Diplomatie

Eine neue Vision?

Historisches Treffen: Naftali Bennett (l.) und Abdel Fattah al-Sisi Foto: Government Press Office

Die Jerusalemer Gerüchteküche brodelt. Nachdem sich Verteidigungsminister Benny Gantz kürzlich offen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas getroffen hatte und Premierminister Naftali Bennett am Montag mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi zusammenkam, vermuten viele, dass wieder mehr Bewegung in die israelisch-palästinensischen Beziehungen kommen könnte.

Während Bennetts Büro nach dem Gantz-Abbas-Treffen noch dementierte und erklärte, es sei in dem Gespräch lediglich um »Routineangelegenheiten« gegangen und dass es derzeit keinen Friedensprozess geben werde, waren die Töne nach seinem Besuch in Scharm el-Scheich weniger kategorisch. Es sieht ganz danach aus, als wolle der Präsident des Nachbarn im Süden ebenjenen Prozess wieder in Gang bringen.

Erstmals seit zehn Jahren reiste mit Bennett wieder ein israelischer Ministerpräsident offiziell nach Ägypten. Das dortige Präsidialamt veröffentlichte ein Foto der beiden. Nach Angaben aus Jerusalem unterhielten sie sich unter anderem über Wege, wie man die bilaterale Kooperation vertiefen könne. Besonders der Handel soll vorangebracht werden. Auch internationale Anliegen standen auf der Tagesordnung.

rolle Bennett dankte al-Sisi für seine wichtige Rolle in der Region und betonte die Bedeutung des existierenden Friedensvertrages zwischen den beiden Nationen, der seit vier Jahrzehnten ein Fundament für die Stabilität in Nahost sei. »Das Treffen war sehr wichtig und sehr gut«, fasste er anschließend zusammen. »Wir haben eine Basis für tiefere Verbindungen in der Zukunft geschaffen.«

Ob es bei dem Gespräch auch konkret um die Wiederbelebung eines Prozesses zur Beendigung des Nahostkonfliktes ging, ist nicht bekannt. Zuvor hatte der israelische Regierungschef zumindest vordergründig nichts von einer Friedensinitiative wissen wollen. Allerdings habe er durchaus wirtschaftliche Erleichterungen für die Palästinenser im Sinn. Angeblich plant Bennett gemeinsam mit dem nationalen Sicherheitsberater Eyal Hulata Schritte, um die Lebensqualität der Palästinenser zu verbessern.

KREDIT Nach dem Gantz-Abbas-Treffen soll zunächst Geld an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) fließen. Gantz sagte einen Kredit in Höhe von einer halben Milliarde Schekel zu, umgerechnet etwa 130 Millionen Euro. Vor allem soll damit die Wirtschaft im Westjordanland gerettet und verhindert werden, dass die Terrororganisation Hamas sich weiter einnistet. Israel wird den Kredit aus einbehaltenen palästinensischen Steuergeldern bedienen. Es ist das erste Mal seit rund elf Jahren, dass sich ein hochrangiger israelischer Politiker mit der Palästinenserführung getroffen hat. Die Vermittlerin in Palästinenserangelegenheiten, Zipi Livni, hatte zwar 2014 Abbas getroffen, allerdings gegen den ausdrücklichen Willen des damaligen Premiers Netanjahu.

Erstmals seit zehn Jahren reiste wieder ein Ministerpräsident Israels nach Ägypten.

Nur einen Tag vor der Visite in Ägypten hatte sich Bennetts Koalitionspartner, Außenminister Yair Lapid (Jesch Atid), überraschend geäußert. Am Wochenbeginn präsentierte er eine neue Vision für die Entwicklung des Gazastreifens auf einer Konferenz der Reichman-Universität in Herzlija. »Die bisherige restriktive israelische Politik hat sich als nicht effektiv erwiesen, um die Angriffe der Hamas oder anderer Terrorgruppen zu verhindern«, sagte er.

HAMAS »Blockade und Kriege helfen nicht.« Stattdessen solle es nun heißen: »Wirtschaft für Sicherheit«. Ein derartiger Schritt, so Lapid, »würde die Stabilität auf beiden Seiten der Grenze fördern«. Israel müsse sich auf diesen Mehrjahresplan einlassen, und die internationale Gemeinschaft sowie die Bewohner von Gaza müssten einsehen, dass der Terror der Hamas es ihnen nicht ermöglicht, ein normales Leben zu führen. Zugleich machte er deutlich, dass er keine direkten Verhandlungen mit der Hamas anstrebe, sondern stattdessen ein Abkommen, das mithilfe internationaler Vermittlung erarbeitet und von Ägypten geleitet wird.

Die Palästinensische Autonomiebehörde will Lapid darin eingebunden wissen. Es ist ein kompletter Bruch mit der Politik Netanjahus, der stets betont hatte, es gebe keinen Partner für Frieden bei den Palästinensern. Lapid indes ist der Auffassung, dass man die PA stärken und die Hamas schwächen muss. »Es ist kein Vorschlag für Verhandlungen mit der Hamas. Israel wird keine Terrororganisation belohnen und die PA schwächen, die mit uns regelmäßig zusammenarbeitet.«

KEHRTWENDE Lapids Vorschlag ist eine Kehrtwende der Politik der vergangenen zehn Jahre, die nicht nur viele Sicherheitsexperten im Land bereits seit einer Weile fordern. Auch die Armeeführung versuchte jahrelang, die Politiker der vorherigen Regierung dazu zu bewegen, die humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern.

Israel hatte sich 2005 aus Gaza zurückgezogen. Seitdem gab es immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas, zuletzt im Mai dieses Jahres. »Wir können diese Situation nicht hinnehmen«, so der Außenminister, der betonte, dass sowohl der Verteidigungsminister als auch der Premier seine Haltung unterstützen. »Israel hat die Pflicht, seinen Bürgern mitzuteilen, dass er alles versucht, um Gaza in den Griff zu bekommen.«

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