Corona-Pandemie

In Israel feiern die Menschen wieder

Party in Tel Aviv Foto: Stephan Pramme

In den Cafés am schicken Rothschild-Boulevard in der Küstenmetropole Tel Aviv sitzen Hunderte von Gästen dicht an dicht gedrängt. Eine Schutzmaske trägt keiner von ihnen. Es wirkt fast, als habe es das Coronavirus nie gegeben.

Und in der Tat sind die Infektionszahlen in Israel knapp vier Monate nach Beginn der rasanten Impfkampagne dramatisch gefallen. Große Krankenhäuser in dem Land haben ihre Corona-Intensivstationen bereits geschlossen.

Dabei war das kleine Mittelmeerland bis vor kurzem noch als Hochinzidenzgebiet eingestuft, und die Corona-Fallzahlen waren zu Jahresbeginn im Vergleich zu Deutschland deutlich höher. Mit massivem Einsatz und viel Pragmatismus ist es dem Land gelungen, bisher rund 57 Prozent seiner mehr als neun Millionen Einwohner eine Erstimpfung mit dem Präparat von Biontech/Pfizer zu verabreichen.

Fast alle über 70-Jährigen und mehr als 70 Prozent der über 30-Jährigen sind schon vollständig geimpft. Eine klare Mehrheit der Einwohner hat bereits einen Grünen Pass, der Geimpften und Genesenen neue Freiheiten ermöglicht.

Die sinkenden Fallzahlen sprechen für die Wirksamkeit der Impfkampagne, die zu den erfolgreichsten weltweit zählt: Am Dienstag teilte das Gesundheitsministerium mit, nur 375 neue Fälle seien in den vergangenen 24 Stunden gemeldet worden. Nur 0,7 Prozent von mehr als 55.500 Tests fielen positiv aus. Zum Vergleich: Mitte Januar hatte der Höchststand noch bei mehr als 10.000 Fällen am Tag gelegen, im September hatte der Anteil der positiven Tests einen Höchststand von mehr als 15 Prozent erreicht.

Das angesehene Ichilov-Krankenhaus in Tel Aviv schrieb am Montag auf Facebook, es habe erstmals seit Beginn der Pandemie vor gut einem Jahr keine einzige neue Corona-Einweisung in der Klinik gegeben. Außerdem müsse niemand mehr wegen einer Corona-Infektion beatmet werden und es sei kein neuer Todesfall verzeichnet worden: »Großartig!«

Menschen mit Grünem Pass können in Israel inzwischen wieder Konzerte und Theaterveranstaltungen besuchen, in Restaurants gehen, im Fitnessstudio und Schwimmbad trainieren, und vieles mehr. Viele Menschen wagen es auch wieder, sich gegenseitig in die Arme zu nehmen.

In einem Tel Aviver Büroturm treffen sich Menschen zum ersten Mal seit einem Jahr zu einer Cocktailparty ohne Masken. Der Corona-Beauftragte Nachman Asch sagte, kommende Woche könnte Maskenpflicht zumindest im Freien offiziell aufgehoben werden.

Doch nicht alles sieht rosig aus. Zuletzt stagnierte die Zahl der täglichen Impfungen deutlich und rund eine Million Israelis sind noch nicht geimpft. Viele Impfzentren stehen praktisch leer. Es gibt einen harten Kern von Impfgegnern, die sich auch mit Vergünstigungen nicht ködern lassen wollen.

In sozialen Medien hagelt es immer wieder harte Kritik an der »aggressiven« Impfkampagne. Überzeugte Impfgegner schrecken auch nicht davor zurück, Sanktionen gegen Ungeimpfte im Land mit denen gegen Juden in Nazi-Deutschland zu vergleichen.

Wenn sich nicht alle Erwachsenen impfen lassen, kann nach Einschätzung israelischer Experten auf Dauer keine Herdenimmunität erzielt werden. Dazu kommt: Israel ist ein sehr junges Land, rund 30 Prozent der Bürger sind unter 16 Jahre alt. Sie können bisher nur in absoluten Ausnahmefällen geimpft werden. Experten rechnen aber damit, dass bald auch die Impfung von Jugendlichen im Alter von 12 bis 16 Jahren beginnen könnte. Wie viele der Eltern zustimmen werden, ist allerdings noch ungewiss.

Andrea Kiewel

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