Die letzte umfassende Renovierung ist Jahrhunderte her. Überall tropft es, Stolperfallen gibt es auf jedem Meter des Bodenbelages, über den schon Millionen und Abermillionen von Pilgern spazierten. Arbeiten an der Grabeskirche in der Jerusalemer Altstadt sind überfällig, seit Langem schon warnen Experten wegen der Baufälligkeit des Gebäudes. Streitereien zwischen den Kirchen, die mit der Verwaltung betraut sind, haben eine Renovierung bislang zu einem schier unmöglichen Unterfangen gemacht. Doch jetzt scheinen die Beteiligten sich geeinigt zu haben.
Die Grabeskirche ist in der Hand von sechs christlichen Konfessionen: den Griechisch-Orthodoxen, den Römisch-Katholischen (vertreten durch den Franziskaner-Orden), den Armenisch-Apostolischen, den Syrisch-Orthodoxen, den Äthiopisch-Orthodoxen und den Kopten aus Ägypten. Zu sagen, die Verständigung zwischen den einzelnen Kirchenvertretern sei schwierig, wäre eine Untertreibung. Eifersüchtig wacht jede Gruppe seit Jahrhunderten über ihr Territorium.
FUNDAMENT Und doch veröffentlichten die drei leitenden Gruppen der griechisch-orthodoxen, katholischen und armenischen Kirchen in der vergangenen Woche ein gemeinsames Schreiben, mit dem sie erklärten, dass Renovierungsarbeiten beginnen werden. Es handele sich dabei um ein Multimillionen-Dollar-Projekt. Zunächst sollen Fundament und Bodenbelag repariert und erneuert werden.
Das Königreich Jordanien will den Großteil der Kosten übernehmen.
Von außen wirkt der Bau unscheinbar. Gehalten im traditionellen beigen Jerusalemer Sandstein, zwängt er sich in die Architektur der antiken Stadt. Nach historischen Überlieferungen war es Helena, die Mutter von Kaiser Konstantin, die im Jahr 325 an dieser Stelle die Stätten fand, an denen Jesus gekreuzigt worden und auferstanden sein soll. Helena ließ die erste Kirche errichten, und so steht hier seit fast 1700 Jahren – viele Male zerstört und immer wieder aufgebaut – ein christliches Gotteshaus. Im Inneren allerdings geht es manches Mal ganz und gar unheilig zu.
DEKRET Um den ewigen Querelen zwischen den Gruppen ein Ende zu machen, erließen die osmanischen Herrscher im Jahr 1852 ein Dekret, das die Kirche in verschiedene Bereiche aufteilt. Doch der Status quo ist fragil, regelmäßig liegen sich die Fraktionen in den Haaren. Schon eine Überschreitung von wenigen Zentimetern kann einen Streit auslösen, ein stehen gelassener Putzeimer turbulente Szenen hervorrufen. Eine schwerwiegende Folge der unüberschaubaren Besitzverhältnisse und des Gebarens der religiösen Vertreter sind Probleme bei der Instandhaltung des riesigen Baus. Immer wieder warnen Fachleute vor dem schlechten Zustand.
Doch es darf nicht einmal aufgeräumt werden. So steht eine schlichte Holzleiter, die einst Mönchen zum Einstieg durch das Fenster diente, bereits seit mindestens 140 Jahren an demselben Fleck. Einen Zweck hat sie nicht, doch sie wird behandelt wie eine Reliquie. Um ja nicht am Status quo zu rühren, wagt es niemand, sie anzutasten.
Umso überraschender kam jetzt die Einigung auf das Großprojekt. Der jordanische König Abdullah II. erklärte bereits, er werde die Kosten in Höhe von Dutzenden Millionen Dollar übernehmen. Das Königreich sieht sich als Wächter über die christlichen und muslimischen heiligen Stätten in Jerusalem. Der Vatikan will eine halbe Million Euro beisteuern. Angeblich sollen die Arbeiten von zwei italienischen Institutionen durchgeführt werden. Zuvor hatte ein griechisches Team 2016 den Überbau des Jesusgrabes restauriert. Es war stark einsturzgefährdet.
Die plötzliche Einheit der geistlichen Gruppen hat einen weltlichen Grund in Form von geplanter israelischer Gesetzgebung. Zum einen könnte es sein, dass religiöse Institutionen künftig Steuern zahlen müssen. Zum anderen soll Land, das den Kirchen gehörte und von diesen an private Investoren veräußert wurde, verstaatlicht werden. Der gemeinsame Kampf der Kirchen gegen die Änderungen hat die Streithähne offenbar an einen Tisch gebracht.
ENTEIGNUNG Vor zwei Jahren hatte ein Skandal um das griechisch-orthodoxe Patriarchat Schlagzeilen gemacht, als dieses große Teile seiner Ländereien an unbekannte Privatiers verhökerte, um massive Schulden auszugleichen (vgl. JA vom 23. Oktober 2017). Die griechisch-orthodoxe Kirche verfügt – nach der staatlichen Behörde für Grund und Boden – über die größte Fläche an Ländereien in Israel. Im 19. Jahrhundert hatte sie sie für Landwirtschaft erworben. Heute sind es oft keine Felder mehr, sondern lukrative Gegenden in Jerusalem, Jaffa, Caesarea, Nazareth und anderen Orten.
Der Staat will verhindern, dass die Kirchen ihr Land an Investoren verkaufen.
Nach der Staatsgründung verpachteten die Kirchenoberen viele Grundstücke an verschiedene quasi-staatliche Organisationen wie die Landbehörde, Keren Kayemeth LeIsrael, den Jewish National Fund (JNF) oder die Natur- und Parkbehörde. Die Laufzeit dieser Pachtverträge beträgt 50 oder 99 Jahre, viele laufen in weniger als 20 Jahren aus. Infolgedessen könnten auch alle Bauten auf diesen Grundstücken an deren Käufer übergehen. Doch niemand weiß genau, wer das eigentlich ist.
Dazu schrieben die Kirchenvertreter in ihrer Erklärung zur historischen Renovierung kein Wort. Nur so viel: »Dieses Projekt folgt unmittelbar auf das positive Ergebnis der Restaurierung des Heiligen Grabes. Es markiert und bestätigt die dauerhafte Verpflichtung der Gemeinden zur Instandhaltung und Wiederherstellung dieser heiligsten Stätte, die in ihrer Stille und Blöße so eloquent das Wesen unseres Glaubens darstellt.«