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Eskalation in Katar?

Philipp Peyman Engel, Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen Foto: Marco Limberg

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Eskalation in Katar?

Es ist heuchlerisch, Katar als Friedensvermittler zu bezeichnen. Wer die Hamas in Gaza unterstützt, in Doha Terroristen hofiert und mit Al Jazeera weltweit den Hass auf den jüdischen Staat befördert, sollte sich nicht wundern, wenn Israel zurückschlägt

von Philipp Peyman Engel  10.09.2025 14:39 Uhr

Zurzeit kursiert auf israelischen Social-Media-Accounts ein Video, das auch hierzulande Beachtung verdient hätte. Das Video zeigt, wie fast die komplette Führungsriege der palästinensischen Terrororganisation Hamas in Katar die Massaker vom 7. Oktober 2023 live im Fernsehen verfolgt, ausgelassen feiert und schließlich im gemeinsamen Gebet ihrem Gott für das schlimmste Massaker an Juden seit dem Holocaust dankt.

Jenes Massaker wohlgemerkt, bei dem die Hamas mehr als 1200 unschuldige Menschen ermordete. Alte, Kinder, Babys, Holocaust-Überlebende. Hamas-Terroristen schnitten mit Kampfmessern israelischen Frauen die Brüste ab, währenddessen wurden sie vergewaltigt, dann getötet. Eltern wurden vor den Augen ihrer Kinder hingerichtet. Mehr als 250 Israelis wurden nach Gaza verschleppt.

Rund zwei Jahre später hat Israel nun am Dienstag auf den Terror der Hamas-Spitze in Katar reagiert, die – während sie den 7. Oktober plante – in Doha in Luxus lebte. Nach eigenen Angaben tötete Israel die Führungsspitze in einem präzisen Angriff.

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Noch ist unklar, ob Terror-Führer wie Khaled Meshal und Khalil al-Hayya wirklich getroffen wurden. Doch fest steht schon jetzt, dass Israel seine Politik der entschlossenen Reaktion auf den arabischen Terror – sei es im Libanon, im Jemen, in Syrien, in Gaza, im Westjordanland oder eben in Katar – weiter fortsetzen wird.

Netanjahu hatte die Armee und den Geheimdienst Schin Bet nur wenige Stunden nach einem palästinensischen Attentat in Jerusalem mit sechs toten Zivilisten aufgefordert, sich auf einen Angriff auf die Hamas-Führer im Ausland vorzubereiten.

»Unsere Feinde müssen wissen: Seit der Gründung Israels ist das Blut der Juden nicht billig«, betonte denn auch Israels Premier Benjamin Netanjahu nach dem Angriff bei einer Veranstaltung in der US-Botschaft in Jerusalem. »Die Terror-Anführer müssen wissen: Sie können nirgendwo mehr sicher sein.«

Nun könnte man einwenden, dass es politisch unklug ist, die Hamas ausgerechnet in jenem Land anzugreifen, das einen möglichen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln zwischen der Hamas und Israel vermittelt. Und nirgendwo wird diese Frage schärfer diskutiert als in Israel selbst. Doch zur unbequemen Wahrheit gehört auch, dass Katar ein zentraler Unterstützer der Hamas ist, ohne den es die Massaker vom 7. Oktober nicht gegeben hätte.

Ebenso wahr ist, dass Katar mit seinem TV-Sender Al Jazeera das Gift der Hamas-Propaganda und den Hass auf Juden weltweit unter die Menschen bringt und – anders als oft medial kolportiert – eben keinen hinreichenden Druck auf die Hamas ausübt, damit die Terroristen die Waffen niederlegen, die Geiseln freilassen und somit den Krieg innerhalb von Sekunden beenden.

Umso verwunderlicher sind nun, einmal mehr, insbesondere die deutschen Reaktionen nach den Angriffen Israels auf die Terror-Führer. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) verurteilte den Angriff. In einem Telefonat mit Emir Tamim bin Hamad Al Thani bezeichnete Merz die Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität Katars durch den israelischen Angriff auf die Top-Terroristen als »nicht akzeptabel«, wie Regierungssprecher Stefan Kornelius mitteilte.

Außenminister Johann Wadephul (CDU) verurteilte den israelischen Angriff auf die Führungsspitze der Hamas in Katar ebenfalls scharf. »Der Angriff Israels in Doha verletzt nicht nur die territoriale Souveränität Katars, sondern gefährdet auch unser aller Bemühungen zur Freilassung der Geiseln. Dieser Schlag ist inakzeptabel«, erklärte der CDU-Politiker am Abend in Berlin.

Um es klar zu sagen: Diese Reaktionen, gerade von einem Unions-Kanzler und einem Unions-Außenminister, sind beschämend.

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Sprach jemand im politischen Berlin von einer Verletzung der territorialen Souveränität Pakistans, als Osama bin Laden getötet wurde? Als IS-Chef Abu Bakr al-Baghdādī, der ähnlich viel Blut an den Händen hatte wie die Hamas-Anführer, getötet wurde? Nein. Und zwar zu Recht.

So wird Israel einmal mehr vom Staat, der sich gegen Terror erwehren muss, zu einem Staat, der willkürlich und angeblich gänzlich ohne Grund eskaliert. Es soll sich keiner wundern, dass Israel angesichts dessen zum Paria der Welt erklärt wird und nicht zum notwendigerweise wehrhaften Staat inmitten von Nachbarn, die Israel nach wie vor nur allzu gern auslöschen möchten.

engel@juedische-allgemeine.de

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