Es gibt weder eine Anrede noch freundliche Grüße. Doch die beiden Männer kennen sich gut. Das meint jedenfalls der einstige israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant. Am Wochenende schrieb er einen Brief an den iranischen obersten Führer, Ali Khamenei. Und der antwortete am Montag sogar.
»Wir haben uns nie getroffen, aber ich bin überzeugt, dass wir viel voneinander wissen«, so Gallant. »Ich kenne Sie seit fast drei Jahrzehnten und habe jeden kritischen Wendepunkt Ihrer Führung mitverfolgt. Ich habe Ihre Entscheidungen, Ihre Doktrin und die Architektur Ihrer Stellvertreter in der Region verfolgt, miterlebt, wie Sie Khomeini ablösten, politische Macht anhäuften und versuchten, eine iranische regionale Hegemonie aufzubauen. Ich verstand nicht nur Ihre Ziele, sondern auch die Methoden, mit denen Sie diese erreichen wollten.«
Plan zerschnitt »Ring des Feuers« wie heißes Messer die Butter
Als Verteidigungsminister sei Gallant verantwortlich gewesen, »jahrzehntelange israelische Geheimdienstinformationen, Luftwaffenkapazitäten und strategische Doktrin in einem einzigen, koordinierten Militärplan zu vereinen«. Einen Plan, der »Ihren Ring des Feuers wie ein heißes Messer durch Butter zerschnitt und ihn schließlich zum Einsturz brachte«.
Gallant lobte Israels Erfolge im jüngsten Zusammenstoß zwischen den beiden Erzfeinden Ende Juni. »Was sich dabei abspielte, war nicht bloß eine Militärkampagne. Es war der strategische Zusammenbruch eines Systems, an dessen Aufbau Sie vier Jahrzehnte lang gearbeitet haben«, so die vernichtenden Worte aus Israel.
Verteidigungsminister Gallant war von Premierminister Benjamin Netanjahu zum ersten Mal im März 2023 entlassen worden, nachdem er die Umwälzung der Justiz durch die rechtsreligiöse Koalition kritisiert hatte. Doch nach massiven Demonstrationen im ganzen Land und einem Generalstreik setzte Netanjahu ihn wieder ein. Schließlich feuerte er Gallant im November 2024 als er im Rahmen seines Postens als Verteidigungschef die Kriegsführung in Gaza infrage stellte.
Yoav Gallant: »Beenden Sie Ihren Krieg gegen ein kleines, entschlossenes Land und kümmern Sie sich um ihr Volk.«
An der Wirksamkeit der Militäraktion im Iran indes hat Gallant keine Kritik. Stattdessen schrieb er an Khamenei, Israel sei in die internen Systeme des Iran eingedrungen, einschließlich der militärischen Planung und der Entscheidungsfindung auf höchster Ebene. »Aber mehr als nur der physische Schaden wurde etwas Tieferes offenbart: Wir sehen alles. Wir hören alles. Wir sind überall«, erklärte er und behauptete, Israel habe Irans Standorte, Kommunikation, Zeitpläne und sogar Gespräche zwischen Khamenei und Verbündeten in Beirut, Damaskus und Teheran überwacht. »Und von denen stehen die meisten nicht mehr auf Ihrer Seite.«
»Wir kannten Ihre Zeitpläne. Ihre Standorte. Ihre Kommunikation. Ihre Zeitlinien. Ihre Ausweichpläne. Und Ihre blinden Flecken. In vielerlei Hinsicht wussten wir mehr über Sie als Sie über sich selbst«, fuhr Gallant fort.
Die iranischen Atomambitionen bezeichnete er als »Akt des Vertrauens in Systeme, die bereits versagt haben« und argumentierte, dass dem Iran die konventionellen Fähigkeiten fehlten, die zum Schutz eines solchen Programms erforderlich seien. »Hoffnung ist keine Strategie. Würden Sie Ihre Zukunft und die Ihres Landes in einem Wettlauf riskieren, den Sie nicht verheimlichen können und wahrscheinlich nicht beenden werden? Um ein Atomprogramm zu schützen, braucht man konventionelle Verteidigungs- und Angriffsfähigkeiten. Doch diese Fähigkeiten haben sich bereits als wirkungslos erwiesen«, fügte er hinzu.
Reaktion von Khamenei auf offizieller Webseite
Er wies auch auf die Schwächen der iranischen Luftabwehr hin und warnte, dass jeder Versuch, das Atomprogramm wiederaufzubauen, zukünftige Angriffe provozieren würde. Stattdessen forderte der Ex-Minister aus Jerusalem: »Beenden Sie Ihren Krieg gegen ein kleines, entschlossenes Land tausend Meilen von Ihrer Grenze entfernt und konzentrieren Sie sich stattdessen auf das Wohl und die Zukunft Ihres eigenen Volkes.«
In einer seltenen Reaktion schrieb Khamenei am Montag auf seiner offiziellen Webseite, Gallants Brief sei »Propaganda« und »Teil einer groß angelegten psychologischen Operation«. Das wahre Schlachtfeld liege nicht im Territorium, fügte er hinzu, »sondern in der Beeinflussung der öffentlichen Wahrnehmung«.