Pro & Contra

Ist Trumps Golan-Erklärung gut für Israel?

Israels Premier Benjamin Netanjahu und US-Präsident Donald Trump bei einem Treffen im Weißen Haus in Washington am Montag Foto: Getty Images

PRO – Arye Sharuz Shalicar: 52 Jahre nach der Eroberung des Territoriums müssen Fakten geschaffen werden.

Es ist jetzt fast 52 Jahre her, dass Israel im Sechstagekrieg 1967 die Golanhöhen von Syrien erobert hat. 1981 hat Israel beschlossen, israelisches Recht auf diesem Gebiet anzuwenden. Nun hat US-Präsident Donald Trump das Hochplateau formell als israelisches Staatsgebiet anerkannt. Das finde ich richtig. Nach so vielen Jahren ist es Zeit, die Realität anzuerkennen und Fakten zu schaffen. In Syrien und in den Beziehungen zwischen Israel und Syrien hat sich seit 1967 sehr vieles verändert. Und aus israelischer Sicht ist völlig klar, dass die Golanhöhen mittlerweile ein integraler Teil Israels geworden sind.

Wenn vor zehn, 20 oder 30 Jahren von syrischer Seite wirklich eine Hand zu einem Friedensabkommen gereicht worden wäre – ähnlich wie aus Ägypten von Staatspräsident Anwar al-Sadat vor mehr als 40 Jahren –, und wenn Syrien im Gegenzug für die Rückgabe der Golanhöhen einen echten Frieden angeboten hätte, dann kann ich mir vorstellen, dass in Israel darüber eine intensive Diskussion entbrannt wäre.

Massenmörder Aber es gab von syrischer Seite keinen solchen Schritt. Also gibt es leider bis heute niemanden, mit dem wir über Frieden reden können. Syrien ist nach wie vor unser Feind, und die Golanhöhen sind für unsere Verteidigung wichtig. Zudem tobt seit acht Jahren in Syrien ein schrecklicher Bürgerkrieg. Der syrische Machthaber Baschar al-Assad hat Menschen vergasen lassen, er schreckt vor nichts zurück, um an der Macht zu bleiben. Etwa 500.000 Menschen wurden in diesem Krieg getötet, und zwölf Millionen sind auf der Flucht – die Hälfte in Syrien, die andere Hälfte außerhalb. An wen sollte man die Golanhöhen zurückgeben, an einen Massenmörder?

»Es gibt leider bis heute niemanden, mit dem wir über Frieden reden können. Syrien ist nach wie vor unser Feind.« Arye Sharuz Shalicar

Donald Trump hat in den vergangenen zwei Jahren mehrere Schritte unternommen, die aus israelischer Sicht sehr positiv gewertet wurden. Er hat Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkannt und Schritte eingeleitet, um die US-Botschaft aus Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Vor allem aber haben die USA das Iran-Abkommen gekündigt und die Sanktionen gegen das iranische Regime wiedereingeführt.

Es wirkt ganz so, als ob Trump, der an einem umfassenden Nahost-Friedensplan arbeitet, Fakten schaffen will, um ein klares Abkommen mit so wenig Diskussionspunkten wie möglich voranzubringen. Assad ist von Trumps Golan-Erklärung natürlich weniger begeistert als Benjamin Netanjahu. Aber Netanjahu ist Ministerpräsident eines demokratischen Landes, das Frieden will, und Assad Machthaber einer brutalen Diktatur.

Milizen Die USA sind unser wichtigster strategischer Partner, und Trump ist ein großer Unterstützer unserer Sicherheitsinteressen. Nur Druck auf das iranische Regime wird den Iran daran hindern, weiter an der Atombombe zu bauen und Geld in Terrororganisationen fließen zu lassen. Insofern ist Trumps Golan-Statement auch eine Ansage an den Iran, der die Hisbollah unterstützt, die wiederum ihren Einfluss in Syrien ausbauen will. Bereits mehrmals hat sich gezeigt, dass iranische Milizen auf der syrischen Seite der Golanhöhen versuchen, eine neue Front gegen Israel aufzumachen. Das alles natürlich mit Remote Control aus Teheran.

Im Nahen Osten gibt es ein Phänomen, das man in Europa nicht immer versteht. Jeder Meter, der hier frei wird, wird potenziell von Terroristen übernommen. Im Hinblick auf die Golanhöhen macht es also Sinn, Fakten zu schaffen.

Dass Trumps Schritt von Saudi-Arabien, Bahrain und anderen arabischen Staaten kritisiert wird, war zu erwarten. Hinter verschlossenen Türen sprechen Vertreter arabischer Staaten aber manchmal mit einer ganz anderen Stimme. Die Beziehungen zwischen Israel und der arabischen Welt, auch mit Ländern am Golf, sind definitiv viel besser als noch vor mehreren Jahren. Es gibt gemeinsame Wirtschaftsinteressen und auch Sicherheitsinteressen gegenüber dem Iran und seinen schiitischen Verbündeten in der Region. Assad wird dabei selbstverständlich als Verbündeter des Iran und der Hisbollah wahrgenommen. Und diese gelten in der arabischen Welt als Konkurrenz und als Feind.

Iran Die Frage, ob es in Zukunft eine syrische Regierung geben könnte, unter deren Führung Israel die Golanhöhen an Syrien zurückgibt, stellt sich aus meiner Sicht nicht. Es sieht eher danach aus, dass Assad seine Macht wieder ausbaut. Syrien hätte in den vergangenen Jahren durchaus einen Schritt in Richtung Israel machen können. Stattdessen hat es dem Iran die Türen geöffnet und lässt zu, dass die Iraner ihre Truppen, ihre Milizen und ihre Waffen ins Land bringen.

Dass Syrien in Zukunft von irgendeiner Friedenspartei übernommen wird, die Israel die Hand ausstreckt, halte ich für unwahrscheinlich. Willkommen in der Realität: Seit der Eroberung der Golanhöhen durch Israel sind 52 Jahre vergangen. Und Fakten zu schaffen, hat auch eine positive Auswirkung auf Europa, denn je mehr Gebiete im Nahen Osten stabil sind, umso weniger Vertreibung und Flucht wird es geben.

Der Autor ist Publizist, Abteilungsleiter im Nachrichtendienstministerium im Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Berater des Außenministers Israel Katz.

 

CONTRA – Yossi Torfstein: Die Proklamation wird einen Frieden zwischen Israel und Syrien erschweren.

Ich halte die Erklärung von Donald Trump zur israelischen Souveränität über die Golanhöhen für schädlich, weil sie einen zukünftigen Friedensprozess zwischen Israel und Syrien erschweren könnte. Es ist richtig, dass ein solcher Prozess unter dem Regime von Baschar al-Assad und mit der Präsenz des Iran und der Präsenz der Hisbollah in Syrien nicht in Sicht ist. Aber niemand kann voraussagen, was in fünf oder zehn Jahren sein wird. Prinzipiell könnte eine Friedensregelung mit Syrien Israel nützen, während die Feindschaft zwischen beiden Staaten nicht in Israels Interesse liegt.

Wahlkampf Donald Trumps Schritt, die Golanhöhen als israelisches Gebiet anzuerkennen, wird diejenigen in Israel stärken, die nicht an einem Frieden mit Syrien interessiert sind, wenn der Preis dafür die Rückgabe des Hochplateaus ist. Die Proklamation des US-Präsidenten ist ein Backup für die israelische Regierung im Wahlkampf – am 9. April wird die Knesset in Jerusalem neu gewählt. Der Zeitpunkt der Proklamation sagt alles.

Aber auch die Schritte, die Trump in den vergangenen beiden Jahren unternommen hat, sind eine Unterstützung für den Kurs der Netanjahu-Regierung: der Rückzug aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran, die Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran und die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem. Dass die israelische Souveränität auf dem Golan durch die US-Regierung anerkannt wird, könnte von rechten Kreisen in Israel als Präzedenzfall für das Westjor­danland angesehen werden – und als Begründung, nicht zu einem Abkommen mit den Palästinensern zu gelangen.

»Trumps Schritt ist kontraproduktiv und könnte eine Rückkehr an den Verhandlungstisch behindern, wenn die Zeit dafür reif ist.« Yossi Torfstein

Übrigens wurde im israelischen »Golan-Gesetz« von 1981 das Hochplateau nicht offiziell annektiert, sondern es wurde die Anwendung des israelischen Rechts auf den Golanhöhen beschlossen. De facto war es eine Annexion, man nannte es aber nicht so. Die Tür zu Verhandlungen mit Syrien wurde also nicht geschlossen. Und es gab tatsächlich mehrere Verhandlungsrunden mit Syrien, zuerst 1991 bei der Konferenz von Madrid, danach unter Israels Ministerpräsident Yitzhak Rabin durch Vermittlung des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton, und auch Benjamin Netanjahu hat in seiner ersten Amtszeit Ende der 90er-Jahre geheime Treffen mit Syrien unterhalten, durch Vermittlung von Ronald Lauder. Auch in Netanjahus zweiter Amtszeit gab es entsprechende Versuche.

 See Genezareth Alle Verhandlungen sind gescheitert, weil die Syrer eine harte Haltung in den zentralen Fragen an den Tag legten. Es ging darum, wo die Grenze verlaufen sollte – die Syrer wollten am Ufer des Sees Genezareth sitzen, der Waffenstillstandslinie des 4. Juni –, und um den zukünftigen Charakter der Beziehungen zwischen beiden Staaten. Die Syrer waren nicht zu einer vollständigen Normalisierung bereit.

Und natürlich konnte Israel nicht auf diese Bedingungen eingehen, denn wir haben das strategische Interesse, zu verhindern, dass Syrien an die Wasserquellen des Sees Genezareth und des Jordan gelangt. Syrien hat in Friedensverhandlungen immer einen Zugang zum Wasser und im Prinzip die Dominanz über die Hälfte des Sees Genezareth verlangt – mit der Behauptung, dies sei eine Wasserquelle, die zwischen beiden Staaten liege. Israel dagegen will die Wasserversorgung seiner Bevölkerung sicherstellen.

Aber auch eine syrische Herrschaft über die Wasserquellen, die Flüsse, die Wasser in den Genezareth fließen lassen, könnte Israel schwer beeinträchtigen. Bis 1967 gab es zudem zahlreiche Grenzvorfälle und Beschüsse israelischer Siedlungen vom Hochplateau aus.

Golan-Gesetz Werfen wir noch einmal einen Blick zurück: 1981 war US-Präsident Ronald Reagan empört über den Schritt unter der Regierung von Menachem Begin, israelisches Recht auf dem Golan anzuwenden. Die traditionelle Politik der USA vor Donald Trump war, dass es im Nahost-Konflikt keine einseitigen Schritte wie Annexionen geben darf, sondern dass Regelungen in Verhandlungen erreicht werden müssen, im gegenseitigen Einverständnis. Diese Meinung herrscht international weiter vor. Doch Trump hat die amerikanische Politik geändert.

Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich keinen Sinn darin, darauf zu vertrauen, dass sich Syrien bei einer Rückgabe des Golan anders verhalten wird als vor 1967. Dennoch finde ich Trumps Proklamation kontraproduktiv. Er bestätigt zwar nur einen Zustand, der de facto schon besteht, aber er behindert womöglich eine Rückkehr an den Verhandlungstisch, wenn die Zeit reif ist.

Auf lange Sicht brauchen wir Frieden mit unseren Nachbarn. Und die Anerkennung Trumps der Souveränität Israels über das Gebiet wird es beiden Seiten schwer machen, jemals wieder zu echten Verhandlungen zu kommen. Denn in Israel entsteht der Eindruck, wir haben ja jetzt den Golan und brauchen uns nicht mehr anzustrengen. Syrien hingegen wird dieser Schritt zum Krieg gegen Israel und zum Kampf gegen die Anerkennung der israelischen Souveränität auf dem Golan durch die USA anstacheln.

Der Autor ist politischer Analyst für Nahost-Fragen. Er war Journalist bei den Zeitungen »Haaretz«, »Davar« und »Makor Rischon« sowie stellvertretender israelischer Botschafter in Südafrika.

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