Porträt

Ellas Traum

Verwirklichte ihren Kindheitstraum: Majorin Ella Waweya (34) Foto: IDF

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Ellas Traum

Wie eine junge Frau die erste muslimisch-arabische Majorin in der israelischen Armee wurde

von Janne Kubik  15.03.2024 13:27 Uhr

Vor einigen Tagen war folgender Post auf der Social-Media-Plattform Instagram zu lesen: »Willkommen im März, willkommen im Frauenmonat, willkommen in unserem Monat als Frauen des Universums, wenn Sie wie ich oder eine der folgenden sind: Frau, Araberin, Orientalin, Muslimin, Israelin und Anführerin! #Friday_Blessed #Women_Our_Pride«. Absenderin war Ella Waweya, ihren Fans und Gegnern eher bekannt als »Captain Ella«.

Die 34-Jährige ist die arabische Stimme der israelischen Armee (IDF). Unermüdlich erklärt sie Followern, Zuhörern und Zuschauern die aktuelle Lage in Gaza, aber auch Details zu den Kommunalwahlen. Oder sie feiert den Weltfrauentag. Eine authentische junge Frau, ebenso stolze Araberin wie Israelin, die das Land auf Arabisch und für die arabische Welt erklärt. Auf allen Kanälen von TikTok über X bis YouTube.

Das sorgt natürlich nicht nur für Zuspruch. Israelische Araber, die sich zum jüdischen Staat bekennen, haben es in der eigenen Community nicht leicht. In einem Interview mit dem »Jewish News Syndicate« (JNS) erinnerte sich Waweya, die in der Stadt Qalansawe östlich von Netanya geboren wurde, an die ersten Zweifel, die sie als Jugendliche überkamen. Praktisch alle Einwohner ihres Heimatortes sind muslimische Araber. Ella Waweya ist Spross einer konservativen, religiösen Familie. Dennoch habe sie bereits in jungen Jahren gewusst, dass sie ein Teil der israelischen Gesellschaft sein will.

Einseitige Berichte von Al Jazeera über Zweite Intifada

Sie wisse noch, wie ihre Familie sich die einseitigen Berichte des katarischen Senders Al Jazeera über die Zweite Intifada ansah. Da war sie zwölf Jahre alt. Sie sei erschüttert gewesen über das Bild Israels, das dort vermittelt wurde, so ein Bericht in »AllIsraelNews«. Und verwirrt darüber, ob sie denn nun arabische Israelin oder Palästinenserin war. Damals sei ihr eines klargeworden: dass sie Journalistin werden und die Perspektive zeigen wollte, die Al Jazeera nicht präsentierte – die des Staates Israel.

Bis zu ihrem 16. Lebensjahr habe ihre Identität für sie ein Dilemma bedeutet, so Waweya weiter. »Es war, als säße ich in einer Art Blase, als käme ich aus einer Höhle in eine andere, sehr fremde Welt.« Diese andere Welt öffnete sich vollends, als sie mit 16 ihren israelischen Personalausweis bekam. Damit sei eine entscheidende Identitätsfrage geklärt gewesen: Sie war Israelin. Nach der Schule entschied sie sich, Kommunikationswissenschaften zu studieren. Zeitgleich arbeitete sie nachts im Rahmen des zivilen Ersatzdienstes Sherut Leumi ehrenamtlich in der Notaufnahme eines Krankenhauses in Kfar Saba. In der wenigen Zeit, die blieb, moderierte sie zudem eine Radiosendung.

»Hier ist mein Platz, um das Bild Israels in der arabischen Gesellschaft zu verändern.«

Ella Waweya

Eines Nachts im Krankenhaus habe sie sich während einer Pause mit einem Sicherheitsbeamten unterhalten, der der beduinischen Minderheit angehörte. Wie alle arabischen Israelis, die 21 Prozent der Bevölkerung des Landes ausmachen, unterliegen die Beduinen nicht der Wehrpflicht, obwohl einige von ihnen hoch angesehen in der IDF dienen. Der Wachmann, der in der Armee gewesen war, fragte Waweya, warum sie sich für den Ersatzdienst und nicht für den Militärdienst entschieden habe. In dem Augenblick habe sie überhaupt erst begriffen, dass sie als arabische Muslimin tatsächlich in die IDF eintreten konnte.

Wendepunkt in ihrem Leben

Der eigentliche Wendepunkt in ihrem Leben kam, als sie bald darauf für ihr Radioprogramm zu einer Diskussionsveranstaltung in Eilat eingeladen wurde, auf der auch der Chefsprecher der Armee anwesend war. Es ging um die Wehrpflicht für Charedim. Nachdem ein Redner die Meinung vertrat, dass die Ultraorthodoxen nicht im Militär dienen sollten, ergriff Waweya wütend das Wort. Sie sagte, dass der Redner sich schämen solle und sie als Muslimin gern in der IDF dienen würde.

»Plötzlich – ich verstand nicht, warum – standen alle auf und applaudierten mir«, erinnert sich Waweya. Am Ende der Veranstaltung seien der damalige Armeesprecher, Brigadegeneral Yoav Mordechai, und der inzwischen verstorbene Militärkorrespondent Roni Daniel vom israelischen Fernsehsender Channel 12 auf sie zugekommen – ein Ereignis, das sie auch zehn Jahre später noch emotional werden lässt. »Ich ziehe meinen Hut vor Ihnen«, habe Mordechai gesagt.

Und dann ging alles ganz schnell: Zwei Tage später wurde Waweya zu einem Vorstellungsgespräch ins Büro des IDF-Sprechers in Tel Aviv geladen, und kurz darauf bekam sie einen der begehrten Jobs in der Pressestelle. Im Alter von 24 Jahren fand sich Waweya, die bis dahin nicht wusste, dass es bei der IDF überhaupt waffenfreie Positionen gab – in einer Uniform wieder. Und bald darauf wurde sie bereits vom israelischen Präsidenten als »herausragende Soldatin« geehrt, was ihre Eltern aus der Zeitung erfuhren.

Ja, ihre Familie habe Zeit gebraucht, ihre Entscheidung zu akzeptieren, zitiert der »Jewish Chronicle« die Sprecherin. So habe sie erst nach dem Tod ihres Vaters, der 2020 an den Folgen von Corona starb, erfahren, wie stolz er auf seine Tochter war. Doch als Waweya 2021 als erste arabisch-muslimische Frau in der Geschichte Israels in den Rang einer Majorin erhoben wurde, kam ihre Mutter strahlend vor Freude und Stolz zur Zeremonie.

»Hier ist mein Platz, um das Bild Israels in der arabischen Gesellschaft zu verändern und den Zusammenhalt des Staates Israel unter Beweis zu stellen«, sagt Waweya, die ihren Kindheitstraum verwirklicht hat. Sie ist Journalistin geworden und ein fester, wichtiger Teil der israelischen Gesellschaft. »Ich zeige, dass die IDF sich um alle Bewohner Israels kümmert. Die Bomben der Hamas machen keinen Unterschied zwischen Juden und Arabern.«

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