Pandemie

Heftige Kritik an Exit-Plan

Läden und Märkte leiden besonders unter dem zweiten Lockdown. Foto: Flash90

Die israelische Wirtschaft ist hart vom zweiten Lockdown getroffen. Mit fast einer Million Jobsuchenden liegt die Arbeitslosenquote derzeit bei 25 Prozent. Seit über drei Wochen ist das Land fast vollständig abgeriegelt, sind Schulen, Geschäfte, Restaurants und Unterhaltungsbetriebe geschlossen – zum zweiten Mal seit März. Währenddessen ist die Ansteckungsrate mit etwa sieben Prozent so niedrig wie seit Ende August nicht mehr.

MILLIARDEN Jede Woche, die im Lockdown verbracht wird, kostet die Nation rund 2.25 Milliarden Euro, warnt die Bank of Israel. Jetzt legte das Gesundheitsministerium in Jerusalem einen Exitplan vor, der neun Phasen vorsieht, in denen verschiedene Industrien oder Einrichtungen geöffnet werden. Den jedoch bezeichnen viele als »katastrophal«. Allen voran kritisieren Elternverbände die voraussichtlichen Öffnungsdaten für Grundschulen.

Sogar Regierungsmitglieder stimmen nicht überein. So sagte der Vorsitzende des Bildungskomitees, Ran Shefa von Blau-Weiß, dass seine Partei für eine Öffnung der Schulen für den kommenden Sonntag plädieren wolle.

Premier Benjamin Netanjahu indes lobte die strikte Maßnahme bei der Eröffnung der Wintersession der Knesset. »Die jüngsten Daten zeigen eindeutig, dass der Trend bei den Infektionen klar nach unten geht. Das ist ermutigend und gibt Hoffnung.« Wenn man jedoch dem Druck der verschiedenen Sektoren nachgebe, so Netanjahu, »dann bewegen wir uns auf einen dritten Lockdown zu«. Der Regierungschef hatte kürzlich zugegeben, dass die Wirtschaft nach der ersten nationalen Abriegelung zu früh geöffnet worden sei.

»Wir bereiten uns darauf vor, alle Geschäfte, die nicht in roten Zonen liegen, am 18. Oktober zu öffnen.«

Vereinigung für Handels- Mode- und Verpflegungsketten

Geschäftseigentümer allerdings sind entsetzt über den Plan des Ministeriums und verlangen, dass sie ihre Läden nicht, wie vorgesehen, erst im November aufmachen dürfen, sondern schon früher. Sollte der Forderung nicht nachgekommen werden, haben viele vor, ihre Geschäfte auf eigene Faust aufzusperren.

Die israelische Vereinigung für Handels- Mode- und Verpflegungsketten veröffentlichte am Wochenbeginn die Erklärung: »Wir bereiten uns darauf vor, alle Geschäfte, die nicht in roten Zonen liegen, am 18. Oktober zu öffnen – ob die Regierung es erlaubt oder nicht«. Mehr als 400 Ketten und insgesamt rund 18.000 Läden sind in der Vereinigung organisiert.

TODESSTOSS »Wir kündigen an, dass wir uns nicht an den extremen Exitplan halten können. Das Gesundheitsministerium hat entschieden, den Handelssektor zu ignorieren. Es versteht nicht, was die ganze Welt schon längst weiß. Dass der Pfad, das Coronavirus zu bekämpfen, nicht durch einen Todesstoß für die Geschäfte führen darf.« Die Vereinigung will, dass die Regierung die Öffnung von Läden bereits in Phase eins erlaubt.

Während der ersten Welle von Covid-19 habe man zwei Monate geschlossen, in der zweiten Welle ebenfalls kooperiert, im Hinblick auf die Anweisung der Regierung, dass man nach Simchat Tora öffnen dürfe, unterstrich die Vereinigung. »Es ist erwiesen, dass man sich in Geschäften nicht ansteckt.«

In der ersten Phase dürfen sich auch wieder Familienmitglieder treffen, die nicht in einem Haushalt leben.

Sobald die Reproduktionszahl R des Covid-19-Virus unter 0.8 Prozent liegt, soll mit dem Öffnen begonnen werden. Derzeit wird sie mit etwas über 0.9 Prozent angegeben. R besagt, an wie viele Menschen ein Infizierter das Virus weitergibt. Wenn R unter eins liegt, gibt es immer weniger Ansteckungen. Jede Phase des Exitplans soll zwei Wochen dauern, bis die nächste begonnen wird.

In der ersten Phase, die in der nächsten oder übernächsten Woche eingeführt werden soll, dürfen die Israelis ihre Häuser wieder verlassen, ohne auf einen Umkreis von einem Kilometer achten zu müssen. Arbeitsplätze ohne Publikumsverkehr, Kindergärten, Strände und der Ben Gurion Flughafen werden geöffnet. Proteste sind wieder überall im Land erlaubt, derzeitige Beschränkungen werden aufgehoben. Auch dürfen sich wieder Familienmitglieder treffen, die nicht in einem Haushalt leben.

»Es ist traurig zu sehen, dass Israel die Bildung als letzte Priorität ansieht.«

Marom Schiff, Vorsitzender nationale Elternvereinigung

In der zweiten Phase dürfen nicht-lebensnotwendige medizinische Eingriffe vorgenommen werden. Die Klassen eins bis vier kehren in die Grundschulen zurück. Diese Entscheidung jedoch wollen Elternverbände so nicht hinnehmen. »Es ist völlig unverständlich, dass das Land eine ganze Generation aufgibt«, meint der Vorsitzende der nationalen Elternvereinigung, Marom Schiff. Und es sei traurig zu sehen, dass Israel die Bildung als letzte Priorität ansieht. Er verlangt, dass sämtliche Klassen der Grundschulen (eins bis sechs) zusammen mit Arbeitsplätzen öffnen dürfen.

SYNAGOGEN Phase drei sieht die Öffnung von Einkaufszentren und Märkten sowie Synagogen vor. Büros und Geschäfte mit Publikumsverkehr können ebenfalls wieder aufmachen. Sofern die Infektionszahl von 250 am Tag nicht überschritten wird und die Rate auf zwei Prozent sinkt, wird Phase vier aktiviert. Hierbei können Restaurants, Cafés und Sportstudios betrieben werden.

»Das ist eine Katastrophe«, findet Tomer Mor, Gründer der Gruppe »Gemeinsam stark«, die Restaurant-, Café- und Barbesitzer vereint. Restaurants müssen sofort öffnen dürfen, um Take-Out und Gastronomie im Freien anzubieten. »Sonst werden 150.000 Angestellte noch mehr leiden und weiterhin arbeitslos sein.« Im November beginne schon fast der Winter. »Und dann ist das Draußen-Sitzen bald vorbei.«

KULTURBETRIEBE Erst etwa Mitte Dezember sollen Schwimmbäder und Hotels Gäste empfangen dürfen. Am Ende dieses Monats dann dürfen Mädchen und Jungen in den Klassen fünf bis zwölf voraussichtlich wieder auf ihren Schulbänken Platz nehmen. Noch später sollen Kulturbetriebe und Veranstaltungshallen folgen.

Sportveranstaltungen dürften entsprechend des Plans vom Gesundheitsministerium in der ersten Februarwoche stattfinden. Erst dann dürfen die Israelis auch wieder in Musikclubs die Nacht zum Tage machen.

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