Israel

»Man muss wissen, dass für uns gekämpft wird«

Endlich in Freiheit: Daniella Gilboa, Liri Albag, Agam Berger, Karina Ariev und Naama Levy an einem Konzert im Beilinson-Krankenhaus in Petah Tikva am 4. Februar 2025. Foto: picture alliance

In einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen israelischen Radiosender Kan meldet sich die IDF-Späherin Agam Berger, die sich 482 Tage in Geiselhaft im Gazastreifen befand, zum ersten Mal seit ihrer Freilassung am 30. Januar zu Wort. Das bloße Wissen, dass in ihrem Namen ein Kampf geführt wurde, habe ihr und Liri Elbag, mit der sie zusammen festgehalten wurde, Hoffnung gegeben, selbst als sich die Umstände verschlechterten. »Es ist niemandes Schuld, dass er entführt wurde. Man muss wissen, dass für uns gekämpft wird.«

Das Gefühl, dass sie nicht vergessen wurden, dass die israelische Gesellschaft und ihre Familien alles Mögliche taten, um sie zurückzubringen, habe ihnen geistige Widerstandskraft gegeben. »Als wir in der Gefangenschaft von einem Geisel-Deal hörten, hatten wir das Gefühl, unser Leben sei nicht genug wert.« Allerdings hörten sie auch, wie hochrangige israelische Beamte sagten, man bereit sei, den Preis für einen Deal zu zahlen. »Das gab uns Zuversicht.«

Agam berichtete auch, dass sie und Liri Elbag während ihrer Gefangenschaft Radio hörten, was ihnen half. Nach der Rettung der vier Geiseln Shlomi Ziv, Andrei Kozlov, Almog Meir Jan und Noa Argamani durch IDF-Soldaten am 8. Juni 2024 änderte sich die Situation jedoch: »Man nahm uns die Möglichkeit, Radio zu hören.« Damit sei ihnen der Zugang zu Nachrichten größtenteils abgeschnitten worden.

Zur Bar Mizwa ihres Bruders wollte sie frei sein

Die lange Zeit in Gefangenschaft habe größte Gefühle der Verzweiflung hervorgerufen, erzählt die ehemalige Soldatin, die am 7. Oktober am Stützpunkt Nahal Oz überfallen, entführt und als Geisel genommen wurde. »Ich habe immer versucht zu glauben, dass wir am Ende freikommen. Ich hoffte, vor der Bar Mizwa meines Bruders freizukommen. Als das nicht geschah, war es schwer für mich.«

Sie hätten die Entführer gebeten, sie über mediale Kanäle mit der Außenwelt zu verbinden, »aber sie lehnten ab und sagten, sie würden uns informieren, wenn etwas passiert – doch das geschah nicht.«

Wir wussten nicht, was am 7. Oktober passiert war und wie es unbemerkt bleiben konnte.

Dank Zeitung das Geschehene erfahren

Im Januar 2024, so berichtet Agam Berger, haben sie von ihren Entführern Gegenstände erhalten, die die IDF im Gebiet zurückgelassen haben soll, darunter Karten, bei deren Interpretation Berger und Albag helfen sollten, was sie jedoch verweigerten. Sie erhielten auch ein jüdisches Gebetsbuch und eine Zeitung, die ihr »Antworten auf einige ungelöste Fragen« gegeben habe.

Berger führt aus: »Wir wussten nicht, was am 7. Oktober passiert war und wie es unbemerkt bleiben konnte. Das beschäftigte uns sehr. Durch die Zeitung konnten wir es ansatzweise verstehen. Es gab ein Interview mit Giora Eiland, der die Ereignisse vorhergesagt hatte, und wir erfuhren auch, dass Idan Amedi verletzt wurde – das war wie ein Gruß von zu Hause.«

Die Informationen, die Agam Berger während ihrer Gefangenschaft erhielt, insbesondere über Personen des öffentlichen Lebens wie Idan Amedi, halfen ihr, eine Verbindung zur Außenwelt aufrechtzuerhalten und gaben ihr Hoffnung in dieser äußerst schwierigen Situation.

Die Uhr, die half, die Zeit zu verfolgen

Agam Berger berichtet in diesem Interview auch über das Verhalten ihrer Entführer: »Einige waren lange bei uns, dann wurden sie ausgetauscht. Es hing sehr von der Zeit ab. Selbst wenn sie gut zu uns waren, stritten sie oft mit uns über Kleinigkeiten und wiesen uns zurecht.«

Sie erinnert sich, dass sie bereits im ersten Monat der Entführung eine Uhr mit Datumsanzeige hatten. »Anfangs waren wir mit Romi Gonen zusammen, die Antibiotika zu nehmen hatte. Man gab ihr eine Uhr, damit sie wusste, wann sie die Medikamente einnehmen sollte – und die Uhr blieb bei uns. In den letzten zwei Monaten wurde sie uns weggenommen; wenn wir die Zeit nicht wussten, mussten wir fragen.«

Kurz vor der Freilassung

»In der Zeit kurz vor der Freilassung haben wir gehört, dass über einen Deal gesprochen wurde, aber wir wussten nicht, ob er wirklich zustande kommt. Eines Tages hörten wir plötzlich Schüsse und verstanden nicht, was das zu bedeuten hatte.«

Am 24. Januar habe man Liri Albag schließlich gebeten, ein Video aufzunehmen. »Sie ging, um das Video zu machen, und ich wusste nicht, ob sie nach Hause geht. Schließlich wurde sie freigelassen.«

Danach wurde Agam Berger allein festgehalten: »Ich sagte mir, dass ich jetzt nach anderthalb Jahren allein hier bin und fragte mich: ›Gibt es einen Waffenstillstand? Gehe ich nach Hause?‹ Ich glaubte daran, aber es war überraschend, dass ich in zwei Tagen zu Hause sein würde. Es war seltsam. Ich dachte, es würde noch einen Monat dauern. Ich war froh und sagte meinem Entführer, dass ich die Letzte sei. Er verstand Hebräisch. Ich konnte vor Aufregung die ganze Nacht nicht schlafen.«

Ich tat, was ich konnte, und es war mir egal – Hauptsache, ich war frei

Man habe ihr schließlich die für die Freilassung typische grüne Uniform gegeben, aber ihr nicht erlaubt, persönlichen Gegenstände mitzunehmen. Sie und Liri hatten Notizbücher mit Zeichnungen und Geburtstagsgrüßen besessen. »Sie ließen uns nichts mitnehmen.«

Am Morgen des 30. Januars wurde sie in einen Hidschab gekleidet, den sie über der Uniform tragen musste. »Sie führten mich zwei Stunden herum, gaben mir ein ›Geschenk‹ und baten mich, Dankesvideos für sie aufzunehmen. In diesem Moment konnte ich ihnen nicht die Wahrheit ins Gesicht sagen. Ich tat, was ich konnte, und es war mir egal – Hauptsache, ich war frei«, erzählt sie rückblickend.

Der überfallene Stützpunkt

Die 20-jährige Agam Berger aus Holon diente am Stützpunkt Nahal Oz als IDF-Späherin und wurde zusammen mit sechs anderen Beobachterinnen von dem Außenposten entführt, an dem am 7. Oktober eine der schwersten Schlachten ausgetragen wurde, nachdem Dutzende Terroristen in das Territorium eingedrungen waren.

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Bezüglich des Versagens am Stützpunkt jenem Schabbatmorgen sagt sie außerdem: »Wir sprachen mit demjenigen, der dies untersuchte; er ist entschlossen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Es gibt Dinge, die ich weiß und gehört habe, und es gibt wirklich schlimme Dinge. Aber es ist wichtig, dass alles untersucht wird, nicht nur für mich, sondern für diejenigen, die an diesem Tag ihr Leben gaben, und damit diejenigen, die zur Rechenschaft gezogen werden müssen, auch zur Rechenschaft gezogen werden können.«

Abschließend im Interview betont die junge Frau: »Hört nicht auf, bis der letzte Entführte frei ist! Sowohl die Lebenden als auch die Gefallenen müssen zurückgebracht und beerdigt werden. Jede Familie muss diesen Kreis schließen können.«

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