Raketenabwehr

Der Schutzmann

Raketenalarm in Tel Aviv. Viele suchen Schutz, aber beileibe nicht alle. Man sieht Männer und Frauen auf den Straßen, die Arme nach oben gestreckt, das Mobiltelefon in der Hand – bereit zum Fotografieren.

Sie warten auf den leuchtenden Feuerball am Himmel, der manchmal direkt über ihnen und manchmal in weiterer Ferne aufscheint. Der Feuerball ist das Zeichen dafür, dass das israelische Verteidigungssystem »Kipat Barsel« oder »Iron Dome« (Eiserne Kuppel) das feindliche Geschoss aus dem Gazastreifen zerstört hat. Wenn kurz danach eine dumpfe Explosion zu hören ist, bricht meist Jubel unter den Menschen aus.

Appell Das System ist der ganze Stolz der Nation. Das Gefühl des Triumphs und der Unbesiegbarkeit ist inzwischen so groß, dass es viele leichtsinnig macht. So sehr, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Sonntag einen dringlichen Appell an die Bevölkerung richtete: »Ich weiß, dass es hier Menschen gibt, die die Raketen sehen wollen. Ich bitte euch, das nicht zu tun, sondern in den geschützten Zonen zu bleiben. Seid nicht zu selbstgefällig!«

Das Abwehrsystem, das wegen seiner Erfolgsquote (zwischen 65 und 85 Prozent) bereits im November 2012 für Furore sorgte, hat eine ungewöhnliche Geschichte, hinter der auch ein ungewöhnlicher Mann steckt. Ohne die Idee, die Hartnäckigkeit und die feste Überzeugung des ehemaligen Brigadegenerals Danny Gold gäbe es die Eiserne Kuppel heute nicht.

Für seine Entwicklung verletzte der öffentlichkeitsscheue Mann nicht nur Regeln, er ignorierte auch Ablehnung und Anschuldigungen von allen Seiten: vom staatlichen Rechnungshof, von den Medien, von den Politikern. Und er wusste nicht, wer das Ganze bezahlen sollte.

Genehmigung 2004 wurde der Doktor der Elektro- und Wirtschaftswissenschaften Leiter eines Forschungs- und Entwicklungsteams der Armee, das untersuchen sollte, wie man sich gegen Langstreckenwaffen schützen kann. »Damals schoss mir die Idee durch den Kopf, dass man diese Waffen in ihrer Flugbahn unterbrechen muss«, erinnert sich der heute 52-jährige Vater zweier Kinder. Er beschloss, so ein System zu entwickeln – koste es, was es wolle. Nach dem ersten Brainstorming lagen 24 Konzepte auf dem Tisch, die alle nichts taugten.

Den Durchbruch brachte schließlich eine Kombination aus der Verteidigungstechnologie der Firma Rafael – und Erfahrung, sagt Gold. »Wir legten fest, was das System können muss, die Kosten, die Reichweite, die Anzahl der Salven.« Rafael sollte das Gerät herstellen, des Weiteren war das Unternehmen Israel Aerospace für das Radarsystem verantwortlich, eine andere Firma sorgte für Kontrolle und Datenanalyse. Das Geld kam aus dem Budget des Teams und von Rafael.

2005 ignorierten Gold und sein Team – wie er sagt, die besten Ingenieure des Landes – eine Anweisung des Verteidigungsministeriums. Statt die Genehmigung abzuwarten, erklärte er das Projekt zur absoluten Priorität und drängte zur Eile, schrieb der staatliche Kontrolleur Micha Lindenstrauss 2009 in seinem Bericht. Daraufhin entbrannte ein Sturm der Entrüstung in den Medien, der sich vor allem gegen Gold richtete. »Die Eiserne Kuppel – ein vorhersehbarer Fehlschlag«, schrieb etwa Haaretz. Gold habe die Entwicklung einfach für sich allein entschieden, von Beginn an sei die Eiserne Kuppel auf Basis einer Lüge entstanden.

Grauzone Er habe sich rechtlich lediglich in einer Grauzone bewegt, interpretiert es Gold hingegen. Er habe zwei Schritte kombiniert: die theoretische und die praktische Entwicklung. Anstatt wie sonst rund 15 Jahre dauerte es von der Entwicklung über die Herstellung bis zur Erprobung nur etwa ein Fünftel der Zeit. Unterstützung fand Gold eigentlich nur beim damaligen Verteidigungsminister Amir Peretz.

Der in Sderot im Süden Israels geborene Mann kannte die Leiden der Bevölkerung dort aus erster Hand: der Beschuss aus dem Gazastreifen – mal völlig unerwartet, mal aufgrund einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Israel. Peretz trieb das Projekt gegen die Vorbehalte seines Ministeriums, der Regierung und des Parlaments vorwärts. 2007 wurde offiziell Geld bereitgestellt. Im Jahr 2008 wurde die Eiserne Kuppel erstmals getestet, 2011 bestand sie die Feuertaufe, als sie eine Grad-Rakete aus Gaza zerstörte. Bei der Operation »Wolkensäule« im November 2012 wurden dann alle Zweifel vollends beseitigt.

Das Verteidigungssystem besteht aus einer Batterie mit Radar, Kontrollzentrum und insgesamt 20 Abfangraketen. Das Radar registriert den Start der Rakete, berechnet in Sekundenschnelle die Flugbahn und übermittelt diese Informationen an das Kontrollzentrum, das wiederum den Einschlagsort bestimmt. Liegt dieser außerhalb bewohnter Gebiete, schickt das System keine Rakete.

Alles andere würde zum Bankrott führen, denn ein Abschuss kostet zwischen 35.000 und 50.000 Dollar. Zudem erkennt das System auf wenige Meter genau, von wo aus die Rakete abgefeuert wurde. Die extrem manövrierfähigen Raketen der Eisernen Kuppel sind mit elf Kilogramm Sprengstoff bestückt und sollen Ziele in vier bis 70 Kilometer Entfernung treffen. Alles in allem decken sie ein 150 Quadratkilometer großes Gebiet ab. Insgesamt hat Israel derzeit sieben im Einsatz.

Nachdenken Für Gold bietet die Eiserne Kuppel neben dem Schutz bewohnter Gebiete noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: »Die Armeeführung und die Regierung gewinnen Zeit, über taktische und strategische Lösungen nachzudenken.« Früher habe man aufgrund bisheriger oder befürchteter Todesopfer Militäroffensiven durchgeführt, über die man heute erst einmal in Ruhe nachdenken könne. Und: Zwar sei der Einsatz teuer, aber das System spare andererseits eine Menge Geld, weil weniger Schaden angerichtet werde.

Er habe nie Zweifel am Erfolg gehabt, sagt Danny Gold. Und er habe sich von den Gegnern eigentlich nie aus der Fassung bringen lassen. »Sie waren für mich wie die zwei alten Nörgler in der Muppet-Show.« Gold, der heute Geschäftsführer seiner eigenen Firma ist, war nie bei einem Einsatz der Eisernen Kuppel dabei. Als er nach dem Grund gefragt wurde, sagte er: »Ich will da niemandem im Weg herumstehen.«

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