Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat im Gaza-Krieg ein baldiges Ende der intensiven Kampfphase angekündigt, will den Krieg aber erst mit der Zerschlagung der islamistischen Hamas beenden. Das sagte der Regierungschef am Sonntagabend im israelischen Fernsehsender Channel 14.
Auf die Frage, ob er nach Ende der intensiven Kampfphase bereit sei, mit der Hamas eine Vereinbarung zu treffen, die eine Verpflichtung zur Beendigung des Krieges darstellen würde, antwortete Netanjahu mit Nein. Er sei zu einer vorübergehenden Waffenruhe im Gegenzug für die Freilassung einiger Geiseln bereit.
Danach aber müssten die Kämpfe weitergehen, bis die palästinensische Terrororganisation Hamas zerstört sei. Netanjahus Äußerungen bei dem seltenen Live-Auftritt vor heimischem Publikum lösten laut israelischen Medienberichten Wirbel aus.
Klarstellung aus dem Büro
Gleich darauf sah sich das Büro des Ministerpräsidenten zu einer Klarstellung veranlasst: »Es ist die Hamas, die ein Abkommen ablehnt, nicht Israel«, hieß es am Abend in einer knappen Mitteilung. Netanjahu habe deutlich gemacht, »dass wir Gaza nicht verlassen werden, bis wir alle 120 unserer Geiseln, lebende und verstorbene, zurückgebracht haben«, hieß es weiter.
Tatsächlich ist es die Hamas, die sämtliche Kriege mit Israel begann und alle Waffenstillstandsvereinbarungen brach. Hinzu kommt: Die Terrorgruppe will Israel erklärtermaßen vernichten und hat bereits weitere Massaker im Stil des 7. Oktober angekündigt. Israel will dies verhindern, die Hamas kampfunfähig machen und die mehr als 100 von den Palästinensern festgehaltenen Geiseln befreien.
Ende Mai hatte US-Präsident Joe Biden einen dreistufigen Plan für eine Waffenruhe vorgestellt. Dieser sieht vor, dass eine vorübergehende Feuerpause eingehalten wird und währenddessen einige der Geiseln freikommen. In einer zweiten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln auf freien Fuß kommen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.
Truppenverlegung nach Norden
Nachdem die intensive Phase im Gaza-Krieg beendet sei, werde man die Möglichkeit haben, einen Teil der Truppen nach Norden zu verlegen, sagte Netanjahu. Dort greift die Hisbollah, eine weitere vom Iran finanzierte Terrororganisation, Israel täglich an. Die Streitkräfte (IDF) reagieren auf die Attacken.
Israel will durch diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Hisbollah hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es eine UN-Resolution vorsieht. Notfalls sei Israel aber auch zu einem größeren Militäreinsatz bereit, warnte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant.
Vor seiner Abreise in die USA bekräftigte Galant, sein Land sei »auf jeden Einsatz vorbereitet, der erforderlich sein könnte, im Gazastreifen, im Libanon und in anderen Gebieten«. Es wird befürchtet, dass sich ein offener Krieg zwischen Israel und dem Libanon zu einem regionalen Konflikt ausweiten könnte, in den auch die USA als wichtigster Verbündeter Israels hineingezogen würden.
Baerbock erneut in Nahost
Angesichts der wachsenden Sorgen vor einer Eskalation reist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock an diesem Montag nach Tel Aviv.
Es ist der achte Israel-Besuch Baerbocks seit der Terrorattacke der Hamas auf das Land am 7. Oktober. Bei den Gesprächen der Grünen-Politikerin in Israel und den Palästinensischen Gebieten am Dienstag werden nach Angaben einer Sprecherin des Auswärtigen Amts der Krieg im Gazastreifen sowie die katastrophale humanitäre Lage in dem abgeriegelten Küstengebiet im Zentrum stehen. Mit ihrem Krieg hat die Hamas ihre eigene Bevölkerung erneut in eine problematische Lage gebracht.
Am Dienstagabend will Baerbock auch Gespräche in der libanesischen Hauptstadt Beirut führen.
Zustände im Gefangenenlager
Das Oberste Gericht in Israel hat derweil laut Medienberichten vom Sonntag von den staatlichen Stellen des Landes einen Bericht über die Zustände im Gefangenenlager Sde Teiman angefordert, das für palästinensische Terroristen eingerichtet worden ist. Ehemalige Insassen und andere Stellen haben schwere Vorwürfe erhoben.
Ob es sich um authentische Angaben handelt oder einen Teil der Kampagne gegen Israel, ist noch unklar. Bereits vor dem von der Hamas begonnenen Krieg wurden auf Demonstrationen in der ganzen Welt und von prominenten Israelhassern Verschwörungstheorien über den einzigen jüdischen Staat verbreitet. Diese reichten von einer angeblichen »Apartheid« bis hin zur Völkermord-Lüge.
Das Militär hatte das Lager von Sde Teiman in der Nähe der südisraelischen Stadt Beerscheba nach dem Terrorüberfall vom 7. Oktober errichtet. Die Armee inhaftiert dort Terroristen, die im Zuge des Gaza-Krieges festgenommen wurden.
Von Luxemburg nach Tel Aviv
Außenministerin Baerbock nimmt zunächst an der regulären Sitzung des Außenrats der Europäischen Union in Luxemburg teil. Dort soll es um die gemeinsame Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg sowie die Lage im Nahen und Mittleren Osten gehen.
Danach reist die Grünen-Politikerin nach Israel weiter und will am Abend in Tel Aviv bei der Herzlija-Sicherheitskonferenz des Instituts für Politik und Strategie sowie der Reichman-Universität eine Rede halten.
Währenddessen führt Israels Verteidigungsminister Galant Gespräche in Washington. Er wollte neben seinem US-Kollegen Lloyd Austin auch Außenminister Antony Blinken treffen. dpa/ja