Israels Armee stößt im Süden des Gazastreifens weiter vor und hat einem Medienbericht zufolge Ziele im Raum Khan Junis unter Beschuss genommen. Die »Times of Israel« zitierte in der Nacht zum Dienstag palästinensische Berichte, wonach es intensive Angriffe der israelischen Streitkräfte in der größten Stadt des südlichen Teils des abgeriegelten Küstengebiets gebe.
Zuvor seien Dutzende israelischer Panzer in den Süden Gazas vorgestoßen und nahe Khan Junis gesichtet worden. Augenzeugen hätten auch gepanzerte Mannschaftstransporter und Planierraupen gesehen, hieß es weiter.
Unterdessen gab es an der Grenze zum Gazastreifen auf israelischer Seite erneut Raketenalarm. Wie die israelische Armee am Dienstagmorgen meldete, heulten erneut die Sirenen. Israels Truppen bekämpfen die Hamas zwar nun auch verstärkt im Süden des Gazastreifens, doch ist der seit Wochen andauernde Einsatz gegen die Hamas im Norden des Küstengebiets noch nicht beendet.
Gute Fortschritte
»Wir haben sie im Norden noch nicht vollständig militärisch besiegt, aber wir haben gute Fortschritte gemacht«, hatte ein Armeesprecher am Vortag gesagt. Vor einigen Wochen hatte es geheißen, die Terrororganisation habe die Kontrolle über den Norden des Gazastreifens verloren.
Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie ähnlicher Organisationen Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt haben. Auf israelischer Seite wurden 1200 Menschen ermordet und 240 verschleppt.
Wachsende Kritik
Nach der Ausweitung des israelischen Militäreinsatzes gegen die Hamas auf den Süden des abgeriegelten Küstengebiets wächst angesichts des Leids der Zivilbevölkerung die Kritik am Vorgehen der Armee. UNO-Unterorganisationen sprechen im Süden von »Horror« und »unerträglichem Leid der Zivilbevölkerung«.
Tatsächlich ist die Hamas für das Leid in Israel und Gaza verantwortlich. Seit 2007 griff die palästinensische Terrorgruppe Israel regelmäßig an. Der Terror gipfelte in dem Großangriff am 7. Oktober. Weiterhin hält die Hamas 136 Geiseln, die sie jederzeit freilassen könnte, wenn sie eine neue Waffenruhe wollte. Die Terrorgruppe gefährdet damit auch die Bewohner des Gazastreifens, von denen die meisten weder nach Ägypten noch nach Israel ausreisen können und von denen Hunderttausende zu Binnenflüchtlingen wurden.
Derweil können zwei Krankenhäuser im Süden nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen den Zustrom von Patienten kaum mehr bewältigen. Vor allem das Al-Aksa-Krankenhaus sowie das Nasser-Krankenhaus seien betroffen, teilte die Organisation mit.
Kein Totalausfall der Kommunikation
Ein israelischer Armeesprecher dementierte unterdessen einen erneuten Totalausfall der Telekommunikationsdienste in dem Küstenstreifen. Er selbst habe Live-Übertragungen palästinensischer Propaganda-Leute auf TikTok gesehen, sagte Armeesprecher Jonathan Conricus dem US-Sender CNN in der Nacht zum Dienstag. Die Netzwerke seien vielleicht nicht perfekt, aber einen vom palästinensischen Unternehmen Paltel zuvor gemeldeten Blackout in Gaza gebe es nicht, sagte der Armeesprecher.
Die israelische Armee hat eine Evakuierungskarte aktiviert, die den Gazastreifen in Hunderte kleiner Zonen unterteilt, um die Zivilisten über Kampfzonen zu informieren. Kritiker beklagen jedoch, dass die Menschen vielfach weder Strom noch Internet hätten, um sich die Karte anzusehen. Viele wüssten auch nicht, wie sie mit ihr umgehen sollten.
Informationen zu Geiseln
Der Armeesprecher sagte unterdessen, man habe nachrichtendienstliche Hinweise zum Verbleib der noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. Auf die Frage, ob das Militär Informationen habe, wo sich die Geiseln befinden könnten, sagte Conricus: »Ja, haben wir«. Nähere Angaben könne er nicht machen.
Israel geht davon aus, dass noch 136 Geiseln festgehalten werden. Unter ihnen sind laut Verteidigungsminister Joav Galant 15 Frauen und zwei Kinder. Vergangene Woche wurden während einer Feuerpause 105 Geiseln im Austausch gegen 240 palästinensische Gefängnisinsassen freigelassen.
Die Hamas will nach eigenen Angaben Verhandlungen über die Freilassung weiterer Geiseln erst nach Ende des Kriegs fortsetzen. Man wolle alle Geiseln zurückholen, sagte der israelische Armeesprecher Conricus in der Nacht zum Dienstag. Falls dies nicht durch Verhandlungen möglich sei, werde man andere Mittel anwenden. Israel geht davon aus, dass die Terroristen bestimmte Geiseln - darunter junge Frauen - trotz des militärischen Drucks nicht freilassen wollen, da sie der Welt sonst ihre Erlebnisse in der Geiselhaft erzählen könnten.
Flutung der Tunnel
Israel hat dem »Wall Street Journal« zufolge ein System aus großen Pumpen zusammengebaut, mit denen es das ausgedehnte Tunnelnetz der Hamas unter dem Gazastreifen mit Meerwasser fluten könnte. Eine Entscheidung darüber, ob diese Taktik angewendet wird, wurde noch nicht getroffen.
Israels Militär hat indessen in Reaktion auf Beschuss aus dem Libanon Stellungen der dortigen Hisbollah-Miliz angegriffen. Wie die israelische Armee in der Nacht zum Dienstag mitteilte, hätten Kampfflugzeuge kurz zuvor Raketenstellungen der vom Iran unterstützten Schiiten-Miliz getroffen.
Auch die Terrorinfrastruktur und ein Militärgelände seien unter Feuer genommen worden. Man habe auf Beschüsse aus dem Libanon auf Ziele in Israel vom Vortag reagiert. Seit Beginn des Gaza-Krieges kommt es immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und Terrororganisationen wie der Hisbollah in der Grenzregion zum Libanon - der zweiten Front. dpa/ja