Psychologie

»Man sollte so ehrlich wie möglich sein«

Frau Ludman, Israel wird von der Hamas mit Raketen beschossen. Im gesamten Land gab es in den vergangenen Tagen Alarm. Wie erklären Eltern ihren Kindern diese Situation?
Das hängt vom Alter des Kindes ab. Eine Möglichkeit wäre zu sagen: »Es gibt gute und böse Menschen. Momentan versuchen einige der bösen Menschen, uns sehr wehzutun, und wir tun alles, was wir können, um sie daran zu hindern. In einen Schutzraum oder einen gesicherten Raum zu gehen, beschützt uns. Wir sind bei dir und passen auf dich auf.« Man sollte so ehrlich wie möglich sein, ohne das Kind zu ängstigen. Benutzen Sie eine einfache, aber klare Sprache und sagen Sie den Kindern, was sie hören müssen, um beruhigt zu werden, aber nicht mehr, als sie hören sollen.

Wie reagieren Kinder auf Alarm?
Auch das ist abhängig von Alter, Erfahrung und wie sehr Kinder dem Alarm ausgesetzt sind. Wichtig ist, dass der Erwachsene ruhig bleibt. Einige Kinder, die schon mehrmals Alarmsituationen erlebt haben, stumpfen mit der Zeit bis zu einem gewissen Grad ab. Das ganze Land ist nervös. Wir sind sehr belastbar und behalten unseren Sinn für Humor, aber auch wir spüren die Bedrohung. Wir versuchen, weiterzuleben und so zu tun, als ob alles normal wäre, aber das ist es nicht. Man sollte sein Angstlevel herunterfahren und keine Panik aufkommen lassen. Kindern empfehlen wir immer, langsam zu atmen, zu singen und zu sagen: »Mir geht es gut.« Das funktioniert.

Kinder, die beispielsweise in Sderot oder anderen südisraelischen Städten leben, haben in den vergangenen Jahren immer wieder Alarmsituationen erlebt. Wie gehen sie damit um?
Je größer die Konfrontation mit einem Alarm ist, desto ängstlicher können Kinder sein. Wie war es früher? Wie wurden Dinge damals gehandhabt, und wie sicher waren Kinder? Mit dem »Iron Dome« leben wir schon ein Stück weit sicherer, aber in 15 Sekunden zu einem Schutzraum zu rennen, ist ein grauenhaftes Erlebnis. Und der »Iron Dome« hilft denen, die so nah an Gaza leben, dass sogar ein Stein sie erreichen könnte, eher wenig.

Welche Symptome zeigen Kinder?

Sie haben Schlafprobleme, nässen ein, essen nicht, haben Angstzustände, Schul- und Familienprobleme, Kopfschmerzen, Magenprobleme und vieles mehr. Traurigerweise sind das keine ungewöhnlichen Reaktionen. Niemand sollte in einem Zustand konstanter Angst leben. Ältere Kinder nehmen bewusst Risiken in Kauf. Und Erwachsene fühlen sich oft unverletzbar und können auch sehr unbedacht sein: »Wir sind doch sicher, warum sollen wir in einen Schutzraum gehen?«

Wenn Eltern mit Kindern in einen solchen Schutzraum müssen, worauf sollten sie achten?
Der Raum sollte gemütlich und kinderfreundlich sein. Ein Teddy, Spiele, Papier und Stifte, ein Puzzle, ein paar Snacks und Wasser. Ganz nach Alter des Kindes und Aufenthaltsdauer. Es ist einfacher, einen Raum im Haus so herzurichten, als alles mit in den Hausflur zu nehmen.

Wenn kleine Kinder das erste Mal in einen Schutzraum müssen – was sollten Eltern anschließend tun?
Es ist traurig, aber eigentlich gibt es wenige Kinder, die noch nicht in einem Schutzraum waren. Eltern sollten die Situation während eines Aufenthalts in einem Schutzraum auswerten: War es okay? Was kann man machen, wenn man erneut hinein muss? Was kann die Situation erleichtern?

Wie gehen Sie persönlich damit um?
Ich versuche, es immer so einfach wie möglich zu halten. Wir machen Bilder. Am Wochenende zum Beispiel habe ich meine Tochter mit Shampoo auf den Haaren und einem Handtuch fotografiert. Wir müssen auf unsere Kinder aufpassen und ihnen helfen, Worte zu finden, mit denen sie ihre Gefühle ausdrücken können. In einem Schutzraum zu sein, sollte den Kindern Sicherheit vermitteln. Wir müssen stark sein, und wenn wir das unseren Kindern mitgeben, dann helfen wir ihnen dabei, mit dieser Situation umzugehen.

Mit der Psychologin sprach Katrin Richter.

Batya L. Ludman ist klinische Psychologin und hat an der Ferkauf Graduate School der Yeshiva University in New York promoviert. Sie arbeitet mit Kindern auf dem Gebiet der Stressbewältigung und befasst sich in ihrer alltäglichen Arbeit mit den Auswirkungen von Terror und Trauma. Batya L. Ludman lebt mit ihrer Familie in Ra’anana.

www.drbatyaludman.com

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