Meinung

Ein fatales Signal

Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin Foto: picture alliance/dpa

Ein Bild, das alles sagt: Annalena Baerbock, Deutschlands Außenministerin, trifft Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Sie hält leise lächelnd seine Hand.

Und lobt ihn für seinen wichtigen Beitrag zur UN-Resolution für eine Waffenruhe in Gaza, für den Rest des Fastenmonats Ramadan. Abbas hat sich nach Monaten gegen den Angriff der palästinensischen Hamas-Terroristen auf Israel gestellt.

Die Außenministerin auf Nahost-Mission: Israel kommt später dran. Erst besucht sie Abbas und arabische Staaten. Im Vordergrund stehen für sie die mehr als eine Million Binnenflüchtlinge und deren Leid. Baerbock fordert, aus dem »Drehbuch des Terrors auszubrechen« – von Israel!

Antiisraelismus und Antizionismus werden zu Varianten des alten Spruchs: Die Juden sind schuld.

Zwar wird in der UN-Resolution vom Montag von der Hamas auch die Freilassung der verbliebenen rund 130 israelischen Geiseln verlangt. Allerdings fehlt vom 7. Oktober an, dem Tag des Massakers in Israel mit rund 1200 Toten, bis heute eine eindeutige Verurteilung des Hamas-Terrors. Und die ultimative Forderung an die Terrororganisation, den Krieg sofort zu beenden, indem sie die Waffen niederlegt.

Das alles hat der Sicherheitsrat nie getan. Die arabische Staatengruppe, die Russen und die Chinesen sagten nein. Jetzt wurde die dritte Resolution seit dem 7. Oktober verabschiedet, die es versäumt, die Taten und die Täter zu verdammen. Und die USA haben sich nur enthalten.

Sie sagen, weil ihnen das Vorgehen der israelischen Truppen nach dem 7. Oktober in ganz Gaza zu viel wird. Jetzt mit der geplanten Bodenoffensive in Rafah, dem Rückzugsort der Hamas-Führung und ihrer letzten Bataillone. Zu viele Tote, zu viele Verletzte, zu viel Leid für die Zivilbevölkerung.

Mehr als 11.000 Lastwagen sind nach israelischen Angaben seit dem 7. Oktober über die Grenze gekommen – etwas mehr als 90 Lkw am Tag.

Dass Israels Armee bei ihrem Vormarsch trotz aller Kämpfe die Verhältnismäßigkeit zu wahren versucht, dass sie die Menschen am Ort zu ihrem Schutz vor Angriffen warnt – das findet weder Widerhall noch Würdigung.

Dabei sagen Militärfachleute, dieses Verhalten sei bisher weltweit einzigartig und senke die Zahl der zivilen Opfer, ungefähr auf die Höhe der militärischen, insgesamt deutlich unter den offiziell genannten. Das prüft nur niemand. Es redet auch keiner darüber, nicht die USA, nicht Deutschland.

Diese Stille und dieses Missverhältnis im Blick auf Israel wird umso erstaunlicher, als es in zurückliegender Zeit in anderen Konflikten enorme Opferzahlen unter arabischen Muslimen gab, die so niemand verurteilt hat.

Die Soldaten kämpfen für die Freilassung der Geiseln und für die Zukunft der Kinder in Israel.

Zum Beispiel, als 2016 und 2017 die irakische Armee mit Luftunterstützung der USA in Mossul nicht wenige Monate, sondern fast ein ganzes Jahr rund 4000 Terroristen des »Islamischen Staats« bekämpfte.

Getötet wurden mehr als 11.000 Zivilisten. Von den Opfern im schon zwei Jahre dauernden Krieg um die Ukraine zu schweigen.

Nun steht Israel allerdings deutlich mehr als 4000 IS-Terroristen gegenüber, und mehr als einem Feind. Es befindet sich seit dem 7. Oktober unter Beschuss aus vier Gebieten, zusätzlich zum nächtlichen Antiterrorkampf im Westjordanland.

Israel, wo die Menschen unter dem Trauma des 7. Oktober leben, ist gefangen in diesem schweren Krieg in Gaza und an der Nordgrenze mit der vom Iran unterstützten Hisbollah. Gefangen deshalb, weil es nicht verlieren darf, in keinem Gebiet, an keiner Grenze, sonst ist es als Staat, als Nation verloren.

Es sind etwa 200.000 Menschen an der libanesischen Grenze, die nicht in ihre Häuser zurückkehren können, weil dort jeden Tag etliche Raketen fallen.

Allein in einer der letzten Nächte schickte die Hisbollah 50 Geschosse. Dabei will Israel den Libanon weder besetzen noch besiedeln oder gar ethnisch säubern. Israels Kampf gilt Terroristen, keiner Ethnie.
Inzwischen wird – wie die USA und auch Baerbocks Reiseplanung deutlich machen – die israelische Regierung unter Premier Benjamin Netanjahu mehr oder weniger kategorisch abgelehnt.

Baerbock fordert, aus dem »Drehbuch des Terrors auszubrechen« – von Israel!

Allerdings verkennt das die sehr weitgehende Unterstützung der Israelis für den harten Kurs. Und niemand kämpft in Gaza für den Regierungschef oder für den Generalstabschef. Die Soldaten kämpfen für die Freilassung der Geiseln und für die Zukunft der Kinder in Israel.

Umgekehrt wird die Zustimmung von 70 Prozent der Palästinenser zum Vorgehen der Hamas bei validen Umfragen nicht weiter gewertet. Oder dass es die Hamas ist, die humanitäre Hilfe blockiert und, wo sie es nicht tut, Material für die Terroristen unter Nahrung, medizinischem Material und Zelte zu verstecken versucht. Weil sie Israel unverändert auslöschen will, die Israelis als Ethnie.

Mehr als 11.000 Lastwagen sind nach israelischen Angaben seit dem 7. Oktober über die Grenze gekommen – etwas mehr als 90 Lkw am Tag. Die Welt prüft auch das nicht.

Die Bilder vom Elend und Leid der Palästinenser sind dagegen täglich zu sehen. Dass und wie sie von der Hamas als Schutzschilde missbraucht werden, sieht man nicht.

Nachdem die Hamas die Entscheidung des Sicherheitsrats begrüßt hat, schickt sie als Gruß Raketen aus Gaza hinterher.

Aber dass Russland Verbündete wie Syriens Machthaber Baschar al Assad immer weiter unterstützt, sich hingegen der Westen, angeführt von der Biden-Administration, von der einzig funktionierenden Demokratie im Nahen Osten abwendet, geht jetzt als fatales Signal um die Welt.
So titelt denn auch der weltweit renommierte »Economist«: Israel allein, »Israel Alone«. Antiisraelismus und Antizionismus werden zu Varianten des alten Spruchs: Die Juden sind schuld.

Nachdem die Hamas die Entscheidung des Sicherheitsrats begrüßt hat – den Teil zur Waffenruhe, nicht zu den Geiseln – schickt sie als Gruß Raketen aus Gaza hinterher. So weit zum Waffenstillstand.
Und Annalena Baerbock hält leise lächelnd die Hand von Abbas. Des Palästinenserpräsidenten, der seinen Antisemitismus nicht revidiert. Der klar sagt, dass in einem palästinensischen Staat kein Israeli toleriert werden würde.

Der Autor ist Herausgeber des »Tagesspiegel«, wo der Text zuerst erschien.

Tel Aviv

Was passiert nach Netanjahus Begnadigungsantrag?

Versuche, die Prozesse durch eine Absprache zu beenden, gab es bereits. Selbst die Richter regten eine Einigung an. Wie steht es um die beantragte Begnadigung?

 01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Ehemalige Geiseln

»Eli war wie ein Vater für mich«

Alon Ohel und Eli Sharabi treffen sich nach der Freilassung zum ersten Mal wieder

von Sabine Brandes  01.12.2025

Haifa

Nach abgesagter Auktion: Holocaust-Zeugnisse jetzt in Israel

Die geplante Versteigerung von Holocaust-Zeugnissen in Deutschland hatte für große Empörung gesorgt. Nun wurden viele der Objekte nach Israel gebracht und sollen dort in einem Museum gezeigt werden

von Sara Lemel  01.12.2025

Jerusalem

Sa’ar kritisiert geplante Umbenennung des Dubliner Chaim-Herzog-Parks

Israels Präsident und Außenminister üben scharfe Kritik. Von einem »schändlichen und beschämenden Schritt« ist im Büro Isaac Herzogs die Rede

 01.12.2025

Tel Aviv

Tausende demonstrieren für Ran Gvili und Sudthisak Rinthalak

Der Vater von Ran Gvili sagt, es dürfe keinen »nächsten Schritt« geben, solange die Terroristen die letzten Leichen nicht herausgäben

 01.12.2025

Jerusalem

Bennett befürwortet Begnadigung Netanjahus – unter einer klaren Bedingung

Israel sei »ins Chaos und an den Rand eines Bürgerkriegs geführt worden«, so der Oppositionspolitiker. Um das Land aus dieser Lage herauszuholen, unterstütze er ein »verbindliches Abkommen«

 01.12.2025

Jerusalem

Netanjahu bittet Israels Präsidenten um Begnadigung

US-Präsident Trump hat eine Begnadigung des wegen Korruption angeklagten Regierungschefs Netanjahu gefordert. Nun schreibt Netanjahu selbst ein Gnadengesuch. Israels Opposition übt scharfe Kritik

 30.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025