Meinung

Geduld mit Trump

Michael Wolffsohn Foto: Uwe Steinert

Trump kann es nur wenigen recht machen. Zumindest in Deutschland und Westeuropa. Immerhin hat ihn aber eine satte Mehrheit der US-Amerikaner im November 2024 gewählt. Ob sie auch jetzt so abstimmen würden, ist eine offene Frage. Doch in Demokratien entscheiden Wahlen und nicht fast täglich schwankende Umfragen. Das muss man akzeptieren. Man kann dagegen demonstrieren, doch wo ist die Grenze zwischen dem Akzeptieren des koscheren Ergebnisses und dem Demonstrieren dagegen?

In gewisser Weise können derzeit auch bislang unerwartet viele Israelis und Juden diese Grenze nicht mehr eindeutig ziehen. Das weltweit einzige Land, in dem die Bevölkerung 2024, wie die US-Bürger, zugunsten Trumps gewählt hätte, war Israel. Die Mehrheit der US-Juden stimmte jedoch zu rund 75 Prozent für Biden. In den übrigen jüdischen Diaspora-Gemeinden fanden und finden sich deutlich mehr Trump-Befürworter.

Das alles lässt sich leicht begründen. Während seiner ersten Präsidentschaft hatte sich Trump eindeutig als Förderer Israels erwiesen. Anders als Politiker anderer Staaten nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Trump bekämpfte auch den islamischen Terrorismus energischer als andere. Den Bombenanschlag gegen die Synagoge in Pittsburgh im Jahre 2018 bewerteten Trump-Kritiker als Folge seiner extrem rechten Politik. Eine gewagte, doch unter Anti-Trumpisten beliebte Erklärung.

Vor und gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit signalisierte Trump erstens: Die Hamas sei eine Terrororganisation und müsse militärisch sowie politisch besiegt werden. Punkt. Zweitens: Der Iran darf und wird keine Atombombe haben. Drittens: Anders als sein Vorgänger Biden werde er gewaltsame Aktionen gegen Juden und Israel in den USA nicht hinnehmen und das staatliche Gewaltmonopol dagegen einsetzen.

Israels Regierung fühlt sich vor den Kopf gestoßen

Nicht nur Netanjahu und seine Koalition atmeten auf, die meisten Israelis ebenso. Selbst linke US-Juden meldeten, wenn überhaupt, nur leise Kritik an. Nun das: Die Trump-Administration verhandelt erstmals direkt mit der Hamas. Nicht nur über Israelis mit US-Staatsbürgerschaft, die aus der Hamas-Geisel-Hölle befreit werden sollen, sondern auch über politische Fragen. Israels Regierung und Teile der Öffentlichkeit fühlen sich vor den Kopf gestoßen, vergessen aber, dass selbst ein noch so eindeutiger Freund Israels als US-Präsident nicht das ausführende Organ israelischer Politiker ist.

Gerade Israel und erst recht Netanjahu haben alle Gründe dieser Welt, Trump zu vertrauen. Bekanntlich genießen andere Politiker dieses »Privileg« nicht. Ratsam wäre daher gerade für Netanjahu und seine Regierung: erst abwarten, dann protestieren. So viele Freunde hat Israel nicht. Den bislang – aus israelischer Regierungssicht – besten aller Freunde sollte man erst recht nicht mit Vorwürfen überhäufen. Oder glaubt man, in der EU, außer Orbán, andere Unterstützer zu finden? Besonders »empfehlenswert« wären Spanien, Irland, Belgien. Auf deren Israel-Bashing ist Verlass. Und Noch-Außenministerin Baerbock sowie das Auswärtige Amt sind ebenfalls geübt.

Gerade Israel und erst recht Netanjahu haben alle Gründe dieser Welt, Trump zu vertrauen.

Nun auch das: Die Trump-Administration verhandelt faktisch direkt mit dem Iran über dessen militärische Entnuklearisierung. Netanjahu fürchtet eine Neuauflage des Atomabkommens mit dem Iran aus dem Jahr 2015, mit dessen Hilfe die westlichen Signatarmächte sich selbst und ihren Bevölkerungen Sand in die Augen streuten, um nicht sehen zu müssen, dass der Iran »Atom-Abrüstung« sagte und das Gegenteil machte.

Einschließlich der geografisch-politisch-militärischen Umzinge­lung Israels sowie der gemäßigten arabischen Staaten. Erst durch den Israel aufgezwungenen Gaza-Mehrfrontenkrieg konnte diese Umzingelung militärisch neutralisiert werden. Federführend waren 2015 neben US-Präsident Obama nicht zuletzt unser heutiger Bundespräsident als Außenminister und Ex-Kanzlerin Angela Merkel. So sah faktisch ihre im März 2008 vor der Knesset abgegebene Schutzzusage Israel gegenüber aus.

Anders als Obamas eindimensionale Appeasement-Iranpolitik geht Trump doppelgleisig vor: einerseits verhandeln, andererseits kein Appeasement, sondern das Beordern von US-Streitkräften in unmittelbarer Nähe zum Iran.

»Jud ist Jud, Jud bleibt Jud, und jeder Jud ist der verlängerte Arm Israels«

Die teils gewaltsamen als anti-israelisch plakatierten, faktisch antijüdischen Proteste an Amerikas Universitäten erschreckten eigentlich alle US-Juden. Linke wie nichtlinke. Sie alle merkten nämlich: Für jene Demonstranten und Schläger galt »Jud ist Jud, Jud bleibt Jud, und jeder Jud ist der verlängerte Arm Israels«. Nahezu unisono erschallten die jüdischen Hilferufe. Außer netten Worten kam von der Biden-Administration nichts.

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Ganz anders Trump. Er bekämpft den intellektuell scheinlegitimierten Antisemitismus konsequent. Dabei dreht er den besonders aktivistischen Universitäten den Geldhahn zu. »Wissenschaft in Gefahr!«, hallt und schallt es. Vorher nicht? Zweierlei Maß. Zu den Rufern gehören jüdische Linksaktivisten. Wie wäre es, wenn Universitäten (nicht nur in den USA) statt politischen Aktivismus Wissenschaft betrieben?

Nun auch das: Die aktivsten der Aktivisten – viele gar keine Studenten – werden verhaftet und abgeschoben. »Polizeistaat«, wird gerufen. Nicht zuletzt von linken jüdischen Aktivisten. Ist es besser, wenn nichtlinke Juden, als und weil Juden, verprügelt und am Studium gehindert werden?
Lassen wir nicht nur die Kirche im Dorf, auch die Synagoge. Selbst wenn es um Trump geht. Leider können wir Juden uns nicht diejenigen aussuchen, die uns schützen. Das sollten linke ebenso wie nichtlinke Juden und Israelis bedenken. Beschützt uns Juden in Israel und der Diaspora Trump schlechter als Macron, Scholz, Merkel, Baerbock und, und, und? In 3000 Jahren jüdischer Geschichte wurden oft maßgeschneiderte Judenbeschützer gesucht. Welche wurden gefunden?

Der Autor ist Historiker und Publizist. Im März erschien sein Buch »Feindliche Nähe: Von Juden, Christen und Muslimen«.

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