Nahost

Erneut schwere Kämpfe im Norden Gazas

Nach einem Angriff gegen den Terror im Süden Gazas steigt Rauch auf. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Ein Wiederaufflammen heftiger Gefechte zwischen Israels Armee und der palästinensischen Terrororganisation Hamas im Norden des Gazastreifens überschattet die neu belebten Verhandlungen über die Freilassung von Geiseln und eine Waffenruhe. Israel geht in Gaza-Stadt erneut am Boden und aus der Luft gegen Hamas-Terroristen vor.

In den vergangenen Wochen kehrten die israelischen Streitkräfte wiederholt in Gebiete zurück, in die sie im Kampf gegen den Terror zuvor eingedrungen waren und aus denen sie sich zunächst zurückgezogen hatten.

Dies zeige, wie der Kampf gegen die Hamas zu einem »langwierigen Zermürbungskrieg« werden könnte, schreibt das »Wall Street Journal«. Das erneute Vorgehen Israels in Gaza könne dazu führen, dass die in Kairo wiederaufgenommen indirekten Verhandlungen über ein Geiselabkommen scheiterten, erklärten die Aggressoren der Hamas, die diesen Krieg am 7. Oktober mit ihren Massakern in Israel begannen.

Chefterrorist Hanija warnt Vermittler

Ihr Auslandschef Ismail Hanija habe die katarischen und ägyptischen Vermittler entsprechend gewarnt, hieß es. Die USA, die in dem Krieg ebenfalls als Vermittler fungieren, sehen dennoch Chancen für eine Einigung.

Es gebe noch Punkte, bei denen Israel und die Hamas weit auseinanderliegen würden, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby. »Aber wir hätten kein Team dorthin geschickt, wenn wir nicht glauben würden, dass wir hier eine Chance haben«, erklärte er mit Blick auf die Gespräche in Kairo.

Am Mittwoch reise CIA-Direktor Bill Burns nach Doha weiter, um sich dort mit seinen Verhandlungspartnern aus Katar, Ägypten und Israel erneut zu treffen, meldete das US-Nachrichtenportal »Axios«.

»Zusätzliche Hindernisse«

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte zuvor als eine nicht verhandelbare Bedingung für ein Abkommen das Recht für Israel zur Fortsetzung der Kämpfe gegen die Hamas eingefordert. »Jedes Abkommen wird Israel erlauben, die Kämpfe wieder aufzunehmen, bis alle Kriegsziele erreicht sind«, heißt es in einer Liste an Bedingungen, die das Büro des israelischen Ministerpräsidenten veröffentlichte.

Netanjahu lege »den Verhandlungen zusätzliche Hindernisse in den Weg«, heißt es in einer Erklärung der Hamas. Tatsächlich hatte Israel diese Bedingung schon vor Monaten gestellt, während die Hamas ein Ende ihres Krieges fordert, um sich neu aufstellen zu können. Erklärtes Ziel der Hamas ist eine Vernichtung Israels. Weitere Massaker hat sie bereits angekündigt.

Sowohl bei den Hamas-Terroristen als auch im demokratischen Staat Israel gebe es öffentliche Äußerungen, »die nicht unbedingt in vollem Umfang die Gespräche widerspiegeln, die wir mit ihnen oder ihren Gesprächspartnern unter vier Augen führen«, sagte dazu der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, Kirby.

Strittige Punkte

Auf dem Tisch liegt ein Stufenplan. Die Vermittler bemühen sich derzeit um Formulierungen, um die Kluft in noch strittigen Punkten zu überbrücken. Netanjahus Auflistung an Bedingungen war in Vermittlungskreisen Medien zufolge auf Kritik gestoßen.

Unterdessen griff Israels Luftwaffe auch im mittleren Gazastreifen mehrere in einem Schulgebäude verschanzte Terroristen an. Wie Israels Militär mitteilte, wurde die Gruppe aus Kämpfern der Hamas und des Islamischen Dschihad (PIJ) im Raum Nuseirat am Montagabend mit Präzisionsmunition beschossen.

Die israelische Armee wies einmal mehr darauf hin, die beiden Terrororganisationen verstießen »systematisch gegen das Völkerrecht«, »indem sie zivile Einrichtungen und die Bevölkerung als menschliche Schutzschilde für Terroranschläge gegen den Staat Israel missbrauchen«, hieß es.

Einsatzbasis für Attacken

In Nuseirat hatte die Armee kürzlich Hamas-Terroristen auch im Areal einer ehemaligen Schule des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA ausgemacht und aus der Luft angegriffen. Auch dieses Objekt habe den Terroristen als Versteck und Einsatzbasis für Attacken auf das israelische Militär gedient, erklärte die Armee dazu. Und auch bei dem Angriff seien zuvor Schritte unternommen worden, um das Risiko für Zivilisten zu minimieren.

Unterdessen erreichte Israels Armee die Zentrale des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA in der Stadt Gaza. Die Streitkräfte hätten in dem Areal, das wegen des Krieges nicht in Betrieb ist, Anti-Terror-Einsätze eingeleitet, hieß es. Zivilisten seien zuvor zum Verlassen des Gebiets aufgefordert worden.

In das Gebiet der Stadt Gaza waren die israelischen Truppen bereits im ersten Kriegsmonat eingedrungen. Laut einer Analyse von Satellitendaten, die kürzlich von Experten der City University of New York und der Oregon State University durchgeführt wurde, sind rund 75 Prozent der Gebäude in dem Gebiet beschädigt oder zerstört, berichtete das »Wall Street Journal«.

Stabilisierung und Verwaltung

Die Stadt ist von den massiven Verwüstungen in dem vom palästinensischen Terror begonnenen Krieg mit am schwersten betroffen. Inzwischen versucht die Hamas, sich dort und andernorts neu zu gruppieren.

Man müsse mangels einer politischen Strategie immer wieder an Orten kämpfen, die die Armee eigentlich zuvor eingenommen hatte, hatte bereits vor Wochen Israels Generalstabschef Herzi Halevi beklagt und laut Medienberichten vor einer »Sisyphusarbeit« gewarnt.

Kritiker werfen Netanjahu vor, mangels eines genauen Plans zur Stabilisierung und Verwaltung Gazas zuzulassen, dass das abgeriegelte Küstengebiet im Chaos versinkt. Israels Truppen drohten, von der Hamas in einen endlosen Guerilla-Krieg verwickelt zu werden.

Strategische Stellen

Israels Ministerpräsident Netanjahu hatte kürzlich in Aussicht gestellt, dass die letzten größeren Kampfverbände der Hamas im Süden des Gazastreifens bald zerschlagen seien. Damit könnte zumindest die großangelegte Bodenoffensive in dem Küstenstreifen enden.

Das würde aber nicht unbedingt ein Ende des Militäreinsatzes bedeuten. Denn Netanjahu und hohe Militärs kündigten bereits mehrfach an, dass israelische Truppen auch nach der Phase der intensiven Kämpfe an strategischen Stellen im Gazastreifen bleiben müssten, um den Terror weiter zu unterbinden. dpa/ja

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