Israel

»Gefangener X« wohl kein Einzelfall

Erneut in die Kritik geraten: das Hochsicherheitsgefängnis in Ramle Foto: Reuters

Der Australier und mutmaßliche Mossad-Agent Ben Zygier, bekannt als »Gefangener X«, ist offenbar nicht der Einzige, der ohne Wissen der Öffentlichkeit inhaftiert war. Demnach saß – und sitzt vermutlich noch immer – ein zweiter Mann unter den gleichen Bedingungen in Block 13 des Hochsicherheitsgefängnisses in Ramle: anonym und in Einzelhaft.

Diese Information war Anfang der Woche in Zusammenhang mit der Untersuchung des Selbstmords des 34-jährigen Zygier in seiner Zelle durchgesickert. Israelische Medien beriefen sich auf entsprechende Unterlagen, die anschließend von dem für innere Sicherheit zuständigen Minister Jitzhak Aharonovitch bestätigt wurden. Er wisse aus »erster Hand, dass wenigstens ein weiterer Mann unter diesen Umständen inhaftiert« sei, sagte auch Zygiers Anwalt Avigdor Feldmann. Dessen Fall sei »viel sensationeller und unglaublicher« als der des Australiers. Auch die Vergehen seien ernster. Und der zweite Fall verdeutliche noch mehr, wie anfällig offenbar das Sicherheitssystem sei.

Untersuchungsausschuss Nach Bekanntwerden des Falles kritisierten vor allem oppositionelle Abgeordnete der Knesset den Innenminister und sprachen von Verhältnissen wie in »einem Polizeistaat«. Zehava Gal-On (Meretz) erinnerte daran, dass Aharonovitch bei einer Anhörung im Parlament zum Fall Zygier versichert habe, dass »es in Israel keine anonymen Gefangenen gibt«. Die jetzige Enthüllung sei besorgniserregend. Nicht nur wegen des geheimen Gefangenen, sondern auch, »weil Minister in einer Demokratie die Öffentlichkeit nicht belügen«, sagte Gal-On. Andere fordern einen Untersuchungsausschuss.

Die Vernehmungen des Gefängnispersonals zum Selbstmord von Ben Zygier im Dezember 2010 haben indes noch einmal ergeben, dass die angeordnete lückenlose Überwachung des Gefangenen an diesem Tag nicht eingehalten worden ist: Zum einen funktionierte eine Kamera in Zygiers Zelle nicht vollständig. Sie sollte das Bad überwachen – genau dort, wo der mutmaßliche Geheimagent sich erhängte – und die Bilder an einen Kontrollraum sowie in das Büro des verantwortlichen Aufsichtsbeamten senden. Die Übertragung in den Kontrollraum soll jedoch nicht funktioniert haben. Und: Das Büro war an diesem Tag nicht besetzt.

Defekt Dass die Kamera nicht zuverlässig arbeite, sei bekannt gewesen, gab ein Befragter zu Protokoll. Trotz ständiger Anmahnungen sei sie nicht repariert worden. Hingegen bezeugte der technische Leiter, er sei über den Schaden nicht informiert gewesen. Ansonsten hätte er sich darum gekümmert.

Neben der defekten technischen Ausstattung führte wohl vor allem die mangelhafte personelle Besetzung der Kameraräume genau in der kritischen Zeit zwischen 18 und 19.40 Uhr dazu, dass Zygier seinen Selbstmord vorbereiten und ausführen konnte. So sei auf den Aufnahmen zu sehen – sie filmen den Fußbereich ab –, dass der 34-Jährige in seinem Bad rund 20 Minuten lang mit etwas hantierte. Zu sehen sei auch, wie der Australier sich mithilfe des Bettlakens erhängte.

An diesem Tag jedoch habe niemand diese Bilder gesehen, heißt es. Ein Aufseher sagte: »Wäre das Büro des Leiters besetzt gewesen und wäre die Kamera in Ordnung gewesen, ich hätte bestimmt gemerkt, was Zygier vorhat und ihn davor bewahrt.«

Meinung

Für das Leben entscheiden

Die Fortführung der Kampfhandlungen in Gaza gefährdet das Leben der Geiseln und den moralischen Fortbestand Israels. Es ist Zeit, diesen Krieg zu beenden

von Sabine Brandes  16.09.2025

Genf

UN-Kommission wirft Israel Genozid vor

In einem Bericht ist von vier erfüllten Tatbeständen des Völkermords die Rede. Die Weltorganisation verweist auf »das Verhalten politischer und militärischer Behörden«

 16.09.2025

Sarah Cohn-Fantl auf einem Gelände, auf dem Hilfslieferungen für Gaza lagern

Gaza

Hilfspakete so weit das Auge reicht

Nur selten lässt Israel Journalisten in das Kriegsgebiet. Unsere Autorin war vergangenen Mittwoch bei einer von der Armee begleiteten Fahrt am Rande des Küstenstreifens dabei und berichtet von ihren Eindrücken

von Sarah Cohen-Fantl  16.09.2025

Nahost

Bericht: Netanjahu informierte Trump vor Angriff in Doha

Der israelische Ministerpräsident soll den US-Präsidenten fast eine Stunde vor der Attacke auf Hamas-Führer unterrichtet haben. Trumps Version der Ereignisse klang dagegen ganz anders

 16.09.2025

Jerusalem

Rubio äußert Zweifel an diplomatischer Lösung für Gaza-Krieg

Der US-Außenminister trifft in Israel Vertreter des Landes. In einem Interview äußert er sich dort zu den Chancen für ein Ende des von der Hamas begonnenen Krieges

 16.09.2025

Nahost

Gaza-Stadt: Bodenoffensive der IDF beginnt

Während die israelische Armee vorrückt, protestieren dagegen Angehörige von Geiseln vor der Residenz Netanjahus in Jerusalem

 16.09.2025

Nahost

Bericht: Mossad verweigerte Doha-Angriff

Dem Luftangriff gegen die Hamas-Anführer in Katar gingen offenbar schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierung und Geheimdienst voran

von Sabine Brandes  15.09.2025

Gazakrieg

Wie sich Emily Damari den Terroristen widersetzte

Die ehemalige Geisel hat in London über ihre Gefangenschaft in Gaza gesprochen und darüber, wie sie trotz schrecklicher Bedingungen eine »aktive Rolle« einnehmen konnte

 15.09.2025

Nahost

Netanjahu nennt Kritik nach Angriff in Katar »Heuchelei«

US-Außenminister Rubio trifft nach Israels Angriff auf die Hamas in Katar Netanjahu. Die USA wollen laut Rubio »unabhängig davon, was geschehen ist« weiterhin die drängenden Probleme der Region lösen

 15.09.2025