Das letzte Mal, als sie einander sahen, herrschte völlige Finsternis. Eine Dunkelheit, wie sie nur an einem wenigen Ort existiert. Alon Ohel und Eli Sharabi waren als Geiseln in den Terror-Tunneln der Hamas in Gaza eingekerkert, gefesselt, beraubt jeglicher Freiheit. Nun begegneten sie sich wieder – diesmal im Licht, diesmal als freie Menschen. »Wie sehr wir auf diesen Moment gewartet haben. Es ist ein Traum, der wahr geworden ist, schrieb Alon Ohel anschließend in den sozialen Medien. «Wir haben gewonnen.»
In einem emotionalen Interview mit Kanal 12, das am Montagabend ausgestrahlt wird und aus dem bereits am Tag zuvor erste Ausschnitte veröffentlicht wurden, erzählt Ohel, wie sehr ihm Sharabi während der Gefangenschaft Halt gegeben habe. «Unzählige Male», sagt der 24-Jährige unter Tränen.
Er erinnert sich auch daran, wie der zweifache Familienvater von seiner Frau und seinen Töchtern erzählte und «was für eine Familie» sie gewesen seien. «Welchen Vater diese Mädchen hatten…», so Ohel, «was für einen unglaublichen Vater». Auf die Frage des Reporters, was Eli Sharabi für ihn ist, antwortet der junge Israeli, sichtlich bewegt: «wie ein Vater».
Eli Sharabis Frau und Töchter wurden von der Hamas ermordet
Beide Israelis wurden am 7. Oktober 2023 während des Hamas-Massakers verschleppt – Ohel vom Nova-Musikfestival, Sharabi aus dem Kibbuz Be’eri. Die schlimmste Katastrophe in Israels Geschichte mit mehr als 1200 Toten und 251 Geiseln hat hier tiefe Spuren hinterlassen. Vor dem Haus der Sharabis wehen schwarze Plakate im Wind: «In diesem Haus lebten Lianne, Noiya und Yahel …» steht darauf geschrieben.
Die Mutter und ihre beiden Töchter, 16 und 13 Jahre alt, wurden von Terroristen ermordet. Vater und Ehemann Eli sowie sein Bruder Yossi wurden entführt. Yossi Sharabi wurde später von der israelischen Armee für tot erklärt, getötet bei einem IDF-Angriff gegen Terroristen.
Für Ohel hätte nur zwei Tage später ein neuer Lebensabschnitt beginnen sollen. Während seine Eltern in der nördlichen Gemeinde Lavon leben, plante er den Umzug in die Metropole am Mittelmeer: Tel Aviv. Zusammen mit Freunden hatte er eine Wohnung gemietet. Obwohl er zwei Jahre lang nicht einziehen konnte, blieb sein Zimmer unangetastet – vollständig eingerichtet, als würde er jeden Moment die Tür öffnen.
Alon Ohel: «Ich bin nicht nur Alon Ohel, die Geisel, die überlebte. Ich bin ein Zeichen der Hoffnung. Ich möchte, dass die Menschen mich ansehen und verstehen, dass man so etwas überstehen kann.»
Eli Sharabi kehrte im Rahmen eines Waffenstillstands und Geiselabkommens am 8. Februar zurück, Alon Ohel am 13. Oktober mit 19 weiteren überlebenden jungen Männern.
Nun, da er endlich wieder zu Hause ist, berichten seine Eltern Idit und Kobi in israelischen Medien freudig, dass er bereits an das Leben anknüpft. Sie hatten befürchtet, er könne sich zurückziehen und sich von der Welt abschotten, doch das Gegenteil trat ein. «Er möchte seine Unabhängigkeit zurück. Er ist entschlossen, sich neu aufzubauen, setzt sich Ziele, plant seine Zukunft und arbeitet daran, seine Finger wieder so weit zu stärken, dass er Musik machen kann», erzählen sie. Selbst die behandelnden Ärzte seien erstaunt über Alons Entschlossenheit.
Auch wenn klar ist, dass er eine langfristige Rehabilitation brauchen wird, sind seine Eltern beeindruckt von seiner inneren Stärke. «Neulich sagte er zu mir: ‚Mama, ich bin nicht nur Alon Ohel, die Geisel, die überlebt hat. Ich bin ein Zeichen der Hoffnung. Ich möchte, dass die Menschen mich ansehen und verstehen, dass man so etwas überstehen kann.‘» So sei er, fügt seine Mutter hinzu: «Immer vorwärts, immer auf der Suche nach Licht.»
Sieben Monate lang waren Ohel und Sharabi Seite an Seite angekettet, kämpften um jeden Tag. «Kurz vor Elis Freilassung gaben die Entführer ihnen etwas mehr zu essen, weil sie wussten, dass er bald gehen würde. Eine Woche vor seiner Freilassung nahmen sie ihnen die Ketten ab. Und dann ging Eli – und Alon blieb zurück. Diese Trennung war verheerend», wissen die Eltern von Alon heute.
Ihre Verbindung sei «tief, beinahe heilig»
«Er liebt Eli wie seine eigene Familie. Als sie sich nach der Freilassung wiedersahen, brachen beide in Tränen aus. Ihre Verbindung ist tief, beinahe heilig. Eines der kleinen Wunder in all dem ist, dass sie überhaupt zusammengefunden haben.»
Nach Sharabis Freilassung blieb Alon noch monatelang in den Tunneln, vollkommen isoliert. «Er wurde am 51. Kriegstag hinuntergebracht und sah nie wieder Tageslicht.» Er habe in seinem Inneren überleben müssen, habe leise gesungen, imaginäre Melodien auf die Matratze geklopft, meditiert und versucht, sich von den Schrecken um ihn herum zu lösen. «Und immer wieder sagte er sich: ‚Das muss eines Tages enden.‘ Dieser Glaube – diese beharrliche Hoffnung – hat ihn am Leben gehalten.»
Und nun ist er zurück. In Freiheit, im Leben – und auch in den sozialen Medien. Am Sonntag postete er sein erstes Selfie-Video. «Wie geht’s euch, gute Leute?», fragt er darin, während er an einem Strand steht. «Ich bin wieder da – und langsam, aber sicher kehre ich auch zu Instagram zurück. Also, seid sanft mit mir…»