Kooperation

Künstlicher Schnee, echter Frieden

Wer möchte schon Urlaub in Jenin machen? Ist es im angrenzenden israelischen Landkreis Gilboa noch ge-
fährlich? Solche Fragen nehmen der Palästinenser Kadoura Mousa und der Israeli Dani Atar inzwischen gelassen. Seit mehreren Jahren arbeitet dieses ungewöhnliche Duo – der Bürgermeister von Jenin und der Landrat von Gilboa – eng zusammen, um nach Jahren des Terrors durch die Schaffung von Arbeitsplätzen Ruhe in ihren Grenzregionen zu bewahren. Ihre neueste Initiative ist ein gemeinsames Tourismus-Programm, das sie auf der Internationalen Tourismus Börse (ITB) in Berlin präsentieren. »Überall auf der Welt verbindet man Israelis und Palästinenser in erster Linie mit Krieg und Terror«, sagt Atar. »Tourismus klingt wie ein völliger Widerspruch. Wir wollen der Welt klarmachen, dass hier eine neue Realität entsteht. Wir bieten gemeinsame Touren an, bei denen man hier unendlich viel Spaß haben kann«.

Skipiste Eine Tour kann zum Beispiel im Kibbuz En Charod Ichud beginnen. Im Garten der Holzvillen wachsen Rosmarin, Salbei und Geranien. Auf diesem Hügel führte einst König Saul den letzten Kampf Israels gegen die Philister, bei dem sein Sohn Jonathan fiel. Saul stürzte sich dort in sein eigenes Schwert, um nicht lebend in die Hände der Feinde zu fallen. Ganz modern wirkt hingegen die erste künstliche Skipiste im Heiligen Land. Auf einer 80-Meter-Strecke können Ski- und Snowboardfahrer den kurzen Hang herrunterrutschen, mit Blick auf Felder, Oliven- und Zypressenbäume. Eine 240-Meter-Piste mit dazugehörendem Skilift wird in Kürze eröffnet. »Es fühlt sich fast an wie auf echtem Schnee«, versichert Geschäftsführer Boaz Kaniel. Bisher wendet sich »Ski am Gilboa« vor allem an Kinder und Jugendliche aus den umliegenden Kibbuzim. Bald sollen sich hier auch der Nachwuchs aus Jenin vergnügen.

Übergang Der Weg der Touristen nach Jenin gestaltet sich viel zügiger. Die Busse mit jüdisch-amerikanischen Funktionären brauchten nur drei Minuten für die Abfertigung, erzählt Atar mit Stolz. Dank seiner guten Verbindungen zu Verteidigungsminister Ehud Barak dürfen inzwischen auch arabische Israelis die Grenze passieren, die gern in Jenin einkaufen und dort die Wirtschaft ankurbeln. Die Straße, die zur Zeit mit deutschen Mitteln erweitert wird, führt zum kleinen Dorf Burkin bei Jenin. Hier befindet sich die byzantinische St.-Georg-Kirche, die fünftälteste der Welt. Auf dem Markt von Jenin preisen die Ladenbesitzer ihre preiswerten Haushaltswaren, Spielzeuge und Schuhe. Ein Kind trägt auf seinem Kopf ein großes rundes Tablett mit glasierten Äpfeln. Arabische Israelis flanieren auf der Suche nach Imitationen von Markenware. Es duftet überall nach Gewürzen und Gegrilltem.

Die palästinensischen Sicherheitskräfte zeigen ihre Präsenz im Zentrum, wo Gouverneur Kadoura Mousa in einem massiven neuen Steingebäude regiert. An der Fassade hängt ein übergroßes Porträt des Präsidenten Mahmud Abbas. Weiße Marmortreppen führen zu Mousas geräumigem Büro. Er wolle Touristen aus aller Welt empfangen, sagt er. »Ich habe von meinem Präsidenten klare Anweisungen, den Frieden in meiner Region zu realisieren, aber ohne Besatzung und Siedlungen, ohne eine israelische Kontrolle des Grenzüberganges«. Dann bedankt er sich beim deutschen Steuerzahler für die Hilfe, die Straße zum Kontrollposten auf vier Spuren zu erweitern.

Industriepark Denn auf beiden Seiten der Grenze soll ein großer Industriepark entstehen, ebenfalls mit deutscher Hilfe, wo Palästinenser auf ihrem Gebiet arbeiten werden. Auf der israelischen Seite werden die Rohstoffe und Endprodukte für den Export gelagert. Weil dieses Projekt, an dem tausende Palästinenser und Israelis Arbeit finden können, sich nur schleppend entwickelt, wollen Atar und Mousa mit anderen Projekten vorankommen. So werden in Jenin und Gilboa zwei Zentren für Kultur und Sprachen geplant. Lehrer aus Jenin sollen im Gilboa-Gebiet und Lehrer aus Gilboa in Jenin fünf Sprachen unterrichten: Hebräisch, Arabisch, Englisch, Deutsch und Spanisch. Gemeinsam wollen die israelischen und palästinensischen Nachbarn auch den Fluss Kishon reinigen, der in der Nähe von Jenin beginnt, und durch das Gilboa-Gebiet bis zum Mittelmeer fließt.

Atar und Mousa werden am gemeinsamen ITB-Stand die Projekte vorstellen. Der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel hat seinen Besuch angekündigt. Er hat ihre Initiative gerade vor dem Hintergrund des stockenden Friedensprozesses als wichtiges Signal für eine künftige Friedenslösung gelobt.

Stimmen aus Israel

»Israelis sind Weltmeister darin, an der Normalität festzuhalten«

Wie ist die Stimmung im Land, nachdem Israel in der Nacht auf den beispiellosen Angriff des Iran reagiert hat? Sechs Stimmen.

von Sophie Albers Ben Chamo  19.04.2024

Luftfahrt

Lufthansa und Swiss stellen Flüge nach Israel ein

Die Hintergründe

 19.04.2024

Brüssel

EU verhängt Sanktionen gegen vier israelische Siedler

Dies bestätigten Diplomaten gegenüber der Deutschen Presse-Agentur

 19.04.2024 Aktualisiert

Gaza-Krieg

Mehr als 7200 israelische Soldaten in Gaza-Krieg verwundet

Rund ein Drittel der bei dem Militäreinsatz gegen die Hamas verletzten Soldaten kämpfen mit psychischen Problemen

 19.04.2024

Nahost

Angriff wird im Iran heruntergespielt

Das Mullah-Regime bezeichnete Berichte über den Angriff auf die Luftwaffenbasis als Propaganda

von Sabine Brandes  19.04.2024

Berlin/Jerusalem

Hunger-Streit zwischen Baerbock und Netanjahu

Der Ministerpräsident und die Außenministerium sollen sich über die Lage in Gaza gestritten haben

 19.04.2024

Nahost

Keine Berichte über Schäden nach Angriff im Iran

Mehrere Flugobjekte am Himmel von Isfahan seien abgeschossen worden, erklärt das Mullah-Regime

 19.04.2024

Nahost

Griff Israel den Iran von innen heraus an?

Lesen Sie alle aktuellen Entwicklungen hier

 19.04.2024 Aktualisiert

Nahost

US-Sender: Israelische Reaktion auf Iran nicht vor Monatsende

Kommt die Antwort des jüdischen Staates nach Pessach?

 18.04.2024