Großer Bahnhof für Donald Trump. Als das Flugzeug des US-Präsidenten am Montagvormittag am Flughafen Ben-Gurion in Tel Aviv landet, steht nicht das übliche Begrüßungskomitee an der Rolltreppe. Sowohl Staatspräsident Isaac Herzog und Frau Michal als auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu samt Gattin Sara sind gekommen, um sich im Glanz des von vielen Israelis als Friedensmacher angesehenen Amerikaners zu sonnen.
Trump-Schwiegersohn Jared Kushner und dessen Gattin Ivanka stehen am Rollfeld. Zusammen mit dem Ehepaar Netanjahu steigen sie anschließend in Trumps gepanzerte Limousine ein und begleiten den Präsidenten auf der Fahrt nach Jerusalem. Der – protokollarisch höherrangige –Präsident, Isaac Herzog, muss sich dagegen um eine anderweitige Fahrgelegenheit bemühen.

Auf dem X-Account des Weißen Hauses wurde zwar nur Netanjahus Anwesenheit, aber nicht die Herzogs erwähnt. Für das sonst bei Besuchen ausländischer Staatsgäste übliche Protokoll hatten weder die israelische noch die amerikanische Seite viel übrig.
Der diplomatische Faux pas kann an einem Tag wie diesem die gute Stimmung nicht trüben. Herzog hat Trump zuvor ausnehmend freundlich willkommen geheißen. »Gesegnet sind die Friedensmacher«, sagt er. Das israelische Volk heiße Trump »mit großer Liebe und Dankbarkeit willkommen«. Dass das nicht nur Floskeln sind, zeigt auch die große, in den Sandstrand von Tel Aviv gezeichnete Silhouette von Trumps Kopf, die mit einem »THANK YOU« versehen war. Trump dürfte dieser Willkommensgruß beim Landeanflug kaum entgangen sein.
Während sich die Staatsmänner vom Flughafen in Richtung Jerusalem bewegen, zeigen die israelischen TV-Sender die ersten Fotos der freigelassenen Geiseln. Auf dem »Platz der Geiseln« in Tel Aviv, wo sich gegen Mittag schon mehr als 100.000 Menschen versammelt hatten, brandet Jubel auf. Trump wurde dort schon am Samstagabend von einer großen Menge lautstark gefeiert. Bei der Nennung von Netanjahus Namen dagegen gab es Buhrufe. Doch das ist am Montag schon Schnee von gestern. Israel steht an diesem Tag der Freude zusammen.

Kurz bevor Trumps Wagenkolonne nach rund einer Stunde Fahrt vor der Knesset vorfährt, läuft die Nachricht über den Ticker, dass die Hamas alle 13 noch lebenden Geiseln an das Rote Kreuz übergeben habe.
Im Parlamentsgebäude wird Trump kurz darauf erneut herzlich begrüßt. Der Knesset-Vorsitzende Amir Ohana bittet ihn, sich ins Gästebuch des Hohen Hauses einzutragen. »Das ist eine große Ehre für mich – ein großartiger und wunderschöner Tag. Ein neuer Anfang«, schreibt Trump mit dickem Filzstift und in Großbuchstaben.

Im Plenarsaal der Knesset haben einige Abgeordnete ihr Haupt anstelle einer Kippa mit roten MAGA-Kappen und der Aufschrift »Trump - The Peace President« bedeckt. Doch sie müssen sich in Geduld üben. Die für 11 Uhr Ortszeit angekündigte Ansprache des US-Präsidenten verzögert sich. Trump und Netanjahu sind noch in Gesprächen mit Angehörigen der Opfer des 7. Oktober und Soldaten der israelischen Armee.
In der Zwischenzeit machen mehrere Eilmeldungen die Runde. Ägyptens Präsident Abd al-Fattah as-Sisi habe überraschend auch Netanjahu zum großen Gipfeltreffen nach Scharm El-Scheich eingeladen, das Nachmittag beginnen sollte. Zunächst hatte es noch geheißen, der israelische Regierungschef dort nicht willkommen sei. Später lehnt Netanjahu die Einladung aber wegen des Sukkot-Feiertags dankend ab.
Und noch eine Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer: Indonesiens Präsident Prabowo Subianto werde Israel noch an diesem am Dienstag einen Besuch abstatten. Bislang unterhält der jüdische Staat keine offiziellen Beziehungen zum größten muslimischen Land der Welt. Jetzt strebt auch Subianto, der vor der UN-Vollversammlung vor drei Wochen eine Friedenslösung angemahnt hatte, die auch Israels Sicherheit garantiere, offenbar den Beitritt seines Landes zu den Abraham-Abkommen an.
Bevor Trump ans Rednerpult treten kann, muss er sich aber noch einige Lobesreden anhören. Der Knesset-Vorsitzende Ohana macht den Anfang - und lässt sich Zeit. Immer wieder lobt er den Gast überschwänglich und löst so mehrere Beifallsstürme aus. »Die Welt braucht mehr Trumps«, findet Ohana.
Dann hebt der Parlamentsvorsteher auch zu einer Eloge auf seinen Parteifreund Netanjahu an. »Wir wären nicht bis zu diesem Punkt gekommen, wenn der Premierminister nicht so gehandelt hätte, wie er gehandelt hat«, meint er. Andere Anführer wären weitaus weniger mutig gegen die Hamas vorgegangen als Netanjahu. Fast jeden der zahlreichen Ehrengäste auf der Tribüne hat Ohana zuvor namentlich begrüßt. Den lautesten Applaus bekommen Trumps Sondervermittler Steve Witkoff und Jared Kushner.

Nun könnte Trumps Rede endlich beginnen, denkt sich so mancher. Doch erst einmal tritt Netanjahu ans Rednerpult. Er dankt dem Präsidenten ebenfalls. Für Trumps Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt Israels und die israelische Annexion des Golan. Für die US-Militärschläge gegen den Iran. Und für die Unterstützung Israels im Kampf gegen die Hamas in Gaza. Kein US-Präsident in der Geschichte sei je ein so großer Freund Israels gewesen, sagt Netanjahu - »not even close«.
»Jahr des Friedens«
Sein eigenes Land habe große Opfer gebracht, so der Regierungschef. Er würdigt die gefallenen Soldaten. Aber das kommende Jahr, versprach Netanjahu, werde »ein Jahr des Friedens« werden, »in Israel und um Israel herum«. Niemand wolle den Frieden mehr als die Menschen in Israel, sagte er. Er selbst werde hart dafür arbeiten, die Abraham-Abkommen auszuweiten. Und er habe Trump für den Israel-Preis nominiert, als ersten ausländischen Staatschef überhaupt. »Und diesen anderen Preis«, sagt Netanjahu in Anspielung auf den Friedensnobelpreis, den werde Trump schon auch noch erhalten.

Dieser ist schon unterwegs zum Rednerpult, als Knesset-Vorsteher Ohana ihn darauf aufmerksam macht, dass zuvor noch der Oppositionsführer Yair Lapid mit einer Grußadresse an der Reihe sei.
Der Präsident nimmt es sportlich. »Come up, opposition«, ruft er Lapid vom Podium her zu. Und hört sich anschließend eine weitere Lobeshymne an. »Dass Sie den Nobelpreis nicht bekommen haben, ist ein schwerer Fehler des Nobel-Komitees« in Oslo, so der Oppositionsführer und Vorgänger Netanjahus im Amt des Premiers. »Aber die werden nächstes Jahr an Ihnen nicht vorbeikommen«, fügt er hinzu.
»Goldenes Zeitalter«
Endlich, mit mindestens zwei Stunden Verspätung, ist nun Donald Trump an der Reihe. Er ruft den »immerwährenden Frieden« für das Heilige Land aus. Zweifel, die aus der Geschichte der Region vielleicht angebracht gewesen wären, wischt er beiseite. Ein »goldenes Zeitalter« werde für Israel anbrechen, ist er sich sicher.
Netanjahus Rede sei ja sehr lang gewesen, so der US-Präsident in einem Seitenhieb. Er habe gedacht, er schaue kurz in Israel vorbei und fliege dann nach Ägypten weiter. Daraus werde nun nichts. Immerhin habe Netanjahu positiv über ihn gesprochen.
Trotz der Verspätung liefert auch Trump eine Serie von nicht enden wollenden Lobeshymnen. Netanjahu lobt er als »großen Freund«, wenngleich er ein schwieriger Verhandlungspartner sei. »Er ist nicht einfach, aber das ist es ja, was ihn so großartig macht.«
Freundlich redet er auch über Yair Lapid. Der hingegen »ein lieber Kerl« und sehr freundlich sei. »Du könntest ihn ruhig etwas besser behandeln, Bibi«, ruft Trump Netanjahu in einem Seitenhieb zu. Ein vergiftetes Lob für den Oppositionsführer? Trump konnte es egal sein, denn die Stimmung wurde immer heiterer.

Trump lobt auch Steve Witkoff. Der sei wie dereinst Henry Kissinger, nur verrate er nicht alles gleich alles an die Presse.
Trump lobte Jared Kushner. Er lobt seinen Außenminister Marco Rubio, seinen Kriegsminister Pete Hegseth. Und seine Tochter Ivanka bekommt ein Lob ab.
»Die Welt liebt Israel wieder«
Dann lobt Trump Israel. Und Amerika. Er gedenkt der Opfer des 7. Oktober: »Niemals vergessen und nie wieder«. Dann preist er die »Tapferkeit der israelischen Streitkräfte«. Man habe sehr gut zusammengearbeitet, auch und gerade gegen die Islamische Republik, sagte Trump. »Wunderschöne B52-Bomber« seien dabei zum Einsatz gekommen.
Trump lobt seinen - ebenfalls auf der Ehrentribüne der Knesset sitzenden - Generalstabschef Dan Caine. »Der ist ein echter General; der mag nicht ins Fernsehen, so wie all die anderen.« Das iranische Atomprogramm sei zerstört worden. Das wiederum habe die Voraussetzung geschaffen dafür, dass andere Staaten in der Region dem Friedensplan zugestimmt hätten, so der Präsident - und meinte nicht nur Israel.
Der Optimismus Trumps ist an diesem Tag offenbar grenzenlos. Im Libanon werde gerade die Hisbollah entwaffnet. Und auch Russlands Krieg gegen die Ukraine, sagt er überschwänglich, werde man noch befrieden. »Nicht wahr, Jared? Nicht wahr, Steve?«
Dann erst kommt er auf seinen Friedensplan für Gaza zu sprechen. »Es wird Zeit, dass ihr die Früchte eurer Arbeit genießen könnt«, ruft er den Abgeordneten zu. »Die wohlhabendste Gruppe, die je zusammengekommen ist«, werde Gaza wiederaufbauen, so Trump mit Blick auf die Geberstaaten, die am Treffen von Scharm El-Scheich teilnehmen wollen. Die Palästinenser müssten nun ihr eigenes Land aufbauen, anstatt ein anderes Land - Israel - zerstören.
Die Welt liebe Israel wieder, denn sowohl die Welt als auch Israel habe den Frieden in Gaza gewollt, und es sei nun höchste Zeit dafür gewesen, betont der Präsident.
»Herr Präsident, warum begnadigen Sie ihn nicht?«
Sein ganzes Leben lang, so Trump, habe er Deals gemacht. »Keiner kann das besser als ich«. Nur das von seinem Vorgänger Barack Obama ausgehandelte Nuklearabkommen mit dem Iran, das habe er beendet. Das Atomprogramm der Mullahs sei nun dennoch Geschichte. Er habe es mit Bomben beendet. Doch auch dem Iran bietet Trump ein Friedensabkommen an: »Das soll jetzt nicht als Zeichen der Schwäche ausgelegt werden: Ich bin bereit, wenn ihr bereit seid.«
Am Ende seiner Rede will Trump dann auch noch Israels Innenpolitik befrieden. An Isaac Herzog gewandt sagt er: »Herr Präsident, warum begnadigen sie ihn nicht?« und zeigt dann auf Netanjahu, der in der Mitte des Saales auf der Regierungsbank sitzt. Der Premierminister muss sich seit Jahren wegen angeblicher Annahme von Geschenken reicher Gönner vor Gericht verantworten.
Sein Freund Bibi sei doch der größte israelische Kriegspräsident seit Menschengedenken, findet Trump. »Zigarren und Champagner, wen juckt denn das?« fragt er rhetorisch - und erntet dafür Applaus und Gelächter, aber auch ein paar Buhrufe.
Dann kehrt wieder zu seinem Redemanuskript zurück. »Wir haben das Unmögliche geschafft: Wir haben zusammen Frieden gemacht. Wir haben die Geiseln heimgebracht«, sagt der Redner. Und er verspricht, dass es künftig allen im Nahen Osten besser gehen werde als bislang. Seine Ansprache endet er mit den Worten: »Ich liebe Israel. Ich bin bei euch alle Zeit. Gott schütze euch alle und den Nahen Osten.«
Es war eine Rede, wie sie kein zweiter ausländischer Staatsgast je vor der Knesset gehalten hat und wohl auch nicht so schlecht halten wird. Trump zelebrierte die Freundschaft zwischen den beiden Ländern in seiner unnachahmlichen Art. Er mischte sich sogar in die israelische Innenpolitik ein, und das in der Herzkammer der Demokratie, der Knesset. Das dürfte ihm so schnell keiner nachmachen.