Anschlag

Der Tod kam nachts per Drohne

Israelische Sicherheitskräfte am Ort des Einschlags in Tel Aviv. Foto: Flash90

Eine Stadt steht unter Schock. WhatsApp-Gruppen laufen an diesem Freitagmorgen auf Hochtouren: Eltern debattieren, ob sie ihre Kinder besser nicht in die Sommerlager schicken, Familien überlegen, die Familienessen zum Schabbat abzusagen. Denn in der Nacht kam völlig unerwartet der Tod per Drohne nach Tel Aviv.

Kurz nach drei Uhr wurden ein Mann getötet und acht weitere verletzt, als ein Flugobjekt, vollgepackt mit Sprengstoff, mitten in der Stadt in ein Wohngebäude flog.

Es schrillten keine Sirenen, es gab keinerlei Vorwarnungen der israelischen Sicherheitskräfte. Lediglich ein »lautes Brummgeräusch vor dem Knall« beschrieben Menschen, die sich in unmittelbarer Nähe aufgehalten hatten. Am Morgen darauf übernahmen die Huthi-Terrorgruppe im Jemen die Verantwortung für den Anschlag.

Drohne erkannt, aber nicht abgefangen

Einer ersten Untersuchung der israelischen Luftwaffe (IAF) zufolge sei die Drohne zwar als mit Sprengstoff beladenes unbemanntes Flugobjekt (UAV) identifiziert worden, aber aufgrund eines menschlichen Fehlers nicht von der Luftabwehr angegriffen worden. Da keine Maßnahmen »gegen das identifizierte Ziel ergriffen wurden, ertönten auch keine Warnsirenen«, so die Armee.

IDF-Sprecher Daniel Hagari gab am Freitag in einer Erklärung bekannt, dass vorläufige Ermittlungen darauf hindeuten, dass es sich bei der Drohne, die über Tel Aviv explodierte, um eine iranische Drohne handelte, die für einen Flug vom Jemen nach Israel aufgerüstet wurde. »Wir gehen aktiv gegen die Bedrohung durch Drohnen vor. Bisher wurden Dutzende davon aus dem Jemen gestartet und von der US-Einsatzgruppe und unserer Luftwaffe abgefangen. Wir untersuchen, warum diese spezielle Drohne nicht als Bedrohung identifiziert wurde«, so Hagari.

Das Geschehen ist ein massives Versagen der Luftabwehrsysteme. In ihrer offiziellen Antwort räumt die IDF ein: »Eine erste Untersuchung deutet darauf hin, dass die Explosion in Tel Aviv durch den Absturz eines Luftziels verursacht wurde. Der Vorfall wird gründlich untersucht. Derzeit sind israelische Sicherheitskräfte vor Ort im Einsatz.« Weiter heißt es: »Die israelische Luftwaffe hat ihre Luftpatrouillen verstärkt, um den israelischen Luftraum zu schützen. Es gibt keine Änderung der Verteidigungsrichtlinien des Heimatfrontkommandos.«

»Dieser Vorfall wirft ernsthafte Fragen über Israels Bereitschaft auf, solchen Bedrohungen im Falle eines umfassenden Krieges, einschließlich möglicher Konfrontationen mit der Hisbollah im Libanon, zu begegnen«, kommentierte die Internetzeitung »Times of Israel« daraufhin.

»Es ist völlig schockierend, dass eine Angriffsdrohne einfach so bis ins Zentrum der Stadt durchdrang und nicht abgefangen wurde.«

Ronika Levy

Auch viele Städter sind entsetzt über das Geschehen. »Es ist völlig schockierend, dass die Drohne einfach so bis ins Zentrum der Stadt durchdrang und nicht abgefangen wurde«, so Ronika Levy, die an diesem Abend mit Freunden in der Stadt ausgegangen war, wie so viele am Donnerstagabend. »Was heißt das, ›menschlicher Fehler‹? Es muss doch irgendeine weitere Absicherung geben, als nur eine einzige Person, wenn das Land bedroht wird. Das Gefühl der Sicherheit ist im Moment völlig zerstört.«   

Die Drohne war in einem Apartmentkomplex nur wenige Meter von der amerikanischen Botschaft in Tel Aviv eingeschlagen. »Es gibt keine Geheimdienstinformationen, die auf eine Absicht hindeuten, die US-Botschaft anzugreifen«, so die IDF. Sie wolle später am Morgen diesbezüglich eine weitere Bewertung durchführen.

Der Militärsprecher der Huthi erklärte am Donnerstagmorgen, die Gruppe habe Tel Aviv mit einer Drohne angegriffen und werde aus Solidarität mit den Palästinensern im Gaza-Krieg weiterhin Israel angreifen. »Tel Aviv wird ein Hauptziel bleiben, innerhalb der Reichweite unserer Waffen.« Die Huthi sind eine schiitische, eng mit dem Iran verbundene Terrororganisation im Jemen.

Die Gruppe behauptete weiter, bei der Drohne gegen Tel Aviv habe es sich um ein Objekt gehandelt, das Radarerkennungssysteme umgehen könne. Die israelischen Streitkräfte aber widersprechen dem und geben an, dass die Drohne zwar entdeckt, jedoch aufgrund eines menschlichen Fehlers nicht abgeschossen wurde. Sie sei vom Meer in den urbanen Raum eingetreten und hätte um 3.12 Uhr die Wohnung in Tel Aviv direkt getroffen.

IDF geht davon aus, dass Drohne aus dem Jemen kam

Das israelische Militär geht bisher davon aus, dass die Drohne aus südlicher Richtung, möglicherweise aus dem Jemen, kam, schließt jedoch andere Startorte wie den Irak oder Syrien nicht aus. Ebenfalls über Nacht sei eine Drohne, die aus östlicher Richtung auf Israel zusteuerte und wahrscheinlich aus dem Irak stammte, von Kampfjets außerhalb des israelischen Luftraums abgeschossen worden. Das Centcom der US-Streitkräfte gab zudem an, dass am Morgen des Donnerstags Huthi-Raketen und vier Drohnen von den amerikanischen Streitkräften zerstört worden seien. Dies stünde allerdings nicht in direktem Zusammenhang mit dem nächtlichen Angriff.

Die IAF gestand, dass der tödliche Vorfall »nicht hätte passieren dürfen« und sagte, sie übernehme die volle Verantwortung für das Versagen, das zu dem Einschlag geführt habe.

Verteidigungsminister Yoav Gallant deutete an, dass Israel auf die Attacke reagieren könnte. »Das Verteidigungsestablishment arbeitet daran, alle Verteidigungssysteme umgehend zu stärken und wird mit jedem abrechnen, der dem Staat Israel schadet oder Terror gegen ihn ausübt«, hieß es in einer Stellungnahme seines Büros.

Auch Oppositionsführer Yair Lapid äußerte sich am Morgen: Der tödliche Drohnenangriff auf Tel Aviv sei ein weiterer Beweis dafür, dass diese Regierung nicht wisse, wie sie den Bürgern Israels Sicherheit bieten kann, und dazu auch nicht in der Lage sei. Er fügte hinzu, dass jeder, der »die Abschreckung im Norden und im Süden verliert, sie auch im Herzen von Tel Aviv verliert.« Lapid wirft der Regierung vor, »keine Politik, keinen Plan zu haben – alles sind nur Öffentlichkeitsarbeit und Diskussionen über sich selbst«.

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