Nahost

Experten warnen Israel vor »ewigem Krieg« in Gaza

Ein Panzer der IDF am Mittwoch in Gaza Foto: picture alliance / Anadolu

Israel ist nach Einschätzung von Experten im Gaza-Krieg noch weit von einem Sieg über die islamistische Hamas entfernt. »Die Hamas ist überall im Gazastreifen präsent«, sagte Joost Hiltermann von der Denkfabrik International Crisis Group dem »Wall Street Journal«. »Die Hamas ist noch lange nicht besiegt.«

Die Terrororganisation sei zu einer Guerillataktik übergegangen, was in Israel die Befürchtung schüre, in einen »ewigen Krieg« zu geraten, berichtete die Zeitung in der Nacht zum Donnerstag. Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant hatte am Vorabend gewarnt, das Fehlen einer Alternative zur Hamas-Herrschaft in Gaza drohe Israels militärische Erfolge zu untergraben.

Die USA teilten Gallants Besorgnis, dass Israel dafür keine Pläne habe, sagte ein ranghoher US-Beamter der »Times of Israel«. Dadurch sei die Terrororganisation in der Lage, sich in von der Armee geräumten Gebieten neu aufzustellen und die Kontrolle wiederzuerlangen. Das sei »besorgniserregend«, hieß es.

Begrenzter Einsatz

Unterdessen hat Israel auf neue Attacken der Hisbollah im Norden reagiert. Libanesische Medien berichteten in der Nacht zum Donnerstag von schweren israelischen Luftangriffen im Raum Baalbek im Nordosten des Libanon. Von israelischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung dafür. Die Hisbollah-Terroristen im Libanon hatte kurz zuvor nach Angaben des israelischen Militärs rund 60 Geschosse auf den Norden Israels abgefeuert.

Die US-Regierung bekräftigte derweil angesichts von Berichten über eine neue Waffenlieferung an Israel ihre Unterstützung für das Land. Trotzdem könne man Bedenken mit Verbündeten teilen, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, am Mittwoch mit Blick auf Israels Vorgehen in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens. »Und wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir sicherstellen wollen, dass Israel in der Lage ist, sich zu verteidigen.«

US-Präsident Joe Biden hatte Israel gedroht, dass eine größere Bodenoffensive in der mit Binnenflüchtlingen überfüllten Stadt Konsequenzen für US-Waffenlieferungen haben könnte. Jean-Pierre machte deutlich, dass die USA davon ausgingen, dass es sich bisher um einen begrenzten Einsatz des israelischen Militärs in Rafah handele - nicht um eine große Bodenoffensive.

»Hit and Run«-Taktik

Unabhängig davon, ob Israel Rafah in vollem Umfang angreife oder nicht, werde die Hamas nach Auffassung aktiver und ehemaliger israelischer Militärs sowie nach Einschätzung der US-Geheimdienste wahrscheinlich überleben und in anderen Gebieten des abgeriegelten Küstenstreifens weiter bestehen, schrieb das »Wall Street Journal«.

Die Hamas wende eine sogenannte »Hit and Run«-Taktik an, bei der kleinere Gruppen von Kämpfern aus dem Hinterhalt zuschlagen und dann schnell wieder in Tunneln verschwinden würden, zitierte die Zeitung Sicherheitsanalysten.

Israels Offensive im Gazastreifen erziele zwar bereits Ergebnisse, die Hamas sei militärisch schon sehr dezimiert, sagte Verteidigungsminister Gallant. »Solange die Hamas aber die Kontrolle über das zivile Leben in Gaza bewahrt, kann sie sich wieder neu aufbauen und erstarken, so dass die israelische Armee zurückkommen und kämpfen muss, in Gebieten, in denen sie bereits im Einsatz gewesen war.«

Schaffung einer Regierungsalternative

Es gebe im Gazastreifen kein Machtvakuum, sagte Michael Milshtein, ein ehemaliger Leiter der Palästinenserabteilung des israelischen Militärgeheimdienstes, dem »Wall Street Journal«. Jeder Ort, den Israels Armee räume, werde von der Hamas besetzt. »Im Moment gibt es keine Alternative zur Hamas«, sagte Milshtein.

Galant hatte am Mittwoch die Unentschlossenheit Israels in der Frage kritisiert, wer nach dem Krieg in Gaza herrschen soll. Palästinensische Vertreter müssten – begleitet von internationalen Akteuren – die Kontrolle übernehmen und so eine Regierungsalternative zur Hamas-Herrschaft schaffen, forderte der Verteidigungsminister. Sonst blieben nur zwei negative Optionen: eine Fortsetzung der Hamas-Herrschaft oder eine israelische Militärherrschaft.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte dagegen zuvor erklärt, es sei sinnlos, vor einem Sieg über die Hamas über die künftige Verwaltung des Küstenstreifens zu sprechen. Bis klar sei, dass die Hamas nicht mehr militärisch in Gaza herrsche, werde kein anderer Vertreter bereit sein, die Zivilverwaltung in Gaza zu übernehmen – »aus Angst um seine Sicherheit«. dpa/ja

Debatte

Jüdischer Weltkongress verurteilt israelfeindlichen Weltkirchenrat

Es gibt reichlich Kritik an einer Erklärung des Weltkirchenrats, in der Israel »Apartheid« vorgeworfen wird. Nun reagiert der Jüdische Weltkongress - und hat Fragen an die Kirchen

 11.07.2025

"Newsmax"-Interview

Netanjahu zu Hamas: Werden diese »Monster« besiegen

Die Bemühungen um eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln im Gazastreifen dauern an. Israels Ministerpräsident Netanjahu hofft, dass es dazu bald kommt. Vorerst aber geht der Kampf gegen den palästinensischen Terror weiter

 11.07.2025

Tel Aviv/Ramallah

Israeli stirbt bei Anschlag im Westjordanland

Seit Beginn des Krieges ist die Lage auch im Westjordanland extrem angespannt. Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen und auch tödlichen Anschlägen auf Israelis

 11.07.2025

Meinung

Die Kirche schafft sich ab

Jetzt soll ausgerechnet der Antizionismus helfen, den gesellschaftlichen Niedergang der Kirche zu stoppen

von Josias Terschüren  10.07.2025

Israel

Eli Sharabis Bestseller bald auch auf Englisch

Zum zweiten Jahrestag des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 soll das Buch der ehemaligen Geisel veröffentlicht werden

von Sabine Brandes  10.07.2025

Westjordanland

Israeli stirbt bei Terroranschlag

Der 22-jährige Sicherheitsmann wurde in der Nähe des Einkaufszentrums von Gusch Etzion von zwei Männern angegriffen

 10.07.2025

Brüssel

EU-Chefdiplomatin lobt »konstruktiven Dialog« mit Israel

Die Außenbeauftragte Kaja Kallas hat in einer Erklärung Schritte zur Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen angekündigt

 10.07.2025

Nahost

Finanziert Katar den Wiederaufbau in Gaza?

Angeblich hat Israel grundsätzlich zugestimmt, dass Gelder aus dem Golfemirat bereitgestellt werden können

von Sabine Brandes  10.07.2025

Washington

Netanjahu: »Kein Geiseldeal um jeden Preis«

Von den 50 verschleppten Menschen in der Gewalt der Hamas sollen 20 noch am Leben sein

von Sabine Brandes  10.07.2025