Syrien

»Maschinen des Tötens und Entführens«

Regierungstruppe patroullieren nach Kämpfen gegen Drusen in Ashrafiyat Sahnaya Foto: picture alliance/dpa

Israel ist auch an der Grenze zu Syrien in Alarmbereitschaft. In den vergangenen Tagen waren die Spannungen zwischen der drusischen Minderheit im Nachbarland und der neuen Regierung in Gewalt eskaliert. Bei Zusammenstößen seien mindestens 73 Menschen getötet worden, berichten israelische Medien.

Die syrische Regierung unter Präsident Ahmad al-Sharaa bestreitet eine Beteiligung an den Tötungen und behauptet, die bewaffneten Gruppen, die drusische Gebiete angreifen, seien »unabhängig«.

Das spirituelle Oberhaupt der syrischen Drusen, Scheich Hikmat al-Hijri, jedoch verurteilte das Regime und bezeichnete die Anschläge als »ungerechtfertigt« und »terrorisierend«. Er und andere Geistliche werfen dem Regime vor, die verantwortlichen Milizen zu unterstützen. »Dieses Massaker, mit dem wir nicht gerechnet haben, zielt darauf ab, Angst zu verbreiten«, sagte er und forderte »schnelle internationale Hilfe«, um das Blutvergießen zu beenden.

»Eine Regierung massakriert nicht ihr eigenes Volk und bezeichnet die Täter später als ›abtrünnige Akteure‹«, so al-Hijri. »Es handelt sich um regimenahe Kräfte mit einer konfessionellen Agenda. Sie sind Maschinen des Tötens und Entführens.«

Die Gewalt hatte vor einigen Tagen in der gemischten Stadt Jaramana südöstlich von Damaskus begonnen, nachdem eine umstrittene Audioaufnahme, die als Beleidigung des muslimischen Propheten Mohammed empfunden wurde, online verbreitet und fälschlicherweise einem drusischen Geistlichen zugeschrieben wurde. Der Beschuldigte bestritt jegliche Verbindung, doch die Zusammenstöße breiteten sich weiter aus, bis sie in der Region Suweida ankamen, in der die Mehrheit der syrischen Drusen lebt.

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Zusammenstöße trotz Waffenruhe-Ankündingung

Mehr als eine halbe Million Drusen leben in Syrien, hauptsächlich in der südlichen Provinz Suweida, wo sie etwa 90 Prozent der lokalen Bevölkerung ausmachen. Kleinere Gemeinschaften leben auch in anderen Gegenden, darunter in Dörfern nahe der israelischen Grenze auf den Golanhöhen.

Als Reaktion auf die Gewalt in Syrien hätten sich Beamte mit drusischen Vertretern getroffen und einen ersten Waffenstillstand in einigen Ortschaften vereinbart, berichteten syrische Staatsmedien. Es sei zudem ein gemeinsames Komitee eingerichtet worden, um die Lage zu stabilisieren. Trotz der Ankündigung kam es weiterhin zu sporadischen Zusammenstößen, insbesondere im Dorf Kanaker im Westen von Suweida. Drusische Bewohner dort gaben an, in der Nacht einen Angriff bewaffneter Gruppen abgewehrt zu haben.

Präsident al-Sharaa, der ehemalige Anführer der dschihadistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Sham, wird dafür kritisiert, die Drusen seit seiner Machtübernahme politisch und militärisch ausgegrenzt zu haben. Er hatte zuvor geschworen, die Drusen »auf den Weg des Islam zurückzuführen«, was in der Gemeinschaft große Sorge vor Verfolgung auslöste. Bei den Drusen handelt es sich um eine eigene Religionsgemeinschaft, die im Nahen Osten im 11. Jahrhundert als eine Abspaltung des ismailitischen Islams schiitischer Prägung entstanden ist.

Demonstrationen in Israel

In Israel löste die Gewalt tagelange Proteste in drusischen Gemeinden aus. Demonstranten blockierten Straßen und verlangten von der israelischen Regierung, »unseren Brüdern und Schwestern in Syrien zu helfen«.

Koalitionsvertreter äußerten sich zunehmend besorgt über die Lage. Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Israel Katz trafen sich am späten Mittwochabend zu einer Krisensitzung, nachdem Berichte über zunehmende Gewalt eingegangen waren.

Verletzte Drusen nach Israel evakuiert

Einer offiziellen Erklärung zufolge habe die israelische Armee einen sogenannten »Warnschlag« gegen eine Milizgruppe durchgeführt, die angeblich einen Angriff auf drusische Zivilisten in Südsyrien vorbereitete. Anschließend evakuierte die IDF drei verwundete Drusen aus dem Nachbarland über die Golanhöhen in israelische Krankenhäuser.

Am Samstag wurde ein Mann aus einem der syrischen Dörfer nach Israel evakuiert und in das Galilee Medical Center in Nahariya eingeliefert, nachdem er bei einem Fluchtversuch aus einem Kampfgebiet verwundet wurde. Der Mann, ein drusischer Geschäftsmann, habe sich bei einem Sprung aus etwa zwölf Metern Höhe verletzt. »Ich fühlte, mein Leben war in Gefahr. Ich musste springen«, sagte er anschließend.

Von seinem Krankenhausbett aus beschrieb er die Behandlung in Israel als »einen Kreis schließen« und fügte hinzu: »Mein Großvater ist hier aufgewachsen, und ich habe Familie im Dorf Rama. Das hervorragende medizinische Personal und meine Verwandten aus Rama umhüllen mich mit Liebe. Mir fehlen die Worte, um den Dank auszudrücken.«

Seine Evakuierung war Teil einer groß angelegten nächtlichen israelischen Operation in Suweida aus syrischer Seite. Hubschrauber der Luftwaffe sicherten dort die Bergung verwundeter drusischer Zivilisten. Gleichzeitig wurden humanitäre Hilfsgüter aus der Luft für die drusische Bevölkerung im Dschabal al-Druse, einer Bergregion im Süden Syriens, abgeworfen.

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