Justizreform

»Ein Akt des Wahnsinns«

Israelis blockieren die Stadtautobahn Tel Avivs, Ayalaon. Foto: Flash90

Nach der Entlassung von Verteidigungsminister Yoav Gallant gibt es in ganz Israel Massenproteste. Die Menschen demonstrierten die ganze Nacht hindurch. Tausende von Demonstranten blockierten Tel Avivs Stadtautobahn Ayalon und zündeten Feuer an. Die Fahrbahnen konnten erst am Morgen wieder für den Verkehr geöffnet werden.

SICHERHEIT Am Sonntagabend hatte Premierminister Benjamin Netanjahu seinen Verteidigungsminister entlassen, nachdem dieser seine Sorge um Israels Sicherheit geäußert und gefordert hatte, die Justizreform zu stoppen. Als Antwort auf seine Entlassung sagte Gallant: »Israels Sicherheit war und wird immer mein Lebensziel sein«.

Der Premier erklärte bei einem Treffen mit dem Minister, er habe kein Vertrauen mehr in ihn. Anonymen Quellen aus dem Umfeld von Netanjahu zufolge warf der Ministerpräsident Gallant auch Schwäche vor und bezog sich dabei auf die wachsende Zahl von Militärreservisten, die den Dienst verweigern.

»Die Gesetzgebung hat eine so große gesellschaftliche Kluft ausgelöst, die die IDF und Sicherheitsbehörden durchdrungen hat.«

verteidgungsminister yoav gallant

Während Hunderttausende am Samstagabend auf den Straßen demonstrierten, hatte sich Gallant mit einer Warnung an die Nation gewandt. Durch die geplante Gesetzgebung sei eine derart große gesellschaftliche Kluft ausgelöst worden, dass sie »die IDF und die Sicherheitsbehörden durchdrungen« habe.

HÖLLE Gideon Sa’ar, ehemaliges Mitglied des Likud und jetzt im Bündnis Nationale Einheit, nannte Netanjahus Entscheidung einen »Akt des Wahnsinns, der auf einen völligen Mangel an Urteilsvermögen hinweist. Es ist beispiellos, einen Verteidigungsminister zu entlassen, weil er seine Besorgnis über die Bedrohung der Sicherheit Israels geäußert hat, wie es seine Rolle erfordert.« Netanjahu sei entschlossen, »das Land in die Hölle zu schicken«, resümierte Saar.

Auch der frühere IDF-Stabschef, Gadi Eisenkot, heute Politiker, äußerte sich: »Netanjahu hat gezeigt, dass die Sicherheit Israels nicht seine Priorität ist. Die Entlassung von Gallant wird sein Vermächtnis zerstören. Er spielt mit unserem Leben.«

Nur Stunden nach der Absetzung des Verteidigungsministers sandte die Biden-Regierung in den USA eine Botschaft gen Israel: »Wir sind zutiefst besorgt über die laufenden Entwicklungen, die die dringende Notwendigkeit eines Kompromisses weiter unterstreichen«.

RESERVISTEN Netanjahu meldete sich am selben Abend auf Twitter mit den Worten: »Wir müssen jedem standhalten, der sich weigert, zu dienen«. Weiter wurde in israelischen Medien berichtet, dass Netanjahu erwäge, auch IDF-Stabschef Herzl Halevi zu feuern, sollte er seine Haltung gegenüber den Reservisten und Verweigerern nicht ändern.

Alle Hochschulen mit Ausnahme der Ariel-Universität kündigten derweil einen Streik gegen die Schwächung der Justiz an. »Der Unterricht ist bis auf Weiteres abgesagt«, so die Erklärung. Die Schülerunion rief die Klassen sieben bis zwölf auf, am Montag nicht zum Unterricht zu erscheinen.

Bürgermeister und Regionalräte mehrerer Ortschaften treten in Hungerstreik.

Die Bürgermeister von Kfar Saba und Herzliya, die Vorsitzenden der Regionalräte von Obergaliläa und Shaar Hanegev sowie der Vorsitzende des Gemeinderats von Zichron Yaakov traten in einen Hungerstreik gegen die Regierungspolitik, wie der Fernsehkanal zwölf berichtete.

PRÄSIDENT Nach der Nacht der Proteste äußerte sich am Morgen auch wieder Präsident Isaac Herzog, der zuvor Vorschläge für einen Kompromiss für die Justizreform veröffentlicht hatte. Er sagte: »Die ganze Nation ist zutiefst besorgt. Sicherheit, Wirtschaft, Gesellschaft – alle sind bedroht«.

»Im Interesse der Einheit des Volkes Israels, im Interesse der geschuldeten Verantwortung« forderte Herzog die Regierung auf, das Gesetzgebungsverfahren unverzüglich einzustellen. »Dies ist kein politischer Moment, dies ist ein Moment der Führung und Verantwortung.«

Stimmen aus Israel

»Israelis sind Weltmeister darin, an der Normalität festzuhalten«

Wie ist die Stimmung im Land, nachdem Israel in der Nacht auf den beispiellosen Angriff des Iran reagiert hat? Sechs Stimmen.

von Sophie Albers Ben Chamo  19.04.2024

Luftfahrt

Lufthansa und Swiss stellen Flüge nach Israel ein

Die Hintergründe

 19.04.2024

Brüssel

EU verhängt Sanktionen gegen vier israelische Siedler

Dies bestätigten Diplomaten gegenüber der Deutschen Presse-Agentur

 19.04.2024 Aktualisiert

Gaza-Krieg

Mehr als 7200 israelische Soldaten in Gaza-Krieg verwundet

Rund ein Drittel der bei dem Militäreinsatz gegen die Hamas verletzten Soldaten kämpfen mit psychischen Problemen

 19.04.2024

Nahost

Angriff wird im Iran heruntergespielt

Das Mullah-Regime bezeichnete Berichte über den Angriff auf die Luftwaffenbasis als Propaganda

von Sabine Brandes  19.04.2024

Berlin/Jerusalem

Hunger-Streit zwischen Baerbock und Netanjahu

Der Ministerpräsident und die Außenministerium sollen sich über die Lage in Gaza gestritten haben

 19.04.2024

Nahost

Keine Berichte über Schäden nach Angriff im Iran

Mehrere Flugobjekte am Himmel von Isfahan seien abgeschossen worden, erklärt das Mullah-Regime

 19.04.2024

Nahost

Griff Israel den Iran von innen heraus an?

Lesen Sie alle aktuellen Entwicklungen hier

 19.04.2024 Aktualisiert

Nahost

US-Sender: Israelische Reaktion auf Iran nicht vor Monatsende

Kommt die Antwort des jüdischen Staates nach Pessach?

 18.04.2024