, an anderen Orten zu teuer.« Experten aus Mexiko bestätigten ihm: Der Negev sei der am besten geeignete Ort.
Der Schnaps darf nicht Tequila genannt werden
Mit seinem Freund Avi Rosenfeld gründete Leitner vor fünf Jahren die Firma Blue Agave Group. Zwei Millionen Dollar investierten sie in Import und Anbau der Pflanzen. Weitere drei Millionen sind notwendig, um mit der Produktion zu beginnen. Doch: Der Schnaps darf nicht »Tequila« heißen – dieser Begriff ist markenrechtlich durch die mexikanische Regierung geschützt. Auch das israelische Landwirtschaftsministerium machte es anfangs nicht leicht und blockierte die Einfuhr der Pflanzen.
Unterstützung kommt von Eran Braverman, einem Mitglied des Kibbuz.
»Es ist eine verrückte Idee, Agaven in Israel anzubauen, aber wir haben uns dafür entschieden«, sagt der Agrarexperte. Bereits in den 50er-Jahren wurde im Negev eine andere Agavenart zur Textilfasergewinnung angebaut. Braverman selbst ist kein Freund von Hochprozentigem, sieht aber wirtschaftliches Potenzial für den Kibbuz. Nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 war die Zukunft des Projekts gefährdet: Auch Alumim wurde überfallen, 19 ausländische Landarbeiter und drei israelische Sicherheitskräfte wurden ermordet.
Die Spirituosenbranche will an den Erfolg des Weinhandels anknüpfen.
Die Kibbuzbewohner wurden evakuiert – doch Braverman und andere Farmer kehrten regelmäßig zurück, um sich um die Felder und um die Agaven zu kümmern.
Die geplante Produktion von »Tequila made in Israel« steht so auch symbolisch für Hoffnung und Wiederaufbau. »Wir haben gesehen, wie viele das Vertrauen in den Negev verloren hatten«, sagt Leitner. »Deshalb möchte ich etwas Positives schaffen – obwohl die Brennerei noch im Bau ist.« Normalerweise dauert es sieben Jahre, bis Agaven geerntet werden können. In Israel hofft man, dies auf vier bis fünf Jahre zu verkürzen.
Auch Gerste für Whisky soll hier angebaut werden
Auch andere Projekte setzen auf Hochprozentiges im Süden. Der frühere Knesset-Abgeordnete Haim Yellin aus dem schwer getroffenen Kibbuz Be’eri hat Kontakt zur vielfach ausgezeichneten Milk & Honey Distillery in Tel Aviv aufgenommen. Diese baut nun Gerste für ihren Malt Whisky im Negev an. »In einigen Monaten haben wir die erste Ernte«, heißt es. 2028 soll der Whisky marktreif sein.
Israels Spirituosenbranche will an die Erfolgsgeschichte des Weins anknüpfen. Jahrzehntelang galt das Land als »alkoholisches Entwicklungsland«: Mittelmäßige Weine von Carmel Mizrahi dominierten, Spirituosen wie Wodka Stopka, Lord Gin oder die süße Plörre »Amadeus« füllten die Regale. Auch ein kurzlebiges Tequila-Imitat namens »Tehila« gab es einst.
Erst mit neuen Playern wie der Golan Heights Winery kam in den 90er-Jahren Qualität ins Spiel. Es folgte der Siegeszug der Boutique-Weingüter. Genau daran wollen Leitner und andere nun im Negev anknüpfen – mit Agaven, Geduld und einem langen, feurigen Atem.