Zwei Massenbeerdigungen haben am Sonntag Tausende ultraorthodoxe Männer auf die Straßen Jerusalemsgebracht – inmitten des landesweiten Lockdowns wegen des Coronavirus. Mehr als Zehntausend Menschen besuchten die Beerdigung von Rabbiner Meshulan Dovid Soloveitchik, rund 8000 kamen zur Beerdigung von Rabbi Yitzhok Scheiner. Die Polizei gab an, sie habe »keine Möglichkeit gesehen, um einzugreifen«.
MASSENVERANSTALTUNGEN Soloveitchik, Leiter der Brisk Jeschiwa in Jerusalem, war im Alter von 99 Jahren an Covid-19 gestorben. Nur wenige Stunden später erlag mit Rabbi Yitzhok Scheiner der zweite prominente Rabbiner den Folgen der Erkrankung. Scheiner war 98 Jahre alt. Das Oberhaupt der Kamenitz-Jeschiwa hatte sich für das Einhalten der Corona-Maßnahmen eingesetzt und seine Anhänger aufgefordert, keine Massenveranstaltungen zu besuchen.
Die Teilnahme von Tausenden von Menschen – die meisten ohne Masken und jegliche soziale Distanz – wurde von weiten Teilen der Politik und Öffentlichkeit scharf kritisiert. Vor allem Geschäftsinhaber verlangen, dass der Lockdown beendet wird oder gleichsam für alle gilt.
Derzeit ist die Regel, dass lediglich zehn Menschen unter freiem Himmel zusammenkommen dürfen. In der Nacht zum Montag beschloss das Kabinett, den nationalen Lockdown um vier Tage zu verlängern.
»Jeder Versuch einzugreifen, hätte sicher zu Blutvergießen geführt.«
Polizeioffizier Ofer Schumer
In den vergangenen Wochen hatten die Regelbrüche in der charedischen Gemeinschaft immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt. Der Regierung wird vorgeworfen, die Regeln in diesen Gegenden nicht durchzusetzen. Bei Demonstrationen vor der Residenz des Premierministers setzte die Polizei einen Tag zuvor indes Wasserwerfer gegen die Protestierenden ein.
POLITIKUM Premier Benjamin Netanjahu sagte bei der Kabinettssitzung zur Verlängerung des Lockdowns: »Eine Veranstaltung ist eine Veranstaltung, egal ob ultraorthodox, säkular oder arabisch. Wir müssen aufhören, dies zu einem Politikum zu machen.«
Obwohl die Sicherheitskräfte die Öffentlichkeit aufgerufen hatten, nicht zur Beerdigung zu pilgern, kamen die Ultraorthodoxen dennoch in Massen. In einem Fernsehinterview sagte Polizeioffizier Ofer Schumer aus Jerusalem, er persönlich habe rund tausend zehn- bis 14-Jährige gesehen. Eine Möglichkeit für das Aufbrechen der Veranstaltung habe es seiner Meinung nach nicht gegeben.
»Jeder Versuch einzugreifen, hätte sicherlich zu Blutvergießen geführt«. So jedoch seien Leben gerettet worden. Die Menschen selbst, besonders die Anführer, hätten eine Verantwortung. »Wir können letztendlich nicht jeden einzelnen festsetzen, der die Regeln bricht.« Allerdings habe die Polizei Busse zur Umkehr gezwungen, die aus anderen Städten nach Jerusalem hatten reisen wollten.
GESETZ Oppositions- und Koalitionsparteien äußerten sich im Anschluss an die Beerdigungen: »Ein Gesetz für alle«, schrieb Yair Lapid (Jesch Atid) auf Twitter. »Was wir tun würden? Eine große Zahl von Polizisten reinschicken.«
Benny Gantz, Vorsitzender der Zentrumspartei Blau-Weiß und Mitglied der Regierungskoalition, hatte sich geweigert, den Lockdown zu verlängern, sollten die Regeln nicht einheitlich implementiert werden. Er sagte: »So sieht ungerechte Durchsetzung aus. Millionen von israelischen Familien und Kinder sitzen in ihren Häusern und halten sich an die Regeln, während Tausende von Charedim zu einer Beerdigung zusammenkommen, die meisten ohne Masken.«