Koalition

Gantz geht

Benny Gantz fordert Neuwahlen und die Einrichtung einer Untersuchungskommission. Foto: Flash 90

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Gantz geht

Der Minister und frühere IDF-Stabschef rechnet mit Premier Netanjahu ab und verlässt das Kriegskabinett

von Sabine Brandes  14.06.2024 10:46 Uhr

Der Grund sei der Ministerpräsident. »Denn Benjamin Netanjahu hindert uns daran, einen echten Sieg zu erreichen«, sagte Benny Gantz, Vorsitzender des Zentrumsbündnisses Nationale Einheit, am Sonntagabend auf einer Pressekonferenz und erklärte damit seinen Rücktritt aus der Regierung. Zur Erinnerung: Die beiden Oppositionspolitiker Gantz und Gadi Eizenkot waren nach dem 7. Oktober dem Kriegskabinett als »Notstandsregierung« beigetreten. Die Pressekonferenz, ursprünglich für den 8. Juni angekündigt, war wegen der Befreiung von vier Geiseln aus der Gewalt der Hamas in Gaza verschoben worden.

Mit Gantz verlässt auch Eizenkot das Kriegskabinett, dem er als Beobachter angehörte. Er findet in seinem Rücktrittsschreiben an den Premier gleichfalls scharfe Worte: »Trotz der Bemühungen vieler, darunter auch meines Kollegen, wurde das von Ihnen geleitete Kabinett lange Zeit daran gehindert, bedeutende Entscheidungen zu treffen, die notwendig waren, um die Kriegsziele zu verwirklichen und Israels strategische Position zu verbessern«, so der einstige Generalstabschef. »Externe Erwägungen und Politik haben sich in die Diskussionen eingeschlichen. Deshalb ist es Zeit, dass wir die Regierung verlassen.«

Der Ministerpräsident macht keine Aussage, wie die Nachkriegsordnung aussehen soll.

Gantz machte mit seinem Rücktritt das Ultimatum wahr, das er vor über drei Wochen gestellt hatte. Seine Forderung lautete: Der Regierungschef müsse bis zum 8. Juni einen strategischen Plan für den »Tag danach« vorlegen, oder er werde seinen Hut nehmen. Denn bis dato verweigerte der israelische Ministerpräsident jegliche Aussage, was nach dem Ende des Krieges mit der Hamas im Gazastreifen geschehen soll. »Aus diesem Grund verlassen wir heute die Notstandsregierung, schweren Herzens, aber von ganzem Herzen.«

Keine Gefahr für die Koalition

Der ehemalige Verteidigungsminister forderte Netanjahu auf, einen Termin für Neuwahlen festzulegen, und fügte hinzu: »Lassen Sie unsere Nation nicht auseinanderbrechen.« Wahlen würden seiner Meinung nach »eine Einheitsregierung hervorbringen – zionistisch, patriotisch und staatsmännisch: eine wahre Einheitsregierung«. Zudem forderte Gantz die Schaffung einer staatlichen Untersuchungskommission, die die Ursachen beleuchten soll, weshalb der 7. Oktober geschehen konnte. Der Austritt von Gantz und Eizenkot aus dem Kriegskabinett gefährdet allerdings nicht den Bestand der Koalition, die nach wie vor die Mehrheit der Sitze in der Knesset hat.

Das Forum für die Familien der Geiseln und Vermissten veröffentlichte anschließend eine Erklärung, dass die Rücktritte auf keinen Fall ein mögliches Abkommen über die Freilassung von Gefangenen und die Einstellung der Kämpfe in Gaza gefährden dürften. »Der Deal ist immer noch auf dem Tisch, und nur er kann alle Geiseln zurückgeben.« Das Forum forderte die Regierung zudem auf, einem solchen Abkommen zuzustimmen, obwohl die Hamas bereits angedeutet hatte, dass sie die Bedingungen nicht akzeptieren werde, solange sich Jerusalem nicht verpflichtet, den Krieg vollständig zu beenden. »Israel wird den Politikern nicht vergeben, die die Geiseln in den Hamas-Tunneln zurücklassen«, heißt es darin weiter.

»Wir haben versagt«

Darüber hinaus bat Gantz in seiner Rede die Familien der Geiseln um Vergebung. »Wir haben viel getan – aber wir haben versagt. Es ist uns nicht gelungen, viele Verschleppte nach Hause zurückzubringen. Die Verantwortung dafür trage auch ich. Ich stehe hinter dem Plan, den wir im Kriegskabinett beschlossen haben und der von Präsident Biden vorgestellt wurde, und verlange vom Premierminister den nötigen Mut, ebenfalls dahinterzustehen und ihn umzusetzen.«

Die USA betrachteten Gantz seit seinem Beitritt zur Koalition als ihren bevorzugten Gesprächspartner im Kriegskabinett. Laut einem Beamten habe er das Weiße Haus bereits vor mehreren Tagen über seine Pläne informiert, aus der Notstandsregierung in Jerusalem auszutreten. Seine Partei sei der rechtsreligiösen Koalition nach dem 7. Oktober allein zum Wohle des Landes beigetreten, führte Gantz aus, »obwohl wir wussten, dass es eine schlechte Regierung ist«. Seitdem seien strategische Überlegungen aus politischen Gründen immer wieder beiseitegeschoben worden. Das Volk Israels verdiene mehr als »leere Versprechungen«. Er erklärte, dass ein »echter Sieg« die Rückkehr der Geiseln, die Beseitigung der Hamas-Regierung in Gaza und die Schaffung einer regionalen Allianz gegen den Iran bedeute.

Für die USA war Gantz der bevorzugte Gesprächspartner im Kriegskabinett.

»Benny, dies ist nicht der richtige Zeitpunkt – jetzt ist der Moment, die Kräfte zu bündeln«, schrieb Premier Netanjahu nach Gantz’ Rede auf der sozialen Plattform X. Rechtsextreme Mitglieder aus seinem Kabinett, die gegen einen Deal mit der Hamas sind, haben dagegen angedeutet, dass sie nach Gantz’ Rücktritt versuchen werden, mehr Einfluss auf Regierungsentscheidungen zu gewinnen. Kaum war die Pressekonferenz vorbei, forderte der rechtsextreme Minister Itamar Ben-Gvir von der Partei Otzma Yehudit (Jüdische Macht) auch sogleich einen Sitz im Kriegskabinett.

Es wird jedoch davon ausgegangen, dass Netanjahu dieses Gremium auflöst und zu seiner früheren Vorgehensweise zurückkehrt, Sicherheitsfragen stets vor den regulären Kabinettssitzungen in kleinen Zirkeln zu besprechen. Oppositionsführer Yair Lapid von der Zukunftspartei reagierte auf den Rücktritt mit den Worten: »Die Entscheidung von Gantz und Eizenkot, die gescheiterte Regierung zu verlassen, ist wichtig und richtig. Es ist an der Zeit, diese extremistische und rücksichtslose Koalition durch eine vernünftige zu ersetzen, die den Bürgern Israels ihre Sicherheit zurückgibt, die Entführten freibekommt und die Wirtschaft sowie das internationale Ansehen Israels wiederherstellt.«

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