Graffiti

Kunstmarkt in Jerusalem

Ständig checkt er sein Telefon. Aber Solomon Souza ist nicht abgelenkt, sondern hoch konzentriert. Mit flinker Hand führt er die Spraydosen über das Rolltor des abendlichen Mahane-Yehuda-Marktes im Zentrum von Jerusalem. Dicke rote Striche machen den Anfang auf dem metallenen Untergrund, es folgen Gelb und schließlich Schwarz. Souza schüttelt, sprayt und schaut immer wieder auf das Handy. Darauf leuchtet die Vorlage für sein neuestes Werk: Sophie Scholl, Widerstandskämpferin der Studentengruppe Weiße Rose gegen die Nazis. Souza sprayt in den Farben der deutschen Nationalflagge.

Der 22-Jährige ist Street-Artist mit Mission: Mit seinen Bildern will er den alten Jerusalemer Markt verschönern und gleichzeitig inspirieren. »Ich mag es einfach, Gesichter zu malen«, erzählt der gebürtige Londoner, während er eine Farbdose auf den Boden knallt, die partout nicht sprühen will. »Wir möchten, dass Leute, die vorbeispazieren, von den Bildern lernen und motiviert werden. Das geht natürlich am Besten, wenn eine persönliche Geschichte dahinter steht. Und zu diesen Gesichtern gehören ganz wahnsinnige Geschichten.«

Berel Hahn, der neben seinem Freund Souza steht, nickt. Er hatte die Idee zur Galerie im Schuk – wie der Markt auf Hebräisch genannt wird. Alle Menschen hinter den Porträts seien große Vorbilder für die beiden. Es gehe darum, ihre Inspiration mit Besuchern aus der ganzen Welt zu teilen, um für eine universelle Verständigung zu werben.

Pläne Wenn die Händler am Ende des geschäftigen Tages ihre Tore laut ratternd herunterlassen, kommen die Werke zum Vorschein. Die Porträts im Graffiti-Stil in knalligen Farben sind nicht zu übersehen. Hier leuchtet der legendäre Rambam, dort betrachtet Mahatma Gandhi die Vorbeilaufenden. Vor einer Bar an der Ecke lächelt die arabisch-israelische Nachrichtensprecherin Lucy Aharisch. Ein paar Meter weiter lässt sich ein junges Paar vor der einstigen israelischen Premierministerin Golda Meir fotografieren. Filmemacher Steven Spielberg ist nebenan. Und jetzt reiht sich auch die Deutsche Sophie Scholl in die Reihe der Porträts von Jerusalem.

»Weil sie so eine unglaubliche Inspiration ist«, sagt Hahn und zitiert einen Satz der Widerstandskämpferin. Der 26-Jährige hat große Pläne. Sein Traum ist ein regelmäßiges »Festival der Sinne« im Schuk. »Wir wollen einen Raum für Street-Art bieten, in dem es Musik, Essen, Gerüche und alles Mögliche sonst gibt. Eine Art audio-visuelles, multikulturelles jüdisches Festival, in dem sich Juden aller Couleur mit nichtjüdischen Besuchern treffen, um die Schönheit des Lebens zu feiern. Die Galerie ist erst der Anfang.«

Innerhalb weniger Monate verzierte Souza 140 Tore, porträtiert von dem Videokünstler Shlomo Weprin. Heute gibt es keine Gasse mehr, in der nicht mindestens eine Handvoll seiner Arbeiten die Marktstände ziert.

Ausgehen In den vergangenen Jahren mauserte sich der einst klassische Markt zur beliebtesten Ausgehmeile der Stadt. Die verschiedensten Restaurants, coole Bars mit Live-Musik, gemütliche Kneipen und schicke Weinbars öffnen ihre Türen, nachdem die Obst- und Gemüsehändler, die Fischläden und Gewürzverkäufer ihre Stände hochgeklappt haben.

Smartphone Nicht lange, nachdem die Sonne untergegangen ist, kommt auch Souza und macht die Tore zu seinen persönlichen Leinwänden. Rund ein Dutzend Spraydosen und sein Smartphone sind die einzigen Werkzeuge, die er dafür braucht. Mittlerweile hat er eine richtige Fangemeinde. Jeden Abend schauen ihm Leute zu, bleiben stehen, loben seine Bilder. An diesem Sonntag kommt ein Standbesitzer vorbei und klopft ihm auf die Schulter: »Hey, Soli, wann kommst du zu mir? Du findest mich am Ende der nächsten Straße. Ich lasse dir freie Hand, versprochen. Nur komm’ endlich!« Die überwiegende Mehrheit der Händler ist begeistert von dem Projekt und wünscht sich einen echten Souza am Stand. Souzas Mutter, die heute aus Safed zu Besuch bei ihrem Sohn ist, strahlt vor Stolz: »Solomons Großvater, Ethan Souza, war ein berühmter indischer Künstler. Und Soli tritt definitiv in seine Fußstapfen.«

Er selbst ist bescheiden. »Ich kann gar nicht fassen, was ich damit losgetreten habe«, sagt er, während er seine Unterschrift unter das Konterfei von Sophie Scholl setzt. »Ganz ehrlich, ich hätte nie gedacht, was für einen überwältigenden Effekt die Bilder haben würden.« Als der letzte Strich aus der Spraydose zischt, klatschen die Umstehenden. Souza lächelt schüchtern. »Daran muss ich mich erst einmal gewöhnen.«

www.israelvideonetwork.com/the-shuk-gallery

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