Meines Freundes Feind ist oft mein bester Freund», so heißt ein altes deutsches Sprichwort. Eine arabische Redewendung spricht davon, dass der «Feind meines Feindes mein Freund ist». Kompliziert? So steht es um das Verhältnis der traditionellen Verbündeten. Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump ist alles anders – oder auch nicht. Und Israel steckt mittendrin im Schlamassel.
Netanjahu und Trump sind engste Verbündete, immer wieder betont Netanjahu, dass das Verhältnis zu den USA nie besser gewesen sei. Auch privat verstehen sich die beiden Politiker blendend. Trumps Beziehungen zu seinen europäischen Verbündeten aber lassen – gelinde gesagt – zu wünschen übrig. Gerade hinterließ er beim G7-Treffen einen diplomatischen Scherbenhaufen, lud Russlands Präsident Wladimir Putin ein, der Runde wieder beizutreten, und ging jetzt auf Kuschelkurs mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un.
Rhetorik Über Justin Trudeau, den Regierungschef des (eigentlich) engsten Verbündeten und nächsten Nachbarn der USA, Kanada, sagte Trumps Wirtschaftsberater Peter Navarro, er verdiene einen «besonderen Platz in der Hölle». Trump selbst bezeichnete Trudeau als «schwächlich und unehrlich», nachdem dieser über die amerikanischen Zölle gesprochen hatte.
Selbst eingefleischte Trump-Anhänger zeigten sich im Fernsehen verwundert ob dieser harschen Worte. Kommentatoren von MSNBC meinten geschockt, dass derartige Rhetorik von westlichen Staatsmännern lediglich gegen Feinde im Extremfall, etwa im Krieg, benutzt werde. Wenige Stunden zuvor noch hatte Trump das persönliche Verhältnis zu «Angela (Merkel), Emmanuel (Macron) und Justin (Trudeau) als eine Zehn auf einer Skala von zehn Punkten» bezeichnet.
«Trump wendet sich gegen Europa, und Europa wendet sich gegen Trump», fasst Yossi Shain, Professor für Politikwissenschaft an der Tel Aviver Universität, zusammen. «Da gibt es keinen Zweifel.» Für Israel indes gelte das nicht. «Israel ist keineswegs gegen Europa», ist er überzeugt. Im Gegenteil. Das Land kümmere sich um seine eigenen Interessen, wie jedes andere auch.
allianzen Sich mit Trumps Benehmen zu arrangieren, sei ein Teil davon. «Denn seit Trumps Amtsübernahme hat die israelische Regierung viel gewonnen, nachdem sie unter Barack Obama lange das Gefühl hatte, regelrecht ausgequetscht zu werden. Die Trump-Regierung passt der israelischen Regierung gut ins Konzept.» Vor allem deren Allianzen mit den moderaten sunnitischen Staaten, allen voran Saudi-Arabien und Ägypten, würden Jerusalem mehr als gelegen kommen. «Die stellen sich gegen den Iran und liegen damit ganz auf unserer Wellenlänge.»
Shain ist überzeugt, dass Europa alles hasst, was Trump veranlasst, auch in Sachen Nahost, zum Beispiel die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt des jüdischen Staates, die Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem und natürlich der Austritt aus dem Atomabkommen mit dem Regime in Teheran. Deutschland, Frankreich, England und Russland halten an dem Deal fest – derzeit einer der schwierigsten Bereiche in den Beziehungen zwischen Israel und den jeweiligen Staaten.
«Europa kritisiert, hat aber gleichsam in keiner Weise eine Lösung für den Nahen Osten geliefert», lautet die Kritik des Politikwissenschaftlers. Liefert Trump denn eine? «Ja, und sogar eine brillante», meint er, «einen Frieden mit Saudi-Arabien.» Zwar sei noch nichts offiziell, aber es werde geschehen, betont Shain. «Und zwar schon bald. Frieden zwischen Israel und Saudi-Arabien ist der Kernpunkt für die Region, im Hinblick dessen wird sogar der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern sekundär.» Darüber herrsche in ganz Israel übrigens Einigkeit, egal ob in der Regierung oder der Opposition.
Könne es im Hinblick auf diese Differenzen sein, dass sich Israel, wie Trump, gen Osten wendet und neue Verbündete sucht? «Das geschieht bereits. Denn schon jetzt bestehen fantastische Beziehungen zwischen Israel und Indien sowie China, besonders beim Handel. Allerdings ebenso nach wie vor mit Europa. Das eine schließt das andere nicht aus, die Europäische Union ist und bleibt einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Israels.»
deutschland Nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin ist Deutschland der wichtigste Wirtschaftspartner Israels innerhalb der EU mit einem Handelsvolumen von 6,59 Milliarden Dollar (2016). Global gesehen ist Deutschland viertwichtigster Partner nach China, USA und der Schweiz. Die deutsch-israelische Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung wird von beiden Regierungen gefördert und betont. Europäische und israelische Forscher arbeiten zudem im Rahmen des neuen EU-Forschungsrahmenprogramms HORIZON 2020 zusammen.
Trotz der Übereinstimmungen zwischen Netanjahu und Trump gebe es keine ernsthafte Bedrohung für die Beziehungen zwischen Israel und den europäischen Staaten, gibt sich Shain optimistisch. Vor allem nicht mit Deutschland. «Die Verbindungen sind sehr eng und mit Berlin natürlich auch historisch verhaftet. Allein deshalb würde sich die deutsche Regierung niemals gegen Israel stellen. Auch wenn Kanzlerin Angela Merkel manchmal wütend auf Netanjahu ist, bleibt es doch meist bei Worten.» Unter der konservativen Regierung von Theresa May in Großbritannien sei auch diese Verbindung «so gut wie nie zuvor», mit Emmanuel Macron sei ebenfalls alles in Ordnung.
Mit vielen osteuropäischen Staaten habe Jerusalem zudem hervorragende Beziehungen, so mit Ungarn, das mit Viktor Orbán eine EU- und Immigranten-feindliche Politik fährt, oder mit Österreich, in dessen Regierung eine Partei sitzt, der Antisemitismus vorgeworfen wird. Vor allem ein gemeinsamer Nenner sei hier freundschaftsfördernd, erläutert Shain. «Während Westeuropa versucht, liberal zu bleiben, merken einige europäische Länder, dass die Liberalität überstrapaziert wurde, vor allem im Hinblick auf das Thema Immigration. Es herrscht ein gewisser Überdruss in Sachen Islam. Israel teilt diese Sicht – und spricht offen darüber. Das gefällt manchen in Europa sehr gut.»
Und was kommt für Israel nach Trump? Das sei eine gute Frage, meint Shain, doch eine, die natürlich niemand beantworten könne. «Israel setzt jetzt definitiv auf Donald Trump und versucht damit, alles zu holen, was zu holen ist.»