Nahost

Kontroverse um neue Stiftung für Gaza-Hilfe

Lastwagen werden am 19. Mai auf israelischer Seite der Grenze mit Hilfsgütern beladen. Foto: Flash 90

Wer steckt hinter der Gaza Humanitarian Foundation (GHF), die von nun an die humanitäre Hilfe in der vom Krieg gebeutelten Enklave sichern soll? Diese Frage bestimmt am Wochenbeginn die israelischen Schlagzeilen. Ein als neutral bezeichnetes und von amerikanischen Auftragnehmern geleitetes Hilfsprojekt für den Gazastreifen sei stattdessen von Israelis ins Leben gerufen worden, darunter Geschäftsleute mit Verbindungen zur Regierung in Jerusalem, berichtete die New York Times.

Am Montagmorgen verkündete das Büro von Premierminister Benjamin Netanjahu, dass die GHF die Verteilung der Hilfe in Gaza aufgenommen habe. Ein Lebensmittelverteilungszentrum sei in Rafah eröffnet worden, Teil eines umfassenderen Plans zur Einrichtung humanitärer Hilfszentren im gesamten Gebiet, wie israelische Beamte mitteilten. Drei weitere Zentren sollen in den nächsten Wochen dazukommen.

Israel hatte am 2. März die Hilfslieferungen in den Streifen gestoppt. Die Regierung in Jerusalem argumentierte, dass damit Druck auf die Hamas ausgeübt werden solle, die sich weiterhin weigert, 58 Geiseln freizulassen, die seit fast 600 Tagen in ihrer Gewalt sind. Außerdem zweigte die Hamas den Großteil der Hilfslieferungen für sich selbst ab oder verkaufte sie zu horrenden Preisen auf dem Schwarzmarkt an die notleidende palästinensische Bevölkerung. Um die Terrorgruppe von den Lieferungen fernzuhalten, sollte ein neues Modell für die Verteilung eingesetzt werden: die Gaza Humanitarian Foundation (GHF).

Es soll direkt an die Bevölkerung in Gaza geliefert werden

Die Stiftung arbeite nach dem Prinzip, dass direkt an die Bevölkerung geliefert wird und nicht an die Hamas, erklärte der Generalsekretär im israelischen Außenministerium, Eden Bar Tal, in der vergangenen Woche vor Reportern. Sie werde von den USA geleitet und werde die Hilfsgüter »in mehreren Verteilungszentren in sicheren Gebieten Gazas verteilen. Das israelische Militär werde sich nicht an der Verteilung beteiligen, sondern lediglich den Umkreis sichern«, erläuterte Bar Tal. Israel unterstütze diesen Plan »voll und ganz«, hob er hervor.

Doch nur wenige Tage später ist um die GHF eine Kontroverse entbrannt. Nachdem nicht transparent wurde, wer die Geldgeber sind, trat Jake Wood, der US-amerikanische Geschäftsführer der Stiftung, zurück. »Es ist klar, dass der Hilfsplan nicht umgesetzt werden kann, während die Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit gewahrt bleiben – Prinzipien, bei denen ich keine Kompromisse eingehen möchte«, so Wood in seinem Rücktrittsschreiben.

Wood ist ein ehemaliger Leiter humanitärer Operationen und Angehöriger der US-Marines. In seinem Schreiben drängte er Israel dazu, »die Hilfslieferungen nach Gaza mit allen verfügbaren Mitteln deutlich auszuweiten«. Er rief auch die internationale Gemeinschaft auf, »weiter innovative Methoden der Hilfslieferung zu erforschen, ohne Verzögerung, Korruption oder Diskriminierung«.

Zuvor hatte die New York Times geschrieben, dass Israel das Projekt nicht nur unterstütze, sondern dass es eine »israelische Idee« gewesen sei, an der auch Reservisten und Wirtschaftsführer beteiligt seien.

Oppositionsführer Lapid: »Wenn unsere Steuergelder humanitäre Hilfe für Gaza finanzieren, dann lasst uns international davon profitieren, indem wir es öffentlich machen.«

Zur weiteren Verwirrung trägt bei, dass mindestens zwei weitere Organisationen namens Gaza Humanitarian Foundation existieren, eine in den USA und eine in der Schweiz. TRIAL International, eine Schweizer Nichtregierungsorganisation, hat daher die Schweizer Behörden ersucht, die in Genf ansässige GHF zu untersuchen, um festzustellen, ob sie Schweizer Recht und internationale humanitäre Standards einhält.

Trotz der Kontroverse erklärten israelische Beamte, das Lebensmittelverteilungsnetz werde wie geplant weiter ausgebaut, »mit logistischer Unterstützung und Koordination durch internationale und lokale Organisationen«. Hilfsorganisationen und die UN weigern sich, an der neuen Initiative mitzuwirken. Sie bemängeln, dass sie zu noch mehr Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung führen, den Bedarf nicht decken und gegen den Grundsatz verstoßen würde, die es einer Kriegspartei verbietet, humanitäre Hilfe zu kontrollieren.

Am Nachmittag fragte Oppositionsführer Yair Lapid vom Podium der Knesset: »Steckt der Staat Israel hinter zwei in der Schweiz und den USA gegründeten Briefkastenfirmen, die humanitäre Hilfe in Gaza organisieren und finanzieren?« Ob es sein könne, dass die israelischen Sicherheitsdienste vom Premier- und Finanzminister entsandt wurden, um israelische Gelder ins Ausland zu transferieren, damit sie als humanitäre Hilfe nach Gaza zurückkehren, wollte Lapid wissen.

»Unabhängigkeit« sei Schlüsselwort

Er bezog sich auch auf den Rücktritt von Wood: »Er sagte, es sei ›klar, dass dieses Programm nicht unter strikter Einhaltung der Prinzipien von Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit umgesetzt werden kann‹. Das Schlüsselwort hier ist ›Unabhängigkeit‹«, so der Oppositionsführer weiter. »Jake Wood wusste, dass er manipuliert wurde. Die große Frage ist, ob nicht auch wir manipuliert werden. Wenn dieses Geld aus Israel stammt, wenn es aus der Staatskasse kommt, darf der Staat es nicht verheimlichen.«

»Wenn unsere Steuergelder humanitäre Hilfe und Lebensmittel und Medikamente für Kinder in Gaza finanzieren, dann lasst uns international davon profitieren, indem wir es öffentlich machen«, resümierte Lapid.

Netanjahus Sprecher Omer Dostri jedoch dementierte umgehend: »Israel finanziert die humanitäre Hilfe für den Gazastreifen nicht. Israel und die Vereinigten Staaten arbeiten eng koordiniert und über verschiedene Kanäle daran, die Hamas von den gelieferten Hilfsgütern abzuschneiden.«

Nach Angaben von Cogat, der Koordinierungsstelle für der Regierungsaktivitäten in den Palästinensergebieten, sind im Mai bislang 388 Lastwagen-Lieferungen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen gefahren worden (Stand 26.5.).

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