Israel

Freundschaft auf dem Prüfstand

Außenminister Johann Wadephul (CDU) bei seinem Statement im King David Hotel Foto: picture alliance/dpa

Als Johann Wadephul am Donnerstagabend im King David Hotel in Jerusalem vor die Presse tritt, hat er gerade einen diplomatischen Marathon hinter sich: In nur drei Stunden hat der Bundesaußenminister nacheinander seinen israelischen Amtskollegen Gideon Sa’ar, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und schließlich Präsident Isaac Herzog getroffen. Gegenüber den Journalisten spricht Wadephul zunächst von der besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber dem jüdischen Staat und von den Geiseln in Gaza, unter denen auch deutsche Staatsbürger sind.

Der Außenminister will deutlich machen: Er ist als Freund Israels in das Land gekommen. Als jemand, der es gut mit dem Verbündeten meint. Anders als Frankreich lehnt es Deutschland nach wie vor ab, einen Staat Palästina anzuerkennen. Anders als ein Großteil der EU-Staaten will Deutschland vorerst keine Sanktionen gegen den jüdischen Staat. Vorerst. Ob das so bleiben wird, hängt auch vom Ausgang der Israelreise des Bundesaußenministers ab.

Wadephul: Deutschland ist gezwungen, sich zu positionieren

»Die humanitäre Katastrophe in Gaza übersteigt jede Vorstellung«, sagt Wadephul im King David Hotel. Seinen israelischen Gesprächspartnern habe er deutlich gesagt, dass die Bundesregierung eine »fundamentale Verbesserung« der Lage erwarte. Die ganze Region stehe »an einem Scheideweg« und Deutschland sei gezwungen, sich nun zu positionieren. Nicht zuletzt sei er nach Israel gekommen, »um zu verhindern, dass eine Kluft zwischen der EU und Israel entsteht«.

Wadephuls Botschaft an die Israelis ist an diesem Tag ungewöhnlich klar: Lenken sie nicht ein, verprellen sie auch noch einen ihrer letzten verbliebenen Freunde in Europa.

Tatsächlich wächst der Druck auf die Bundesregierung, eine härtere Gangart gegenüber dem Verbündeten einzulegen: Verschiedene UN-Organisationen sehen in Gaza derzeit eine akute Hungerkrise. Israel widerspricht dieser Darstellung. Gleichzeitig gewährt das Land seit Sonntag mehrere Stunden am Tag eine Kampfpause, lässt mehr Hilfslieferungen nach Gaza hinein und hat die UN erneut in die Verteilung der Güter einbezogen. Doch das reicht vielen europäischen Staaten nicht mehr. Die EU-Kommission schlägt sogar vor, Israels Teilnahme am Forschungsförderprogramm »Horizon Europe« teilweise auszusetzen. Dass die Sanktion noch nicht beschlossen wurde, liegt auch am Widerstand der Bundesregierung. Die will Israel mehr Zeit lassen, guten Willen zu beweisen.

Die drei Forderungen der Bundesregierung

Wadephul ist daher im Auftrag des Bundeskanzlers nach Israel geflogen. Der hatte am Montag nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts erklärt, den Außenminister nach Israel schicken zu wollen, um drei Forderungen zu übermitteln: Erstens eine Verbesserung der Versorgung in Gaza, zweitens Bewegung in Richtung eines dauerhaften Waffenstillstands mit der Terrororganisation Hamas und drittens keine weiteren Schritte zu einer Annexion des Westjordanlands. Wadephul solle dem Sicherheitskabinett noch am Wochenende seine Eindrücke aus Israel schildern. Auf dieser Grundlage werde dann über weitere Schritte beraten.

Was also wird der Außenminister seinem Kanzler berichten? Vor Ort in Jerusalem blieb Wadephul noch vage. Über die aus seiner Sicht notwendige Verbesserung der humanitären Lage in Gaza sagte er: »Ich habe keinen Zweifel daran, dass der Außenminister, der Ministerpräsident und der Präsident diesen Punkt genau so sehen«. Ihm sei zugesichert worden, dass es weiter täglich Kampfpausen in Gaza sowie eine zusätzliche Steigerung der Hilfslieferungen geben werde.

Das deckt sich mit einem Interview mit Gideon Sa‹ar, das sicher nicht ganz zufällig am selben Tag in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« erschien. Darin behauptet der israelische Außenminister, dass am Mittwoch 269 Lastwagen die Grenze nach Gaza passiert hätten. Das ist deutlich mehr als in den Monaten zuvor und womöglich geeignet, die Deutschen zufriedenzustellen. Die lobte Sa’ar bei der Gelegenheit über den grünen Klee: »Deutschland ist das einzige führende Land, das noch rational handelt«, sagte er. Man vertraue den guten Absichten der Bundesregierung.

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Wadephul geht über Dissonanz hinweg

Ob Deutschland und Israel jedoch immer dieselbe Sprache sprechen, steht auf einem anderen Blatt. Das israelische Außenministerium veröffentliche nach dem Treffen der beiden Diplomaten eine Mitteilung, laut der Sa’ar gegenüber Wadephul den israelischen Anspruch auf das Westjordanland deutlich zum Ausdruck gebracht habe. Einen palästinensischen Staat lehne er dagegen ab, da dieser eine Bedrohung für Israel wäre. Weiter weg können die israelische und die deutsche Position in diesem Punkt nicht sein.

Wadephul, ganz Diplomat, ging auf diese Dissonanz nicht weiter ein. Das Nahziel ist ihm offenkundig wichtiger: Die Abwendung einer Hungerkrise, die seiner Ansicht nach in Gaza droht. Gut möglich, dass ihn die Israelis in dieser Hinsicht ein wenig beruhigen konnten. Sollten die bisher ergriffenen Maßnahmen bei- und das Niveau von mehr als 200 Lastwagen am Tag aufrechterhalten werden, könnte das den Deutschen vorerst reichen, und vielleicht wären damit auch EU-Sanktionen gegen Israel erst einmal vom Tisch.

Noch ist Wadephuls Aufenthalt in der Region jedoch nicht vorbei. Am Freitag wird er zunächst Angehörige der Geiseln treffen, bevor er in Ostjerusalem Vertreter der UN trifft und anschließend in Ramallah im Westjordanland den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas. Am zweiten Tag seiner Reise sind es sicher ganz andere Perspektiven auf die Situation in Gaza und in der Westbank, die dem Außenminister vermittelt werden. Erst danach wird er dem Bundeskanzler Bericht erstatten.

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